Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.pkl_048.001 §. 65. Soll der Reim auf die Leser und Hörer pkl_048.004 1) Nicht alle Gedichte vertragen den pkl_048.009 Am meisten eignet sich der Reim für die lyrische pkl_048.011 pkl_048.001 §. 65. Soll der Reim auf die Leser und Hörer pkl_048.004 1) Nicht alle Gedichte vertragen den pkl_048.009 Am meisten eignet sich der Reim für die lyrische pkl_048.011 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0074" n="48"/><lb n="pkl_048.001"/> vergleichen u. s. w., wobei sich denn oft ganz neue Gesichtspunkte <lb n="pkl_048.002"/> herausstellen, neue, herrliche Bilder sich finden.</p> <lb n="pkl_048.003"/> <p> §. 65. Soll der Reim auf die Leser und Hörer <lb n="pkl_048.004"/> die im vorigen Paragraphen angegebenen, in Absicht <lb n="pkl_048.005"/> gestellten Wirkungen haben, so muß er (mehr oder <lb n="pkl_048.006"/> weniger) unter dem Einfluß folgender Sätze und Gesetze <lb n="pkl_048.007"/> gebildet und angewendet werden:</p> <lb n="pkl_048.008"/> <p> 1) <hi rendition="#g">Nicht alle Gedichte vertragen den <lb n="pkl_048.009"/> Reim; nicht allen steht er gleich gut.</hi></p> <lb n="pkl_048.010"/> <p> Am meisten eignet sich der Reim für die <hi rendition="#g">lyrische</hi> <lb n="pkl_048.011"/> Poesie; das Lied selbst kann ihn nur schwer entbehren, <lb n="pkl_048.012"/> Nur bei denjenigen lyrischen Gedichten, die eine starke, <lb n="pkl_048.013"/> leidenschaftliche Aufregung schildern, ist seine Anwendung <lb n="pkl_048.014"/> nicht durchweg zu empfehlen. — Jn den Epopöen <lb n="pkl_048.015"/> antiken Charakters wird der Reim nie heimisch werden; <lb n="pkl_048.016"/> dagegen pflegt das romantische und neuere Epos <lb n="pkl_048.017"/> in Strophenformen aufzutreten, die den Reim nothwendig <lb n="pkl_048.018"/> fordern. Ebenso wird in denjenigen epischen <lb n="pkl_048.019"/> Dichtungsarten, welche den lyrischen Gattungen am <lb n="pkl_048.020"/> nächsten stehen, wie namentlich die Ballade und Romanze, <lb n="pkl_048.021"/> der Reim immer mit Vortheil angewendet. — <lb n="pkl_048.022"/> Ob der Reim sich für das Drama eigne oder nicht, <lb n="pkl_048.023"/> darüber kann man ebenfalls keine ausschließenden Bestimmungen <lb n="pkl_048.024"/> aufstellen. Denn wenn sich auch behaupten <lb n="pkl_048.025"/> läßt, daß der Natur des Dramas, insonderheit des <lb n="pkl_048.026"/> Trauerspiels — einzelne lyrische Stellen natürlich ausgenommen! <lb n="pkl_048.027"/> — der Reim nicht zusage, so kann man <lb n="pkl_048.028"/> wiederum auch den großen Erfolg nicht in Abrede <lb n="pkl_048.029"/> stellen, mit welchem er von einzelnen Dichtern, z. B. <lb n="pkl_048.030"/> von <hi rendition="#g">Göthe</hi> im Faust, in dramatischen Dichtungen <lb n="pkl_048.031"/> angewendet wurde.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [48/0074]
pkl_048.001
vergleichen u. s. w., wobei sich denn oft ganz neue Gesichtspunkte pkl_048.002
herausstellen, neue, herrliche Bilder sich finden.
pkl_048.003
§. 65. Soll der Reim auf die Leser und Hörer pkl_048.004
die im vorigen Paragraphen angegebenen, in Absicht pkl_048.005
gestellten Wirkungen haben, so muß er (mehr oder pkl_048.006
weniger) unter dem Einfluß folgender Sätze und Gesetze pkl_048.007
gebildet und angewendet werden:
pkl_048.008
1) Nicht alle Gedichte vertragen den pkl_048.009
Reim; nicht allen steht er gleich gut.
pkl_048.010
Am meisten eignet sich der Reim für die lyrische pkl_048.011
Poesie; das Lied selbst kann ihn nur schwer entbehren, pkl_048.012
Nur bei denjenigen lyrischen Gedichten, die eine starke, pkl_048.013
leidenschaftliche Aufregung schildern, ist seine Anwendung pkl_048.014
nicht durchweg zu empfehlen. — Jn den Epopöen pkl_048.015
antiken Charakters wird der Reim nie heimisch werden; pkl_048.016
dagegen pflegt das romantische und neuere Epos pkl_048.017
in Strophenformen aufzutreten, die den Reim nothwendig pkl_048.018
fordern. Ebenso wird in denjenigen epischen pkl_048.019
Dichtungsarten, welche den lyrischen Gattungen am pkl_048.020
nächsten stehen, wie namentlich die Ballade und Romanze, pkl_048.021
der Reim immer mit Vortheil angewendet. — pkl_048.022
Ob der Reim sich für das Drama eigne oder nicht, pkl_048.023
darüber kann man ebenfalls keine ausschließenden Bestimmungen pkl_048.024
aufstellen. Denn wenn sich auch behaupten pkl_048.025
läßt, daß der Natur des Dramas, insonderheit des pkl_048.026
Trauerspiels — einzelne lyrische Stellen natürlich ausgenommen! pkl_048.027
— der Reim nicht zusage, so kann man pkl_048.028
wiederum auch den großen Erfolg nicht in Abrede pkl_048.029
stellen, mit welchem er von einzelnen Dichtern, z. B. pkl_048.030
von Göthe im Faust, in dramatischen Dichtungen pkl_048.031
angewendet wurde.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |