Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.pkl_042.001 Ach es entschwindet mit traurigem Flügel pkl_042.014 pkl_042.019Mir auf den wiegenden Wellen die Zeit! pkl_042.015 Morgen entschwinde mit schimmerndem Flügel pkl_042.016 Wieder wie gestern und heute die Zeit, pkl_042.017 Bis ich auf höherem, strahlendem Flügel, pkl_042.018 Selber entschwinde der wechselnden Zeit. F. Stollberg. pkl_042.020 Der reiche Reim entsteht, wenn dem identischen pkl_042.021 Beispiel: pkl_042.025Hab' ich doch Verlust in Allem, was ich je gewann, ertragen; pkl_042.026 pkl_042.032Aber glaubet mir, das Leben läßt sich dann und wann ertragen! pkl_042.027 Zwar des Leidens ganze Bürde riß mich oft schon halb zu Boden, pkl_042.028 Doch ich hab' es immer wieder, wenn ich mich besann, ertragen: pkl_042.029 Mir geziemt der volle Becher, mir der volle Klang der Lauten, pkl_042.030 Denn den vollen Schmerz des Lebens hab' ich als ein Mann pkl_042.031 ertragen! u. s. w. Platen. pkl_042.033 §. 62. Als besondere Reimformen sind außer pkl_042.001 Ach es entschwindet mit traurigem Flügel pkl_042.014 pkl_042.019Mir auf den wiegenden Wellen die Zeit! pkl_042.015 Morgen entschwinde mit schimmerndem Flügel pkl_042.016 Wieder wie gestern und heute die Zeit, pkl_042.017 Bis ich auf höherem, strahlendem Flügel, pkl_042.018 Selber entschwinde der wechselnden Zeit. F. Stollberg. pkl_042.020 Der reiche Reim entsteht, wenn dem identischen pkl_042.021 Beispiel: pkl_042.025Hab' ich doch Verlust in Allem, was ich je gewann, ertragen; pkl_042.026 pkl_042.032Aber glaubet mir, das Leben läßt sich dann und wann ertragen! pkl_042.027 Zwar des Leidens ganze Bürde riß mich oft schon halb zu Boden, pkl_042.028 Doch ich hab' es immer wieder, wenn ich mich besann, ertragen: pkl_042.029 Mir geziemt der volle Becher, mir der volle Klang der Lauten, pkl_042.030 Denn den vollen Schmerz des Lebens hab' ich als ein Mann pkl_042.031 ertragen! u. s. w. Platen. pkl_042.033 §. 62. Als besondere Reimformen sind außer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0068" n="42"/><lb n="pkl_042.001"/> können sie in geeigneten Fällen sehr wirksam sein; <lb n="pkl_042.002"/> doch findet man sie höchst selten und für einfache <lb n="pkl_042.003"/> deutsche Silbenmaaße sind sie zu schwerfällig und fremdartig. <lb n="pkl_042.004"/> — Der sogenannte <hi rendition="#g">identische</hi> Reim wird <lb n="pkl_042.005"/> durch die Wiederholuug desselben Worts (oder derselben <lb n="pkl_042.006"/> Reimsilbe) gebildet, ist aber eben deshalb kein <lb n="pkl_042.007"/> eigentlicher Reim und darf nicht die Stelle eines <lb n="pkl_042.008"/> solchen in Gedichten, die wirklich gereimt sein sollen, <lb n="pkl_042.009"/> vertreten. Jn einzelnen Fällen aber und zu besondern <lb n="pkl_042.010"/> Zwecken, namentlich um die betreffenden Worte möglichst <lb n="pkl_042.011"/> hervorzuheben, kann auch er seine Anwendung <lb n="pkl_042.012"/> finden, z. B.</p> <lb n="pkl_042.013"/> <p> <lg> <l>Ach es entschwindet mit traurigem <hi rendition="#g">Flügel</hi></l> <lb n="pkl_042.014"/> <l>Mir auf den wiegenden Wellen die <hi rendition="#g">Zeit!</hi></l> <lb n="pkl_042.015"/> <l>Morgen entschwinde mit schimmerndem <hi rendition="#g">Flügel</hi></l> <lb n="pkl_042.016"/> <l>Wieder wie gestern und heute die <hi rendition="#g">Zeit,</hi></l> <lb n="pkl_042.017"/> <l>Bis ich auf höherem, strahlendem <hi rendition="#g">Flügel,</hi></l> <lb n="pkl_042.018"/> <l>Selber entschwinde der wechselnden <hi rendition="#g">Zeit</hi>.</l> </lg> <lb n="pkl_042.019"/> <hi rendition="#right">F. <hi rendition="#g">Stollberg</hi>.</hi> </p> <lb n="pkl_042.020"/> <p>Der <hi rendition="#g">reiche</hi> Reim entsteht, wenn dem <hi rendition="#g">identischen</hi> <lb n="pkl_042.021"/> Reim (also den gleichen Wörtern) ein <hi rendition="#g">wirklicher</hi> <lb n="pkl_042.022"/> Reim entweder unmittelbar folgt, oder, was häufiger <lb n="pkl_042.023"/> ist, unmittelbar vorangeht.</p> <lb n="pkl_042.024"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Beispiel</hi>:</hi> </p> <lb n="pkl_042.025"/> <p> <lg> <l>Hab' ich doch Verlust in Allem, was ich je <hi rendition="#g">gewann,</hi> ertragen;</l> <lb n="pkl_042.026"/> <l>Aber glaubet mir, das Leben läßt sich dann und <hi rendition="#g">wann</hi> ertragen!</l> <lb n="pkl_042.027"/> <l>Zwar des Leidens ganze Bürde riß mich oft schon halb zu Boden,</l> <lb n="pkl_042.028"/> <l>Doch ich hab' es immer wieder, wenn ich mich be<hi rendition="#g">sann,</hi> ertragen:</l> <lb n="pkl_042.029"/> <l>Mir geziemt der volle Becher, mir der volle Klang der Lauten,</l> <lb n="pkl_042.030"/> <l>Denn den vollen Schmerz des Lebens hab' ich als ein <hi rendition="#g">Mann</hi> <lb n="pkl_042.031"/> <space dim="horizontal"/>ertragen! u. s. w.</l> </lg> <lb n="pkl_042.032"/> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Platen</hi>.</hi> </p> <lb n="pkl_042.033"/> <p> §. 62. 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können sie in geeigneten Fällen sehr wirksam sein; pkl_042.002
doch findet man sie höchst selten und für einfache pkl_042.003
deutsche Silbenmaaße sind sie zu schwerfällig und fremdartig. pkl_042.004
— Der sogenannte identische Reim wird pkl_042.005
durch die Wiederholuug desselben Worts (oder derselben pkl_042.006
Reimsilbe) gebildet, ist aber eben deshalb kein pkl_042.007
eigentlicher Reim und darf nicht die Stelle eines pkl_042.008
solchen in Gedichten, die wirklich gereimt sein sollen, pkl_042.009
vertreten. Jn einzelnen Fällen aber und zu besondern pkl_042.010
Zwecken, namentlich um die betreffenden Worte möglichst pkl_042.011
hervorzuheben, kann auch er seine Anwendung pkl_042.012
finden, z. B.
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Ach es entschwindet mit traurigem Flügel pkl_042.014
Mir auf den wiegenden Wellen die Zeit! pkl_042.015
Morgen entschwinde mit schimmerndem Flügel pkl_042.016
Wieder wie gestern und heute die Zeit, pkl_042.017
Bis ich auf höherem, strahlendem Flügel, pkl_042.018
Selber entschwinde der wechselnden Zeit.
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F. Stollberg.
pkl_042.020
Der reiche Reim entsteht, wenn dem identischen pkl_042.021
Reim (also den gleichen Wörtern) ein wirklicher pkl_042.022
Reim entweder unmittelbar folgt, oder, was häufiger pkl_042.023
ist, unmittelbar vorangeht.
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Beispiel:
pkl_042.025
Hab' ich doch Verlust in Allem, was ich je gewann, ertragen; pkl_042.026
Aber glaubet mir, das Leben läßt sich dann und wann ertragen! pkl_042.027
Zwar des Leidens ganze Bürde riß mich oft schon halb zu Boden, pkl_042.028
Doch ich hab' es immer wieder, wenn ich mich besann, ertragen: pkl_042.029
Mir geziemt der volle Becher, mir der volle Klang der Lauten, pkl_042.030
Denn den vollen Schmerz des Lebens hab' ich als ein Mann pkl_042.031
ertragen! u. s. w.
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Platen.
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§. 62. Als besondere Reimformen sind außer
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Zitationshilfe: | Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/68>, abgerufen am 23.07.2024. |