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Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.

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eines Fußes (Beispiel 3). Tritt die Cäsur nach einer pkl_016.002
schweren Silbe ein, so heißt sie männlich (Beispiel 1, pkl_016.003
Zeile 2, und Beispiel 3, Zeile 1, 2); erfolgt sie nach pkl_016.004
einer leichten Silbe, so nennt man sie weiblich (Beispiel pkl_016.005
1, Zeile 1, und Beispiel 2, Zeile 1, 2).

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Anmerkung. Die Cäsur bezeichnen wir durch |, die logische pkl_016.007
Pause durch [Abbildung] , die Verbindung beider durch [Abbildung] .

pkl_016.008

Beispiele: pkl_016.009
1)

Sag' ich, wie ich es denke [Abbildung] , so scheint durchaus mir, es bildet pkl_016.010
Nur das Leben den Mann | und wenig bedeuten die Worte.
pkl_016.011
Göthe. pkl_016.012
2)
Und singend einst und jubelnd | durchs alte Erdenhaus pkl_016.013
Zieht als der letzte Dichter | der letzte Mensch hinaus.
pkl_016.014
Anast. Grün. pkl_016.015
3)
Und du, mein krummer Stahl, [Abbildung] leb' wohl! [Abbildung] Aus meiner dunkeln pkl_016.016
Werkstatt ziehst du hinaus! [Abbildung] Jn Schlachten wirst du funkeln!
pkl_016.017
Freiligrath.

pkl_016.018

§. 23. Die logische Verbindung stellt zuweilen an pkl_016.019
den Anfang eines Verses eine tonlose Silbe, die in pkl_016.020
rhythmischer Hinsicht entweder zu dem vorhergehenden pkl_016.021
Vers zu zählen, oder als Unregelmäßigkeit anzusehen pkl_016.022
ist. Eine solche Silbe nennt man Vorschlag, Auftakt. pkl_016.023
Meist ist der Auftakt eine verwerfliche Licenz, pkl_016.024
ein Fehler des Dichters; nur da, wo er absichtlich angewendet pkl_016.025
wird, um dem Verse einen bestimmten (malerischen) pkl_016.026
Charakter zu geben, läßt er sich rechtfertigen. pkl_016.027
Jm Grunde verändert er stets die Versart; den trochäischen pkl_016.028
Vers macht er zu einem jambischen u. s. w.

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§. 24. Die Verse sind:

pkl_016.030

I. nach der Zahl ihrer Silben: zwei-, drei-, -- pkl_016.031
mehrsilbig;

pkl_016.001
eines Fußes (Beispiel 3). Tritt die Cäsur nach einer pkl_016.002
schweren Silbe ein, so heißt sie männlich (Beispiel 1, pkl_016.003
Zeile 2, und Beispiel 3, Zeile 1, 2); erfolgt sie nach pkl_016.004
einer leichten Silbe, so nennt man sie weiblich (Beispiel pkl_016.005
1, Zeile 1, und Beispiel 2, Zeile 1, 2).

pkl_016.006

Anmerkung. Die Cäsur bezeichnen wir durch |, die logische pkl_016.007
Pause durch [Abbildung] , die Verbindung beider durch [Abbildung] .

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Beispiele: pkl_016.009
1)

Sag' ich, wie ich es denke [Abbildung] , so scheint durchaus mir, es bildet pkl_016.010
Nur das Leben den Mann | und wenig bedeuten die Worte.
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Göthe. pkl_016.012
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Und singend einst und jubelnd | durchs alte Erdenhaus pkl_016.013
Zieht als der letzte Dichter | der letzte Mensch hinaus.
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Anast. Grün. pkl_016.015
3)
Und du, mein krummer Stahl, [Abbildung] leb' wohl! [Abbildung] Aus meiner dunkeln pkl_016.016
Werkstatt ziehst du hinaus! [Abbildung] Jn Schlachten wirst du funkeln!
pkl_016.017
Freiligrath.

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den Anfang eines Verses eine tonlose Silbe, die in pkl_016.020
rhythmischer Hinsicht entweder zu dem vorhergehenden pkl_016.021
Vers zu zählen, oder als Unregelmäßigkeit anzusehen pkl_016.022
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Meist ist der Auftakt eine verwerfliche Licenz, pkl_016.024
ein Fehler des Dichters; nur da, wo er absichtlich angewendet pkl_016.025
wird, um dem Verse einen bestimmten (malerischen) pkl_016.026
Charakter zu geben, läßt er sich rechtfertigen. pkl_016.027
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Vers macht er zu einem jambischen u. s. w.

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§. 24. Die Verse sind:

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[16/0042] pkl_016.001 eines Fußes (Beispiel 3). Tritt die Cäsur nach einer pkl_016.002 schweren Silbe ein, so heißt sie männlich (Beispiel 1, pkl_016.003 Zeile 2, und Beispiel 3, Zeile 1, 2); erfolgt sie nach pkl_016.004 einer leichten Silbe, so nennt man sie weiblich (Beispiel pkl_016.005 1, Zeile 1, und Beispiel 2, Zeile 1, 2). pkl_016.006 Anmerkung. Die Cäsur bezeichnen wir durch |, die logische pkl_016.007 Pause durch [Abbildung] , die Verbindung beider durch [Abbildung] . pkl_016.008 Beispiele: pkl_016.009 1) Sag' ich, wie ich es denke [Abbildung] , so scheint durchaus mir, es bildet pkl_016.010 Nur das Leben den Mann | und wenig bedeuten die Worte. pkl_016.011 Göthe. pkl_016.012 2) Und singend einst und jubelnd | durchs alte Erdenhaus pkl_016.013 Zieht als der letzte Dichter | der letzte Mensch hinaus. pkl_016.014 Anast. Grün. pkl_016.015 3) Und du, mein krummer Stahl, [Abbildung] leb' wohl! [Abbildung] Aus meiner dunkeln pkl_016.016 Werkstatt ziehst du hinaus! [Abbildung] Jn Schlachten wirst du funkeln! pkl_016.017 Freiligrath. pkl_016.018 §. 23. Die logische Verbindung stellt zuweilen an pkl_016.019 den Anfang eines Verses eine tonlose Silbe, die in pkl_016.020 rhythmischer Hinsicht entweder zu dem vorhergehenden pkl_016.021 Vers zu zählen, oder als Unregelmäßigkeit anzusehen pkl_016.022 ist. Eine solche Silbe nennt man Vorschlag, Auftakt. pkl_016.023 Meist ist der Auftakt eine verwerfliche Licenz, pkl_016.024 ein Fehler des Dichters; nur da, wo er absichtlich angewendet pkl_016.025 wird, um dem Verse einen bestimmten (malerischen) pkl_016.026 Charakter zu geben, läßt er sich rechtfertigen. pkl_016.027 Jm Grunde verändert er stets die Versart; den trochäischen pkl_016.028 Vers macht er zu einem jambischen u. s. w. pkl_016.029 §. 24. Die Verse sind: pkl_016.030 I. nach der Zahl ihrer Silben: zwei-, drei-, — pkl_016.031 mehrsilbig;

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Zitationshilfe: Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/42>, abgerufen am 19.04.2024.