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Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.

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thun, als mit dem Jambus, dem Trochäus, dem pkl_014.002
Spondeus, dem Daktylus und dem Anapäst. pkl_014.003
Wenigstens läßt jeder Vers, in welchem die Theoretiker pkl_014.004
andere Versfüße nachweisen, sich ebenso gut und pkl_014.005
in der Regel noch viel leichter so zerlegen, daß keine pkl_014.006
anderen zum Vorschein kommen, wohl aber am Schluß pkl_014.007
des Verses mitunter eine überzählige Silbe oder ein pkl_014.008
unvollständiger Fuß. Der Pyrrhichius, der Tribachys pkl_014.009
und der Doppelpyrrhichius sind überdieß schon nach pkl_014.010
der Erklärung in §. 16 keine wirklichen Versfüße, weil pkl_014.011
sie keine Hebung haben und für sich allein nicht stehen pkl_014.012
können. Jeder viersilbige Verstheil, der zwei Hebungen pkl_014.013
hat, läßt sich einfach als aus zwei Versfüßen zusammengesetzt, pkl_014.014
ansehen. Wenn man die im Deutschen pkl_014.015
vorkommenden, verschiedenen viersilbigen Wörter als pkl_014.016
Belege für die viertheiligen Versfüße aufführen will, pkl_014.017
so ist das darum verkehrt, weil Wort und Versfuß pkl_014.018
völlig zweierlei ist. (Galt doch im Griechischen sogar pkl_014.019
die Regel, daß nie ein einzelnes Wort einen einzelnen pkl_014.020
und vollständigen Versfuß ausmachen sollte!)

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§. 21. Werden mehrere Versfüße so verbunden, pkl_014.022
daß sie als ein rhythmisch geschlossenes Ganzes pkl_014.023
erscheinen, so entsteht ein Vers. Die richtige Abmessung pkl_014.024
desselben nach seinen Gliedern wird Skansion pkl_014.025
genannt. -- Wenn man mit den meisten Theoretikern pkl_014.026
alle in §. 17 bis §. 19 genannten Verstheile als Füße pkl_014.027
gelten läßt, was wir keineswegs gewillt sind, so lassen pkl_014.028
sich die meisten Verse auf verschiedene Weise skandiren. pkl_014.029
Erkennt man aber nur Jamben, Trochäen, Spondäen, pkl_014.030
Daktylen und Anapäste und sodann regelmäßig- und pkl_014.031
unregelmäßig-gemischte (siehe §. 38 ff.) Verse an, so

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thun, als mit dem Jambus, dem Trochäus, dem pkl_014.002
Spondeus, dem Daktylus und dem Anapäst. pkl_014.003
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andere Versfüße nachweisen, sich ebenso gut und pkl_014.005
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des Verses mitunter eine überzählige Silbe oder ein pkl_014.008
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vorkommenden, verschiedenen viersilbigen Wörter als pkl_014.016
Belege für die viertheiligen Versfüße aufführen will, pkl_014.017
so ist das darum verkehrt, weil Wort und Versfuß pkl_014.018
völlig zweierlei ist. (Galt doch im Griechischen sogar pkl_014.019
die Regel, daß nie ein einzelnes Wort einen einzelnen pkl_014.020
und vollständigen Versfuß ausmachen sollte!)

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§. 21. Werden mehrere Versfüße so verbunden, pkl_014.022
daß sie als ein rhythmisch geschlossenes Ganzes pkl_014.023
erscheinen, so entsteht ein Vers. Die richtige Abmessung pkl_014.024
desselben nach seinen Gliedern wird Skansion pkl_014.025
genannt. — Wenn man mit den meisten Theoretikern pkl_014.026
alle in §. 17 bis §. 19 genannten Verstheile als Füße pkl_014.027
gelten läßt, was wir keineswegs gewillt sind, so lassen pkl_014.028
sich die meisten Verse auf verschiedene Weise skandiren. pkl_014.029
Erkennt man aber nur Jamben, Trochäen, Spondäen, pkl_014.030
Daktylen und Anapäste und sodann regelmäßig- und pkl_014.031
unregelmäßig-gemischte (siehe §. 38 ff.) Verse an, so

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[14/0040] pkl_014.001 thun, als mit dem Jambus, dem Trochäus, dem pkl_014.002 Spondeus, dem Daktylus und dem Anapäst. pkl_014.003 Wenigstens läßt jeder Vers, in welchem die Theoretiker pkl_014.004 andere Versfüße nachweisen, sich ebenso gut und pkl_014.005 in der Regel noch viel leichter so zerlegen, daß keine pkl_014.006 anderen zum Vorschein kommen, wohl aber am Schluß pkl_014.007 des Verses mitunter eine überzählige Silbe oder ein pkl_014.008 unvollständiger Fuß. Der Pyrrhichius, der Tribachys pkl_014.009 und der Doppelpyrrhichius sind überdieß schon nach pkl_014.010 der Erklärung in §. 16 keine wirklichen Versfüße, weil pkl_014.011 sie keine Hebung haben und für sich allein nicht stehen pkl_014.012 können. Jeder viersilbige Verstheil, der zwei Hebungen pkl_014.013 hat, läßt sich einfach als aus zwei Versfüßen zusammengesetzt, pkl_014.014 ansehen. Wenn man die im Deutschen pkl_014.015 vorkommenden, verschiedenen viersilbigen Wörter als pkl_014.016 Belege für die viertheiligen Versfüße aufführen will, pkl_014.017 so ist das darum verkehrt, weil Wort und Versfuß pkl_014.018 völlig zweierlei ist. (Galt doch im Griechischen sogar pkl_014.019 die Regel, daß nie ein einzelnes Wort einen einzelnen pkl_014.020 und vollständigen Versfuß ausmachen sollte!) pkl_014.021 §. 21. Werden mehrere Versfüße so verbunden, pkl_014.022 daß sie als ein rhythmisch geschlossenes Ganzes pkl_014.023 erscheinen, so entsteht ein Vers. Die richtige Abmessung pkl_014.024 desselben nach seinen Gliedern wird Skansion pkl_014.025 genannt. — Wenn man mit den meisten Theoretikern pkl_014.026 alle in §. 17 bis §. 19 genannten Verstheile als Füße pkl_014.027 gelten läßt, was wir keineswegs gewillt sind, so lassen pkl_014.028 sich die meisten Verse auf verschiedene Weise skandiren. pkl_014.029 Erkennt man aber nur Jamben, Trochäen, Spondäen, pkl_014.030 Daktylen und Anapäste und sodann regelmäßig- und pkl_014.031 unregelmäßig-gemischte (siehe §. 38 ff.) Verse an, so

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Zitationshilfe: Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/40>, abgerufen am 26.04.2024.