Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.pkl_009.001 "Zu des Lebens Freuden pkl_009.006 pkl_009.007Schuf Gott die Natur" unrichtig gebaut, denn dem Sinne nach fällt auf "Gott" pkl_009.008 §. 10. Diejenigen Verse, in welchen jede als lang pkl_009.017 §. 11. Eigentlich ist aber jeder deutsche Vers pkl_009.027 §. 12. Eine Zeitmessung im eigentlichen Sinne pkl_009.031 pkl_009.001 „Zu des Lebens Freuden pkl_009.006 pkl_009.007Schuf Gott die Natur“ unrichtig gebaut, denn dem Sinne nach fällt auf „Gott“ pkl_009.008 §. 10. Diejenigen Verse, in welchen jede als lang pkl_009.017 §. 11. Eigentlich ist aber jeder deutsche Vers pkl_009.027 §. 12. Eine Zeitmessung im eigentlichen Sinne pkl_009.031 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0035" n="9"/><lb n="pkl_009.001"/> das Wort „<hi rendition="#g">nach,</hi>“ — dann aber haben wir <hi rendition="#g">zwei <lb n="pkl_009.002"/> Daktylen</hi> (siehe §. 18. 1), wo, dem gewählten <lb n="pkl_009.003"/> Versmaaße nach, <hi rendition="#g">drei Trochäen</hi> (siehe §. 17. 2) <lb n="pkl_009.004"/> stehen müßten! Ebenso ist das bekannte:</p> <lb n="pkl_009.005"/> <lg> <l>„Zu des Lebens Freuden <lb n="pkl_009.006"/> Schuf Gott die Natur“</l> </lg> <lb n="pkl_009.007"/> <p>unrichtig gebaut, denn dem Sinne nach fällt auf „<hi rendition="#g">Gott</hi>“ <lb n="pkl_009.008"/> wenigstens eben so viel Accent, wie auf „<hi rendition="#g">schuf,</hi>“ <lb n="pkl_009.009"/> und auf „<hi rendition="#g">die</hi>“ viel <hi rendition="#g">weniger,</hi> als auf „<hi rendition="#g">Gott,</hi>“ wogegen <lb n="pkl_009.010"/> — dem (trochäischen) Versmaaße nach — „<hi rendition="#g">Gott</hi>“ <lb n="pkl_009.011"/> als kurz und „<hi rendition="#g">die</hi>“ als lang genommen worden ist! <lb n="pkl_009.012"/> Solche Formfehler können ein Gedicht unerträglich <lb n="pkl_009.013"/> machen, zumal wenn der Jnhalt keinen besondern Ersatz <lb n="pkl_009.014"/> bietet, und müssen deshalb möglichst vermieden <lb n="pkl_009.015"/> werden.</p> <lb n="pkl_009.016"/> <p> §. 10. Diejenigen Verse, in welchen jede als lang <lb n="pkl_009.017"/> gebrauchte Silbe schon an und für sich lang und jede <lb n="pkl_009.018"/> als kurz gebrauchte schon an und für sich kurz ist, <lb n="pkl_009.019"/> ohne daß Stellung und Zusammenhang ihr einen andern <lb n="pkl_009.020"/> Charakter geben, hat man wohl <hi rendition="#g">Quantitätsverse</hi> <lb n="pkl_009.021"/> genannt (richtiger wäre <hi rendition="#g">Qualitätsverse</hi>), <lb n="pkl_009.022"/> wogegen dann die andern, in denen häufig der ursprüngliche <lb n="pkl_009.023"/> Charakter einer Silbe (Länge oder Kürze) <lb n="pkl_009.024"/> durch den Vers- oder Satzaccent ins Gegentheil umgewandelt <lb n="pkl_009.025"/> wird, <hi rendition="#g">Accentverse</hi> heißen.</p> <lb n="pkl_009.026"/> <p> §. 11. Eigentlich ist aber <hi rendition="#g">jeder deutsche</hi> Vers <lb n="pkl_009.027"/> ein <hi rendition="#g">Accentvers,</hi> insofern nämlich immer der <hi rendition="#g">Accent,</hi> <lb n="pkl_009.028"/> der sinngemäß auf die einzelnen Silben fällt, über den <lb n="pkl_009.029"/> Charakter der letztern und des Verses entscheidet.</p> <lb n="pkl_009.030"/> <p> §. 12. Eine <hi rendition="#g">Zeitmessung</hi> im eigentlichen Sinne <lb n="pkl_009.031"/> des Worts wird also in der deutschen Prosodie nicht </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [9/0035]
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das Wort „nach,“ — dann aber haben wir zwei pkl_009.002
Daktylen (siehe §. 18. 1), wo, dem gewählten pkl_009.003
Versmaaße nach, drei Trochäen (siehe §. 17. 2) pkl_009.004
stehen müßten! Ebenso ist das bekannte:
pkl_009.005
„Zu des Lebens Freuden pkl_009.006
Schuf Gott die Natur“
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unrichtig gebaut, denn dem Sinne nach fällt auf „Gott“ pkl_009.008
wenigstens eben so viel Accent, wie auf „schuf,“ pkl_009.009
und auf „die“ viel weniger, als auf „Gott,“ wogegen pkl_009.010
— dem (trochäischen) Versmaaße nach — „Gott“ pkl_009.011
als kurz und „die“ als lang genommen worden ist! pkl_009.012
Solche Formfehler können ein Gedicht unerträglich pkl_009.013
machen, zumal wenn der Jnhalt keinen besondern Ersatz pkl_009.014
bietet, und müssen deshalb möglichst vermieden pkl_009.015
werden.
pkl_009.016
§. 10. Diejenigen Verse, in welchen jede als lang pkl_009.017
gebrauchte Silbe schon an und für sich lang und jede pkl_009.018
als kurz gebrauchte schon an und für sich kurz ist, pkl_009.019
ohne daß Stellung und Zusammenhang ihr einen andern pkl_009.020
Charakter geben, hat man wohl Quantitätsverse pkl_009.021
genannt (richtiger wäre Qualitätsverse), pkl_009.022
wogegen dann die andern, in denen häufig der ursprüngliche pkl_009.023
Charakter einer Silbe (Länge oder Kürze) pkl_009.024
durch den Vers- oder Satzaccent ins Gegentheil umgewandelt pkl_009.025
wird, Accentverse heißen.
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§. 11. Eigentlich ist aber jeder deutsche Vers pkl_009.027
ein Accentvers, insofern nämlich immer der Accent, pkl_009.028
der sinngemäß auf die einzelnen Silben fällt, über den pkl_009.029
Charakter der letztern und des Verses entscheidet.
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§. 12. Eine Zeitmessung im eigentlichen Sinne pkl_009.031
des Worts wird also in der deutschen Prosodie nicht
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