Klein, Felix: Über Riemann's Theorie der Algebraischen Functionen und ihrer Integrale. Leipzig, 1882.unsere Betrachtungen in der That gefördert sei. Erinnern
wir uns zu dem Zwecke, dass es vor allen Dingen die Vieldeutigkeit
der Integrale war, welche so lange einen Fortschritt
in ihrer Theorie verhindert hat. Dass Integrale durch
das Auftreten logarithmischer Unstetigkeitspuncte vieldeutig
werden, hatte schon Cauchy erkannt. Aber erst durch die
Riemann'sche Fläche ist die andere Art von Periodicität,
welche in dem Zusammenhange der Fläche ihren Grund hat
und an den Querschnitten der Fläche gemessen wird, uns
völlig deutlich geworden. -- Ein anderer Punct ist dieser.
Man hat sich von je bei der Untersuchung der Integrale der
Umformung durch Substitution bedient, ohne sich indess über
eine bloss empirische Verwerthung derselben beträchtlich zu
erheben. Bei Riemann's Theorie ist eine umfangreiche Classe
von Substitutionen von selbst gegeben und in ihrer Wirkung
zu beurtheilen. Die Variabelen w und z sind für uns nur
irgend zwei, von einander unabhängige, eindeutige Functionen
des Ortes; wir können statt ihrer ebensogut zwei andere,
So etwa stellt sich die Bilanz, wenn man die functionentheoretischen Interessen, wie es unter Mathematikern zu geschehen pflegt, voranstellt. Aber vergessen wir nicht, unsere Betrachtungen in der That gefördert sei. Erinnern
wir uns zu dem Zwecke, dass es vor allen Dingen die Vieldeutigkeit
der Integrale war, welche so lange einen Fortschritt
in ihrer Theorie verhindert hat. Dass Integrale durch
das Auftreten logarithmischer Unstetigkeitspuncte vieldeutig
werden, hatte schon Cauchy erkannt. Aber erst durch die
Riemann'sche Fläche ist die andere Art von Periodicität,
welche in dem Zusammenhange der Fläche ihren Grund hat
und an den Querschnitten der Fläche gemessen wird, uns
völlig deutlich geworden. — Ein anderer Punct ist dieser.
Man hat sich von je bei der Untersuchung der Integrale der
Umformung durch Substitution bedient, ohne sich indess über
eine bloss empirische Verwerthung derselben beträchtlich zu
erheben. Bei Riemann's Theorie ist eine umfangreiche Classe
von Substitutionen von selbst gegeben und in ihrer Wirkung
zu beurtheilen. Die Variabelen w und z sind für uns nur
irgend zwei, von einander unabhängige, eindeutige Functionen
des Ortes; wir können statt ihrer ebensogut zwei andere,
So etwa stellt sich die Bilanz, wenn man die functionentheoretischen Interessen, wie es unter Mathematikern zu geschehen pflegt, voranstellt. Aber vergessen wir nicht, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0068" n="60"/> unsere Betrachtungen in der That gefördert sei. Erinnern wir uns zu dem Zwecke, dass es vor allen Dingen die <hi rendition="#i">Vieldeutigkeit</hi> der Integrale war, welche so lange einen Fortschritt in ihrer Theorie verhindert hat. Dass Integrale durch das Auftreten logarithmischer Unstetigkeitspuncte vieldeutig werden, hatte schon <hi rendition="#g">Cauchy</hi> erkannt. Aber erst durch die Riemann'sche Fläche ist die andere Art von Periodicität, welche in dem <hi rendition="#i">Zusammenhange</hi> der Fläche ihren Grund hat und an den Querschnitten der Fläche gemessen wird, uns völlig deutlich geworden. — Ein anderer Punct ist dieser. Man hat sich von je bei der Untersuchung der Integrale der Umformung durch Substitution bedient, ohne sich indess über eine bloss empirische Verwerthung derselben beträchtlich zu erheben. Bei Riemann's Theorie ist eine umfangreiche Classe von Substitutionen von selbst gegeben und in ihrer Wirkung zu beurtheilen. Die Variabelen <hi rendition="#i">w</hi> und <hi rendition="#i">z</hi> sind für uns nur irgend zwei, von einander unabhängige, eindeutige Functionen des Ortes; wir können statt ihrer ebensogut zwei andere, <formula notation="TeX">w_1</formula> und <formula notation="TeX">z_1</formula>, zu Grunde legen, wobei sich <formula notation="TeX">w_1</formula> und <formula notation="TeX">z_1</formula> als übrigens beliebige rationale Functionen von <hi rendition="#i">w</hi> und <hi rendition="#i">z</hi> und ebensowohl letztere als rationale Functionen von <formula notation="TeX">w_1</formula> und <formula notation="TeX">z_1</formula> erweisen. Die Riemann'sche Fläche, auf der wir operiren, wird von dieser Umänderung durchaus nicht nothwendig betroffen. Unter der Menge der <hi rendition="#i">zufälligen</hi> Eigenschaften unserer Functionen erkennen wir also <hi rendition="#i">wesentliche</hi>, welche bei eindeutiger Umformung ungeändert bleiben. Und vor Allem tritt uns in der Zahl <hi rendition="#i">p</hi> von vorneherein ein solches invariantes Element entgegen. — Indem die Riemann'sche Theorie die beiden hiermit bezeichneten Schwierigkeiten, welche frühere Bearbeiter gehemmt hatten, bei Seite räumt, gelangt sie unmittelbar zu dem Satze, den wir in §. 10 aufstellten, und der die Willkürlichkeit der in Betracht zu ziehenden Functionen bestimmt. Ich meine den Satz, <hi rendition="#i">dass man (unter den wiederholt angegebenen Beschränkungen) die Unendlichkeitspuncte der Function und die Periodicitätsmoduln ihres reellen Theiles an den Querschnitten als willkürliche und hinreichende Bestimmungsstücke derselben erachten darf.</hi> —</p> <p>So etwa stellt sich die Bilanz, wenn man die functionentheoretischen Interessen, wie es unter Mathematikern zu geschehen pflegt, voranstellt. Aber vergessen wir nicht, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60/0068]
unsere Betrachtungen in der That gefördert sei. Erinnern wir uns zu dem Zwecke, dass es vor allen Dingen die Vieldeutigkeit der Integrale war, welche so lange einen Fortschritt in ihrer Theorie verhindert hat. Dass Integrale durch das Auftreten logarithmischer Unstetigkeitspuncte vieldeutig werden, hatte schon Cauchy erkannt. Aber erst durch die Riemann'sche Fläche ist die andere Art von Periodicität, welche in dem Zusammenhange der Fläche ihren Grund hat und an den Querschnitten der Fläche gemessen wird, uns völlig deutlich geworden. — Ein anderer Punct ist dieser. Man hat sich von je bei der Untersuchung der Integrale der Umformung durch Substitution bedient, ohne sich indess über eine bloss empirische Verwerthung derselben beträchtlich zu erheben. Bei Riemann's Theorie ist eine umfangreiche Classe von Substitutionen von selbst gegeben und in ihrer Wirkung zu beurtheilen. Die Variabelen w und z sind für uns nur irgend zwei, von einander unabhängige, eindeutige Functionen des Ortes; wir können statt ihrer ebensogut zwei andere, [FORMEL] und [FORMEL], zu Grunde legen, wobei sich [FORMEL] und [FORMEL] als übrigens beliebige rationale Functionen von w und z und ebensowohl letztere als rationale Functionen von [FORMEL] und [FORMEL] erweisen. Die Riemann'sche Fläche, auf der wir operiren, wird von dieser Umänderung durchaus nicht nothwendig betroffen. Unter der Menge der zufälligen Eigenschaften unserer Functionen erkennen wir also wesentliche, welche bei eindeutiger Umformung ungeändert bleiben. Und vor Allem tritt uns in der Zahl p von vorneherein ein solches invariantes Element entgegen. — Indem die Riemann'sche Theorie die beiden hiermit bezeichneten Schwierigkeiten, welche frühere Bearbeiter gehemmt hatten, bei Seite räumt, gelangt sie unmittelbar zu dem Satze, den wir in §. 10 aufstellten, und der die Willkürlichkeit der in Betracht zu ziehenden Functionen bestimmt. Ich meine den Satz, dass man (unter den wiederholt angegebenen Beschränkungen) die Unendlichkeitspuncte der Function und die Periodicitätsmoduln ihres reellen Theiles an den Querschnitten als willkürliche und hinreichende Bestimmungsstücke derselben erachten darf. —
So etwa stellt sich die Bilanz, wenn man die functionentheoretischen Interessen, wie es unter Mathematikern zu geschehen pflegt, voranstellt. Aber vergessen wir nicht,
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Zitationshilfe: | Klein, Felix: Über Riemann's Theorie der Algebraischen Functionen und ihrer Integrale. Leipzig, 1882, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klein_riemann_1882/68>, abgerufen am 06.07.2024. |