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Kirchhoff, Auguste: Frauenrechte - Volksrechte. Berlin, 1917.

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ohne Frage bedeutet die Beteiligung der Frauen am
Wahlrecht für den Mann einen Verzicht auf gewisse
Vorrechte und damit auf eine bisher innegehabte Macht-
stellung. Dr. Heinz Potthoff hat vor Jahren in seiner
Broschüre: "Frauenstimmrecht und allgemeines Wahl-
recht" überzeugend nachgewiesen, daß nur die Männer
und Parteien, die für ein gerechtes Männerwahlrecht
eintreten, konsequenterweise auch die Forderung des
Frauenstimmrechtes unterstützen können, weil der, der
einen Unterschied zwischen den Geschlechtern nicht dul-
den will, auch keine Unterschiede des Standes, des Be-
sitzes und der Bildung als ausschlaggebend anerkennen
kann.

Und die praktische Probe stimmt aufs Exempel einst
wie jetzt. Vor Jahren erklärte der Abgeordnete Oertel
namens der Konservativen: "Eins aber widerstrebt uns
und mir: wir wollen die Frauen nicht hineintreten und
hineinziehen lassen in das politische Getriebe, den poli-
tischen Kampf. Dieser Kampf paßt nicht für die Frauen,
die Eigenart der Frauen ist mit ihm unvereinbar!" Und
heute hören wir trotz der bittern Lehren des Weltkrieges
aus dem Munde des Vertreters der Konservativen im
Verfassungsausschuß die alte Weise nur mit dem unter
den obwaltenden Verhältnissen doppelt eigenartig be-
rührenden Zusatz, daß die Frau "einmal im Leben die
Wahl habe!" - Das Zentrum, das bisher zum Frauen-
wahlrecht keine Stellung nahm, erklärte bei den letzten
Beratungen kein Freund der Politisierung der Frau zu
sein. Aber in seiner Brust wohnen zwei Seelen: vielleicht
daß noch einmal, durch die Verhältnisse bestimmt, sein
stark demokratischer Einschlag die religiösen Bedenken
überwindet, die das Weib zum Schweigen in der Ge-
meinde verurteilen. Auch im nationalliberalen Lager
hat der Krieg kein Umlernen gezeitigt: je nach rechtem
und linkem Flügel ablehnend oder zu kleinen Konzes-
sionen und Zukunftsversprechungen geneigt, steht man
schwankend der Sache gegenüber. Und auch die fort-
schrittliche Volkspartei hat immer noch nicht die poli-
tische Gleichberechtigung der Frau offiziell in ihr Pro-
gramm aufgenommen; nach den Erklärungen ihres Ver-
treters im Verfassungsausschuß sind die Meinungen in
der Partei "geteilt". Immerhin stehen in ihren Reihen
wenigstens konsequente Verfechter der Frauenrechte;

ohne Frage bedeutet die Beteiligung der Frauen am
Wahlrecht für den Mann einen Verzicht auf gewisse
Vorrechte und damit auf eine bisher innegehabte Macht-
stellung. Dr. Heinz Potthoff hat vor Jahren in seiner
Broschüre: „Frauenstimmrecht und allgemeines Wahl-
recht“ überzeugend nachgewiesen, daß nur die Männer
und Parteien, die für ein gerechtes Männerwahlrecht
eintreten, konsequenterweise auch die Forderung des
Frauenstimmrechtes unterstützen können, weil der, der
einen Unterschied zwischen den Geschlechtern nicht dul-
den will, auch keine Unterschiede des Standes, des Be-
sitzes und der Bildung als ausschlaggebend anerkennen
kann.

Und die praktische Probe stimmt aufs Exempel einst
wie jetzt. Vor Jahren erklärte der Abgeordnete Oertel
namens der Konservativen: „Eins aber widerstrebt uns
und mir: wir wollen die Frauen nicht hineintreten und
hineinziehen lassen in das politische Getriebe, den poli-
tischen Kampf. Dieser Kampf paßt nicht für die Frauen,
die Eigenart der Frauen ist mit ihm unvereinbar!“ Und
heute hören wir trotz der bittern Lehren des Weltkrieges
aus dem Munde des Vertreters der Konservativen im
Verfassungsausschuß die alte Weise nur mit dem unter
den obwaltenden Verhältnissen doppelt eigenartig be-
rührenden Zusatz, daß die Frau „einmal im Leben die
Wahl habe!“ – Das Zentrum, das bisher zum Frauen-
wahlrecht keine Stellung nahm, erklärte bei den letzten
Beratungen kein Freund der Politisierung der Frau zu
sein. Aber in seiner Brust wohnen zwei Seelen: vielleicht
daß noch einmal, durch die Verhältnisse bestimmt, sein
stark demokratischer Einschlag die religiösen Bedenken
überwindet, die das Weib zum Schweigen in der Ge-
meinde verurteilen. Auch im nationalliberalen Lager
hat der Krieg kein Umlernen gezeitigt: je nach rechtem
und linkem Flügel ablehnend oder zu kleinen Konzes-
sionen und Zukunftsversprechungen geneigt, steht man
schwankend der Sache gegenüber. Und auch die fort-
schrittliche Volkspartei hat immer noch nicht die poli-
tische Gleichberechtigung der Frau offiziell in ihr Pro-
gramm aufgenommen; nach den Erklärungen ihres Ver-
treters im Verfassungsausschuß sind die Meinungen in
der Partei „geteilt“. Immerhin stehen in ihren Reihen
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[6/0006] ohne Frage bedeutet die Beteiligung der Frauen am Wahlrecht für den Mann einen Verzicht auf gewisse Vorrechte und damit auf eine bisher innegehabte Macht- stellung. Dr. Heinz Potthoff hat vor Jahren in seiner Broschüre: „Frauenstimmrecht und allgemeines Wahl- recht“ überzeugend nachgewiesen, daß nur die Männer und Parteien, die für ein gerechtes Männerwahlrecht eintreten, konsequenterweise auch die Forderung des Frauenstimmrechtes unterstützen können, weil der, der einen Unterschied zwischen den Geschlechtern nicht dul- den will, auch keine Unterschiede des Standes, des Be- sitzes und der Bildung als ausschlaggebend anerkennen kann. Und die praktische Probe stimmt aufs Exempel einst wie jetzt. Vor Jahren erklärte der Abgeordnete Oertel namens der Konservativen: „Eins aber widerstrebt uns und mir: wir wollen die Frauen nicht hineintreten und hineinziehen lassen in das politische Getriebe, den poli- tischen Kampf. Dieser Kampf paßt nicht für die Frauen, die Eigenart der Frauen ist mit ihm unvereinbar!“ Und heute hören wir trotz der bittern Lehren des Weltkrieges aus dem Munde des Vertreters der Konservativen im Verfassungsausschuß die alte Weise nur mit dem unter den obwaltenden Verhältnissen doppelt eigenartig be- rührenden Zusatz, daß die Frau „einmal im Leben die Wahl habe!“ – Das Zentrum, das bisher zum Frauen- wahlrecht keine Stellung nahm, erklärte bei den letzten Beratungen kein Freund der Politisierung der Frau zu sein. Aber in seiner Brust wohnen zwei Seelen: vielleicht daß noch einmal, durch die Verhältnisse bestimmt, sein stark demokratischer Einschlag die religiösen Bedenken überwindet, die das Weib zum Schweigen in der Ge- meinde verurteilen. Auch im nationalliberalen Lager hat der Krieg kein Umlernen gezeitigt: je nach rechtem und linkem Flügel ablehnend oder zu kleinen Konzes- sionen und Zukunftsversprechungen geneigt, steht man schwankend der Sache gegenüber. Und auch die fort- schrittliche Volkspartei hat immer noch nicht die poli- tische Gleichberechtigung der Frau offiziell in ihr Pro- gramm aufgenommen; nach den Erklärungen ihres Ver- treters im Verfassungsausschuß sind die Meinungen in der Partei „geteilt“. Immerhin stehen in ihren Reihen wenigstens konsequente Verfechter der Frauenrechte;

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-08-12T15:03:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-08-12T15:03:55Z)

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Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Kirchhoff, Auguste: Frauenrechte - Volksrechte. Berlin, 1917, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kirchhoff_volksrechte_1917/6>, abgerufen am 23.11.2024.