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Kirchhoff, Auguste: Warum muß der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht sich zum allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht bekennen? Bremen, 1912.

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Weder taktische noch sittliche Gründe rechtfertigen ein
Preisgeben, ein Verschleiern unseres Prinzips
. Eins müssen
wir uns immer wieder klar machen: Erreicht wird dadurch eine
Einigung der ganzen Stimmrechtsbewegung niemals
!

Der Riß, der jetzt zwischen dem Verband und der Gegenorgani-
sation klafft, wird nur ins Jnnere des Verbandes hineingetragen: Dem
Plus an rechtsstehenden Frauen, die gewonnen werden sollen und sicher
auch zum Teil gewonnen werden, steht gegenüber das Minus der Frauen,
die dem Verband nicht länger angehören können, wenn er es nicht mehr
klar und deutlich ausspricht, daß an Stelle der Entrechtung der Frau
durch den Mann niemals die Entrechtung der Frau durch die Frau
treten darf; wenn er vergißt, daß Frauenrechte und Menschenrechte
untrennbar zusammengehören; wenn er's nicht mehr zugesteht, daß die
Frauenfrage ein Teil der sozialen Frage und nur im Zusammenhang
mit ihr zu lösen ist. Unter denen aber, die dem Verband
verloren gehen, sind unsere besten und bahnbrechenden
Führerinnen.

Mit den Geboten der Sittlichkeit ist es unvereinbar, für
sich selbst Gerechtigkeit zu fordern und sie andern vorzu-
enthalten
. Wer für sich selbst jede Bevormundung ablehnt, der darf
sich auch nicht zum Vormund der Minderbemittelten machen wollen.

Mit den Geboten der Sittlichkeit unvereinbar ist auch
jedes Verschleiern des einmal als wahr Erkannten um äußerer
Vorteile, in unserm Fall um eines schnellern Anwachsens
unserer Organisation willen
.

Glauben Sie an den Sieg irgendeiner großen Kulturbewegung,
die nicht getragen ist von Menschen, die felsenfest dastehen ohne Wanken
und Schwanken? Glauben Sie, daß das Christentum die weltüber-
windende Macht geworden wäre, wenn seine ersten Bekenner nicht den
Mut ihrer Überzeugung gehabt hätten? Oder an den Siegeszug der
Reformation, hätte Luther zu schwächlichen Konzessionen mit Papst und
Kirche die Hand geboten?!

Letzten Endes gesiegt haben immer noch die, die aufrecht
und fest dastanden und sprachen:

"Hier stehe ich, ich kann nicht anders!"



Weder taktische noch sittliche Gründe rechtfertigen ein
Preisgeben, ein Verschleiern unseres Prinzips
. Eins müssen
wir uns immer wieder klar machen: Erreicht wird dadurch eine
Einigung der ganzen Stimmrechtsbewegung niemals
!

Der Riß, der jetzt zwischen dem Verband und der Gegenorgani-
sation klafft, wird nur ins Jnnere des Verbandes hineingetragen: Dem
Plus an rechtsstehenden Frauen, die gewonnen werden sollen und sicher
auch zum Teil gewonnen werden, steht gegenüber das Minus der Frauen,
die dem Verband nicht länger angehören können, wenn er es nicht mehr
klar und deutlich ausspricht, daß an Stelle der Entrechtung der Frau
durch den Mann niemals die Entrechtung der Frau durch die Frau
treten darf; wenn er vergißt, daß Frauenrechte und Menschenrechte
untrennbar zusammengehören; wenn er's nicht mehr zugesteht, daß die
Frauenfrage ein Teil der sozialen Frage und nur im Zusammenhang
mit ihr zu lösen ist. Unter denen aber, die dem Verband
verloren gehen, sind unsere besten und bahnbrechenden
Führerinnen.

Mit den Geboten der Sittlichkeit ist es unvereinbar, für
sich selbst Gerechtigkeit zu fordern und sie andern vorzu-
enthalten
. Wer für sich selbst jede Bevormundung ablehnt, der darf
sich auch nicht zum Vormund der Minderbemittelten machen wollen.

Mit den Geboten der Sittlichkeit unvereinbar ist auch
jedes Verschleiern des einmal als wahr Erkannten um äußerer
Vorteile, in unserm Fall um eines schnellern Anwachsens
unserer Organisation willen
.

Glauben Sie an den Sieg irgendeiner großen Kulturbewegung,
die nicht getragen ist von Menschen, die felsenfest dastehen ohne Wanken
und Schwanken? Glauben Sie, daß das Christentum die weltüber-
windende Macht geworden wäre, wenn seine ersten Bekenner nicht den
Mut ihrer Überzeugung gehabt hätten? Oder an den Siegeszug der
Reformation, hätte Luther zu schwächlichen Konzessionen mit Papst und
Kirche die Hand geboten?!

Letzten Endes gesiegt haben immer noch die, die aufrecht
und fest dastanden und sprachen:

„Hier stehe ich, ich kann nicht anders!“



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[33/0033] Weder taktische noch sittliche Gründe rechtfertigen ein Preisgeben, ein Verschleiern unseres Prinzips. Eins müssen wir uns immer wieder klar machen: Erreicht wird dadurch eine Einigung der ganzen Stimmrechtsbewegung niemals! Der Riß, der jetzt zwischen dem Verband und der Gegenorgani- sation klafft, wird nur ins Jnnere des Verbandes hineingetragen: Dem Plus an rechtsstehenden Frauen, die gewonnen werden sollen und sicher auch zum Teil gewonnen werden, steht gegenüber das Minus der Frauen, die dem Verband nicht länger angehören können, wenn er es nicht mehr klar und deutlich ausspricht, daß an Stelle der Entrechtung der Frau durch den Mann niemals die Entrechtung der Frau durch die Frau treten darf; wenn er vergißt, daß Frauenrechte und Menschenrechte untrennbar zusammengehören; wenn er's nicht mehr zugesteht, daß die Frauenfrage ein Teil der sozialen Frage und nur im Zusammenhang mit ihr zu lösen ist. Unter denen aber, die dem Verband verloren gehen, sind unsere besten und bahnbrechenden Führerinnen. Mit den Geboten der Sittlichkeit ist es unvereinbar, für sich selbst Gerechtigkeit zu fordern und sie andern vorzu- enthalten. Wer für sich selbst jede Bevormundung ablehnt, der darf sich auch nicht zum Vormund der Minderbemittelten machen wollen. Mit den Geboten der Sittlichkeit unvereinbar ist auch jedes Verschleiern des einmal als wahr Erkannten um äußerer Vorteile, in unserm Fall um eines schnellern Anwachsens unserer Organisation willen. Glauben Sie an den Sieg irgendeiner großen Kulturbewegung, die nicht getragen ist von Menschen, die felsenfest dastehen ohne Wanken und Schwanken? Glauben Sie, daß das Christentum die weltüber- windende Macht geworden wäre, wenn seine ersten Bekenner nicht den Mut ihrer Überzeugung gehabt hätten? Oder an den Siegeszug der Reformation, hätte Luther zu schwächlichen Konzessionen mit Papst und Kirche die Hand geboten?! Letzten Endes gesiegt haben immer noch die, die aufrecht und fest dastanden und sprachen: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders!“

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Anna Pfundt: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2014-07-16T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2014-07-16T11:00:00Z)

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Zitationshilfe: Kirchhoff, Auguste: Warum muß der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht sich zum allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht bekennen? Bremen, 1912, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kirchhoff_frauenstimmrecht_1912/33>, abgerufen am 28.03.2024.