Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909].

Bild:
<< vorherige Seite

her. "Hübsch!" wiederholte er, "ich dachte, Sie vermeiden mich am Tage. Sie haben mich auf Abendration gesetzt." Mareile hörte wohl den Groll heraus, der in Günthers Stimme kochte. "Ja, aber heute kommen Sie mir recht," sagte sie einfach.

"Recht oder nicht," meinte Günther. "Ich kam, um Ihnen zu - sagen; ja - es geht so nicht. Ich halte es nicht aus, nur so - so - 'n Turnreck für Ihr Herz zu sein - für - für Ihre Kunst zu lieben - was weiß ich. Das ist alles verteufelt dummes Zeug." Wirklicher Zorn lag jetzt in seinen Sammetaugen. Mareile wurde ein wenig bleich; ruhig sagte sie: "Ja, dann ist es wohl aus."

"Aus!" Günther lachte böse. "Sprechen Sie doch keine Gemeinheiten. Wie kann es aus sein? Man muß doch wissen, was man ist. Irgendwelche Schloßideen sind Ihnen angeflogen. Sie sind nun mal keine weiße, tugendhafte Frau. Sie sind Mareile, Sie zahlen bar. Aber plötzlich wollen Sie so 'n Gemisch von Mareile und Fürstin Elise und Tante Seneide sein. Das ist unmoralisch. Wollen Sie was von mir? Gut - was wollen - Sie? Ich tue alles."

Mareile senkte den Kopf und hörte schweigend zu. Wie Peitschenhiebe traf sie die Brutalität von Günthers Worten. Dennoch wünschte sie, er solle weiter sprechen. Die gewaltsamen Worte taten ihr wohl, schnürten ihr die Kehle zusammen, ließen ihr das Blut heiß in die Schläfen steigen.

"Warum sagen Sie nichts?" fragte Günther ein wenig kleinlaut. "Jetzt hab' ich Sie natürlich beleidigt? Sie fürchten sich vor mir."

her. „Hübsch!“ wiederholte er, „ich dachte, Sie vermeiden mich am Tage. Sie haben mich auf Abendration gesetzt.“ Mareile hörte wohl den Groll heraus, der in Günthers Stimme kochte. „Ja, aber heute kommen Sie mir recht,“ sagte sie einfach.

„Recht oder nicht,“ meinte Günther. „Ich kam, um Ihnen zu – sagen; ja – es geht so nicht. Ich halte es nicht aus, nur so – so – ’n Turnreck für Ihr Herz zu sein – für – für Ihre Kunst zu lieben – was weiß ich. Das ist alles verteufelt dummes Zeug.“ Wirklicher Zorn lag jetzt in seinen Sammetaugen. Mareile wurde ein wenig bleich; ruhig sagte sie: „Ja, dann ist es wohl aus.“

„Aus!“ Günther lachte böse. „Sprechen Sie doch keine Gemeinheiten. Wie kann es aus sein? Man muß doch wissen, was man ist. Irgendwelche Schloßideen sind Ihnen angeflogen. Sie sind nun mal keine weiße, tugendhafte Frau. Sie sind Mareile, Sie zahlen bar. Aber plötzlich wollen Sie so ’n Gemisch von Mareile und Fürstin Elise und Tante Seneïde sein. Das ist unmoralisch. Wollen Sie was von mir? Gut – was wollen – Sie? Ich tue alles.“

Mareile senkte den Kopf und hörte schweigend zu. Wie Peitschenhiebe traf sie die Brutalität von Günthers Worten. Dennoch wünschte sie, er solle weiter sprechen. Die gewaltsamen Worte taten ihr wohl, schnürten ihr die Kehle zusammen, ließen ihr das Blut heiß in die Schläfen steigen.

„Warum sagen Sie nichts?“ fragte Günther ein wenig kleinlaut. „Jetzt hab’ ich Sie natürlich beleidigt? Sie fürchten sich vor mir.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0098" n="96"/>
her. &#x201E;Hübsch!&#x201C; wiederholte er, &#x201E;ich dachte, Sie vermeiden mich am Tage. Sie haben mich auf Abendration gesetzt.&#x201C; Mareile hörte wohl den Groll heraus, der in Günthers Stimme kochte. &#x201E;Ja, aber heute kommen Sie mir recht,&#x201C; sagte sie einfach.</p>
        <p>&#x201E;Recht oder nicht,&#x201C; meinte Günther. &#x201E;Ich kam, um Ihnen zu &#x2013; sagen; ja &#x2013; es geht so nicht. Ich halte es nicht aus, nur so &#x2013; so &#x2013; &#x2019;n Turnreck für Ihr Herz zu sein &#x2013; für &#x2013; für Ihre Kunst zu lieben &#x2013; was weiß ich. Das ist alles verteufelt dummes Zeug.&#x201C; Wirklicher Zorn lag jetzt in seinen Sammetaugen. Mareile wurde ein wenig bleich; ruhig sagte sie: &#x201E;Ja, dann ist es wohl aus.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Aus!&#x201C; Günther lachte böse. &#x201E;Sprechen Sie doch keine Gemeinheiten. Wie kann es aus sein? Man muß doch wissen, was man ist. Irgendwelche Schloßideen sind Ihnen angeflogen. Sie sind nun mal keine weiße, tugendhafte Frau. Sie sind Mareile, Sie zahlen bar. Aber plötzlich wollen Sie so &#x2019;n Gemisch von Mareile und Fürstin Elise und Tante Seneïde sein. Das ist unmoralisch. Wollen Sie was von mir? Gut &#x2013; was wollen &#x2013; Sie? Ich tue alles.&#x201C;</p>
        <p>Mareile senkte den Kopf und hörte schweigend zu. Wie Peitschenhiebe traf sie die Brutalität von Günthers Worten. Dennoch wünschte sie, er solle weiter sprechen. Die gewaltsamen Worte taten ihr wohl, schnürten ihr die Kehle zusammen, ließen ihr das Blut heiß in die Schläfen steigen.</p>
        <p>&#x201E;Warum sagen Sie nichts?&#x201C; fragte Günther ein wenig kleinlaut. &#x201E;Jetzt hab&#x2019; ich Sie natürlich beleidigt? Sie fürchten sich vor mir.&#x201C;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0098] her. „Hübsch!“ wiederholte er, „ich dachte, Sie vermeiden mich am Tage. Sie haben mich auf Abendration gesetzt.“ Mareile hörte wohl den Groll heraus, der in Günthers Stimme kochte. „Ja, aber heute kommen Sie mir recht,“ sagte sie einfach. „Recht oder nicht,“ meinte Günther. „Ich kam, um Ihnen zu – sagen; ja – es geht so nicht. Ich halte es nicht aus, nur so – so – ’n Turnreck für Ihr Herz zu sein – für – für Ihre Kunst zu lieben – was weiß ich. Das ist alles verteufelt dummes Zeug.“ Wirklicher Zorn lag jetzt in seinen Sammetaugen. Mareile wurde ein wenig bleich; ruhig sagte sie: „Ja, dann ist es wohl aus.“ „Aus!“ Günther lachte böse. „Sprechen Sie doch keine Gemeinheiten. Wie kann es aus sein? Man muß doch wissen, was man ist. Irgendwelche Schloßideen sind Ihnen angeflogen. Sie sind nun mal keine weiße, tugendhafte Frau. Sie sind Mareile, Sie zahlen bar. Aber plötzlich wollen Sie so ’n Gemisch von Mareile und Fürstin Elise und Tante Seneïde sein. Das ist unmoralisch. Wollen Sie was von mir? Gut – was wollen – Sie? Ich tue alles.“ Mareile senkte den Kopf und hörte schweigend zu. Wie Peitschenhiebe traf sie die Brutalität von Günthers Worten. Dennoch wünschte sie, er solle weiter sprechen. Die gewaltsamen Worte taten ihr wohl, schnürten ihr die Kehle zusammen, ließen ihr das Blut heiß in die Schläfen steigen. „Warum sagen Sie nichts?“ fragte Günther ein wenig kleinlaut. „Jetzt hab’ ich Sie natürlich beleidigt? Sie fürchten sich vor mir.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Eduard von Keyserlings „Beate und Mareile“ erschi… [mehr]

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903/98
Zitationshilfe: von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909], S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903/98>, abgerufen am 16.05.2024.