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von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909].

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Blut und die feinen Nerven müssen eingeschläfert werden. Sehen Sie Surhab. Er schaut geduldig aus, so, als leide er; verachtungsvoll ruhig, nicht? Er weiß, er darf sich hier nicht ausgeben, weil, weil ..." Günther suchte nach Worten, er wußte in seiner Aufregung nicht mehr recht, was er sprach. "Nun eben, weil er ein Rassepferd ist," ergänzte Mareile und lachte ... "weil er nicht auf die Weide gehen darf, wie die andern, und nicht arbeiten."

Günther schlug sich mit der Hand auf das Knie. "Das ist's, natürlich! Lebenslust aufspeichern, sich nicht ausgeben dürfen. Na, wenn die weißen, stillen Schlösser nicht wären und die weißen, strengen Damen und so - diese Luft - die auch weiß und still ist - Teufel - man würde sterben vor - vor Lebensverschwendung."

Mareile schlug vor Günthers blankem, begehrendem Blick die Augen nieder, aber sie fühlte diesen Blick über sich hinstreichen, über ihre Stirn, ihre Augen, ihre Lippen. "Sollte es sein?" dachte sie. Günthers Stimme wurde gedämpft, klagend. "Aber die geduldigen Rassetiere haben auch ihre Stunden, in denen sie frei kommen. Da wird verschwendet, was aufgespart war. So bei Mondschein über die Wiese jagen, was? Nicht schlecht! Da vergessen Sie alles. Wenn sie wieder in den Stall kommen, dann ist ihnen die Krippe und das Heubündel fremd. Sie scheuen und steilen wie toll. Ja, das gibt's schon." Er beugte sich vor, um Mareile gierig in die Augen zu sehen. Das war jener wunderliche, fast feindliche Blick, den sie in Männeraugen kannte. Sie wurde ein wenig bleich. "Wenn es wäre!" dachte sie. Sofort erfüllte sie ein starkes, inneres Frohlocken. Es war ihr, als

Blut und die feinen Nerven müssen eingeschläfert werden. Sehen Sie Surhab. Er schaut geduldig aus, so, als leide er; verachtungsvoll ruhig, nicht? Er weiß, er darf sich hier nicht ausgeben, weil, weil …“ Günther suchte nach Worten, er wußte in seiner Aufregung nicht mehr recht, was er sprach. „Nun eben, weil er ein Rassepferd ist,“ ergänzte Mareile und lachte … „weil er nicht auf die Weide gehen darf, wie die andern, und nicht arbeiten.“

Günther schlug sich mit der Hand auf das Knie. „Das ist’s, natürlich! Lebenslust aufspeichern, sich nicht ausgeben dürfen. Na, wenn die weißen, stillen Schlösser nicht wären und die weißen, strengen Damen und so – diese Luft – die auch weiß und still ist – Teufel – man würde sterben vor – vor Lebensverschwendung.“

Mareile schlug vor Günthers blankem, begehrendem Blick die Augen nieder, aber sie fühlte diesen Blick über sich hinstreichen, über ihre Stirn, ihre Augen, ihre Lippen. „Sollte es sein?“ dachte sie. Günthers Stimme wurde gedämpft, klagend. „Aber die geduldigen Rassetiere haben auch ihre Stunden, in denen sie frei kommen. Da wird verschwendet, was aufgespart war. So bei Mondschein über die Wiese jagen, was? Nicht schlecht! Da vergessen Sie alles. Wenn sie wieder in den Stall kommen, dann ist ihnen die Krippe und das Heubündel fremd. Sie scheuen und steilen wie toll. Ja, das gibt’s schon.“ Er beugte sich vor, um Mareile gierig in die Augen zu sehen. Das war jener wunderliche, fast feindliche Blick, den sie in Männeraugen kannte. Sie wurde ein wenig bleich. „Wenn es wäre!“ dachte sie. Sofort erfüllte sie ein starkes, inneres Frohlocken. Es war ihr, als

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[86/0088] Blut und die feinen Nerven müssen eingeschläfert werden. Sehen Sie Surhab. Er schaut geduldig aus, so, als leide er; verachtungsvoll ruhig, nicht? Er weiß, er darf sich hier nicht ausgeben, weil, weil …“ Günther suchte nach Worten, er wußte in seiner Aufregung nicht mehr recht, was er sprach. „Nun eben, weil er ein Rassepferd ist,“ ergänzte Mareile und lachte … „weil er nicht auf die Weide gehen darf, wie die andern, und nicht arbeiten.“ Günther schlug sich mit der Hand auf das Knie. „Das ist’s, natürlich! Lebenslust aufspeichern, sich nicht ausgeben dürfen. Na, wenn die weißen, stillen Schlösser nicht wären und die weißen, strengen Damen und so – diese Luft – die auch weiß und still ist – Teufel – man würde sterben vor – vor Lebensverschwendung.“ Mareile schlug vor Günthers blankem, begehrendem Blick die Augen nieder, aber sie fühlte diesen Blick über sich hinstreichen, über ihre Stirn, ihre Augen, ihre Lippen. „Sollte es sein?“ dachte sie. Günthers Stimme wurde gedämpft, klagend. „Aber die geduldigen Rassetiere haben auch ihre Stunden, in denen sie frei kommen. Da wird verschwendet, was aufgespart war. So bei Mondschein über die Wiese jagen, was? Nicht schlecht! Da vergessen Sie alles. Wenn sie wieder in den Stall kommen, dann ist ihnen die Krippe und das Heubündel fremd. Sie scheuen und steilen wie toll. Ja, das gibt’s schon.“ Er beugte sich vor, um Mareile gierig in die Augen zu sehen. Das war jener wunderliche, fast feindliche Blick, den sie in Männeraugen kannte. Sie wurde ein wenig bleich. „Wenn es wäre!“ dachte sie. Sofort erfüllte sie ein starkes, inneres Frohlocken. Es war ihr, als

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Zitationshilfe: von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909], S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903/88>, abgerufen am 24.11.2024.