Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909].

Bild:
<< vorherige Seite

"Was tut man dagegen?"

"Starke Verzückungen werden angewandt. Ein neuer Rausch, wie immer bei Katzenjammer. Aber singen Sie noch, das ist auch so 'n neuer Rausch."

Mareile sang:

"Du bist der,
Nach dem ich verlangte
In frostigen Winters Frist.
Dich grüßet mein Herz
Mit heiligem Grauen."

Günther nahm seinen Traum wieder auf. Die griechische Sonne, die roten Felsen gegen den unsagbar blauen Himmel ... aber jetzt stand Mareile in alldem. Sie schaute mit den tokaierbraunen Augen den Strand entlang und wartete auf ihn. Auf ihn! Teufel! Das wäre etwas!

"Hell wie der Tag
Taut es mir auf
Wie tönender Schall -"

sang Mareile.

Wie sie im Singen bebte, wie die Töne in ihr schwollen! Plötzlich ging Günther hinaus. Er fürchtete, wunderlich auszusehen, mit dieser neuen, großen Aufregung im Herzen.

"Da Sie wieder singen," sagte Günther zu Mareile, "so reiten Sie wohl auch wieder."

Mareile hatte nichts dawider. "Gut!" bestimmte Günther. "Ich reite heute mit Ihrem Vater aufs Vorwerk hinaus. Sie kommen also mit!"

„Was tut man dagegen?“

„Starke Verzückungen werden angewandt. Ein neuer Rausch, wie immer bei Katzenjammer. Aber singen Sie noch, das ist auch so ’n neuer Rausch.“

Mareile sang:

„Du bist der,
Nach dem ich verlangte
In frostigen Winters Frist.
Dich grüßet mein Herz
Mit heiligem Grauen.“

Günther nahm seinen Traum wieder auf. Die griechische Sonne, die roten Felsen gegen den unsagbar blauen Himmel … aber jetzt stand Mareile in alldem. Sie schaute mit den tokaierbraunen Augen den Strand entlang und wartete auf ihn. Auf ihn! Teufel! Das wäre etwas!

„Hell wie der Tag
Taut es mir auf
Wie tönender Schall –“

sang Mareile.

Wie sie im Singen bebte, wie die Töne in ihr schwollen! Plötzlich ging Günther hinaus. Er fürchtete, wunderlich auszusehen, mit dieser neuen, großen Aufregung im Herzen.

„Da Sie wieder singen,“ sagte Günther zu Mareile, „so reiten Sie wohl auch wieder.“

Mareile hatte nichts dawider. „Gut!“ bestimmte Günther. „Ich reite heute mit Ihrem Vater aufs Vorwerk hinaus. Sie kommen also mit!“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0083" n="81"/>
        <p>&#x201E;Was tut man dagegen?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Starke Verzückungen werden angewandt. Ein neuer Rausch, wie immer bei Katzenjammer. Aber singen Sie noch, das ist auch so &#x2019;n neuer Rausch.&#x201C;</p>
        <p>Mareile sang:</p>
        <lg type="poem">
          <l>&#x201E;Du bist der,</l><lb/>
          <l>Nach dem ich verlangte</l><lb/>
          <l>In frostigen Winters Frist.</l><lb/>
          <l>Dich grüßet mein Herz</l><lb/>
          <l>Mit heiligem Grauen.&#x201C;</l><lb/>
        </lg>
        <p>Günther nahm seinen Traum wieder auf. Die griechische Sonne, die roten Felsen gegen den unsagbar blauen Himmel &#x2026; aber jetzt stand Mareile in alldem. Sie schaute mit den tokaierbraunen Augen den Strand entlang und wartete auf ihn. Auf ihn! Teufel! Das wäre etwas!</p>
        <lg type="poem">
          <l>&#x201E;Hell wie der Tag</l><lb/>
          <l>Taut es mir auf</l><lb/>
          <l>Wie tönender Schall &#x2013;&#x201C;</l><lb/>
        </lg>
        <p>sang Mareile.</p>
        <p>Wie sie im Singen bebte, wie die Töne in ihr schwollen! Plötzlich ging Günther hinaus. Er fürchtete, wunderlich auszusehen, mit dieser neuen, großen Aufregung im Herzen.</p>
        <p>&#x201E;Da Sie wieder singen,&#x201C; sagte Günther zu Mareile, &#x201E;so reiten Sie wohl auch wieder.&#x201C;</p>
        <p>Mareile hatte nichts dawider. &#x201E;Gut!&#x201C; bestimmte Günther. &#x201E;Ich reite heute mit Ihrem Vater aufs Vorwerk hinaus. Sie kommen also mit!&#x201C;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0083] „Was tut man dagegen?“ „Starke Verzückungen werden angewandt. Ein neuer Rausch, wie immer bei Katzenjammer. Aber singen Sie noch, das ist auch so ’n neuer Rausch.“ Mareile sang: „Du bist der, Nach dem ich verlangte In frostigen Winters Frist. Dich grüßet mein Herz Mit heiligem Grauen.“ Günther nahm seinen Traum wieder auf. Die griechische Sonne, die roten Felsen gegen den unsagbar blauen Himmel … aber jetzt stand Mareile in alldem. Sie schaute mit den tokaierbraunen Augen den Strand entlang und wartete auf ihn. Auf ihn! Teufel! Das wäre etwas! „Hell wie der Tag Taut es mir auf Wie tönender Schall –“ sang Mareile. Wie sie im Singen bebte, wie die Töne in ihr schwollen! Plötzlich ging Günther hinaus. Er fürchtete, wunderlich auszusehen, mit dieser neuen, großen Aufregung im Herzen. „Da Sie wieder singen,“ sagte Günther zu Mareile, „so reiten Sie wohl auch wieder.“ Mareile hatte nichts dawider. „Gut!“ bestimmte Günther. „Ich reite heute mit Ihrem Vater aufs Vorwerk hinaus. Sie kommen also mit!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Eduard von Keyserlings „Beate und Mareile“ erschi… [mehr]

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903/83
Zitationshilfe: von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909], S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903/83>, abgerufen am 16.05.2024.