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von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909].

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Mareile war aufgestanden, bleich bis an die Lippen, die festgeballten Hände voll roter Blumenblätter. An der Saaltür mußte sie stehen bleiben, weil die Leute sich dort drängten.

"Fräulein Mareile," sagte jemand neben ihr. Es war der Kandidat Halm. Seine Augen glitzerten erregt hinter den Brillengläsern und er errötete. "Fräulein Mareile, wollen Sie nicht mit mir einen Walzer versuchen? Sie wissen doch noch, ich walze - gut."

"Ach nein," sagte Mareile böse.

Halm rang vor Verlegenheit die Finger ineinander, daß sie knackten. "O! entschuldigen Sie. Natürlich - sehr natürlich."

Mareile wandte sich ab und ging. Sie ertrug all das nicht länger. Oben in ihrem finstern Stübchen atmete sie auf. Die Stille tat gut. Durch das geöffnete Fenster kam die Nachtluft und kühlte Mareiles nackte Schultern. Der Mond stand zwischen großen, goldgesäumten Wolken und ließ alle Edelsteine an ihr aufblitzen, als sie jetzt mit leisem Rauschen vor ihrem Bette niedersank und weinte. Und deutlich klang ihr wieder Hans Berkows leise, leidenschaftliche Stimme in den Ohren: "Wir beide. Wie frei würden wir sein!" -

Am nächsten Morgen schaute Mareile trübselig auf den Hof nieder. Hinter dem Gartengitter, auf dem Tennisplatz, regten sich Herren in hellen Anzügen, Damen mit weichen, bunten Kappen auf den Köpfen. Das "out" und "play" der Spielenden klang lustig herüber. Nein! zu denen konnte sie jetzt nicht. Sie grollte ihnen. Ein kleiner Wagen hielt vor dem Schloßtor. Von Günther geleitet, trat eine blaue

Mareile war aufgestanden, bleich bis an die Lippen, die festgeballten Hände voll roter Blumenblätter. An der Saaltür mußte sie stehen bleiben, weil die Leute sich dort drängten.

„Fräulein Mareile,“ sagte jemand neben ihr. Es war der Kandidat Halm. Seine Augen glitzerten erregt hinter den Brillengläsern und er errötete. „Fräulein Mareile, wollen Sie nicht mit mir einen Walzer versuchen? Sie wissen doch noch, ich walze – gut.“

„Ach nein,“ sagte Mareile böse.

Halm rang vor Verlegenheit die Finger ineinander, daß sie knackten. „O! entschuldigen Sie. Natürlich – sehr natürlich.“

Mareile wandte sich ab und ging. Sie ertrug all das nicht länger. Oben in ihrem finstern Stübchen atmete sie auf. Die Stille tat gut. Durch das geöffnete Fenster kam die Nachtluft und kühlte Mareiles nackte Schultern. Der Mond stand zwischen großen, goldgesäumten Wolken und ließ alle Edelsteine an ihr aufblitzen, als sie jetzt mit leisem Rauschen vor ihrem Bette niedersank und weinte. Und deutlich klang ihr wieder Hans Berkows leise, leidenschaftliche Stimme in den Ohren: „Wir beide. Wie frei würden wir sein!“ –

Am nächsten Morgen schaute Mareile trübselig auf den Hof nieder. Hinter dem Gartengitter, auf dem Tennisplatz, regten sich Herren in hellen Anzügen, Damen mit weichen, bunten Kappen auf den Köpfen. Das „out“ und „play“ der Spielenden klang lustig herüber. Nein! zu denen konnte sie jetzt nicht. Sie grollte ihnen. Ein kleiner Wagen hielt vor dem Schloßtor. Von Günther geleitet, trat eine blaue

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[43/0045] Mareile war aufgestanden, bleich bis an die Lippen, die festgeballten Hände voll roter Blumenblätter. An der Saaltür mußte sie stehen bleiben, weil die Leute sich dort drängten. „Fräulein Mareile,“ sagte jemand neben ihr. Es war der Kandidat Halm. Seine Augen glitzerten erregt hinter den Brillengläsern und er errötete. „Fräulein Mareile, wollen Sie nicht mit mir einen Walzer versuchen? Sie wissen doch noch, ich walze – gut.“ „Ach nein,“ sagte Mareile böse. Halm rang vor Verlegenheit die Finger ineinander, daß sie knackten. „O! entschuldigen Sie. Natürlich – sehr natürlich.“ Mareile wandte sich ab und ging. Sie ertrug all das nicht länger. Oben in ihrem finstern Stübchen atmete sie auf. Die Stille tat gut. Durch das geöffnete Fenster kam die Nachtluft und kühlte Mareiles nackte Schultern. Der Mond stand zwischen großen, goldgesäumten Wolken und ließ alle Edelsteine an ihr aufblitzen, als sie jetzt mit leisem Rauschen vor ihrem Bette niedersank und weinte. Und deutlich klang ihr wieder Hans Berkows leise, leidenschaftliche Stimme in den Ohren: „Wir beide. Wie frei würden wir sein!“ – Am nächsten Morgen schaute Mareile trübselig auf den Hof nieder. Hinter dem Gartengitter, auf dem Tennisplatz, regten sich Herren in hellen Anzügen, Damen mit weichen, bunten Kappen auf den Köpfen. Das „out“ und „play“ der Spielenden klang lustig herüber. Nein! zu denen konnte sie jetzt nicht. Sie grollte ihnen. Ein kleiner Wagen hielt vor dem Schloßtor. Von Günther geleitet, trat eine blaue

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Zitationshilfe: von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909], S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903/45>, abgerufen am 29.03.2024.