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von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909].

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erzählte abends im Waldkruge unheimliche Geschichten von der "verfluchten Schwarzen". Über dem Portal des Schlosses hing in bemaltem Stein das Tarniffsche Wappen: auf dem Tartschenschilde in goldenem Felde drei schwarze Lindenblätter, darüber, auf gekröntem Stechhelm, zwischen dem offnen, goldenen Flug ein wachsender, schwarzer Brackenhals. "Die drei herzförmigen Blätter," sagten die Lantiner, "sind die drei Weiberherzen, die jeder Tarniff bricht." - "Ja," sagte Mankow, "und der Hund da oben, das ist der Teufel, der sie holt. Unser Alter hat sich seinen Teufel selber mitgebracht." Die Sache nahm kein gutes Ende: "So verfault is unser Alter auch noch nich," meinte Mankow. "Was zu doll is, is zu doll! Das schwarze Aas hat die Reitpeitsch, die mit dem goldenen Knopf, wißt ihr, zu schmecken gekriegt." Eine verschlossene Kutsche brachte die Schwarze eines Morgens zur Station. Der alte Herr verschloß sich in seine Gemächer, dann reiste er ab, kam wieder, vergrub sich in seine Bücher: "Alt is 'r," sagte Mankow. "Er sagt, er hat das Leben satt. Muß der gefressen haben! Was? Jetzt sitzt er bei den Büchern, und das ist das Letzte." Ein Schlaganfall beraubte den alten Herrn seiner Füße. Stundenlang schob Kulmann ihn im Rollstuhl die Alleen des Parkes auf und ab, und das große, bleiche Greisenantlitz wackelte mißmutig und ergeben bei jeder Bewegung des Rollstuhles. Endlich kam das Ende. Kulmann hatte seinen Herrn eines Nachmittags allein im Park gelassen, um zu Hause einen Grog zu trinken. Das mochte ein wenig lange gedauert haben. Als Kulmann gegen Abend seinen Grafen aufsuchte, fand er ihn in der Herbstdämmerung tot im Rollstuhl sitzen, feucht von Abendnebeln,

erzählte abends im Waldkruge unheimliche Geschichten von der „verfluchten Schwarzen“. Über dem Portal des Schlosses hing in bemaltem Stein das Tarniffsche Wappen: auf dem Tartschenschilde in goldenem Felde drei schwarze Lindenblätter, darüber, auf gekröntem Stechhelm, zwischen dem offnen, goldenen Flug ein wachsender, schwarzer Brackenhals. „Die drei herzförmigen Blätter,“ sagten die Lantiner, „sind die drei Weiberherzen, die jeder Tarniff bricht.“ – „Ja,“ sagte Mankow, „und der Hund da oben, das ist der Teufel, der sie holt. Unser Alter hat sich seinen Teufel selber mitgebracht.“ Die Sache nahm kein gutes Ende: „So verfault is unser Alter auch noch nich,“ meinte Mankow. „Was zu doll is, is zu doll! Das schwarze Aas hat die Reitpeitsch, die mit dem goldenen Knopf, wißt ihr, zu schmecken gekriegt.“ Eine verschlossene Kutsche brachte die Schwarze eines Morgens zur Station. Der alte Herr verschloß sich in seine Gemächer, dann reiste er ab, kam wieder, vergrub sich in seine Bücher: „Alt is ’r,“ sagte Mankow. „Er sagt, er hat das Leben satt. Muß der gefressen haben! Was? Jetzt sitzt er bei den Büchern, und das ist das Letzte.“ Ein Schlaganfall beraubte den alten Herrn seiner Füße. Stundenlang schob Kulmann ihn im Rollstuhl die Alleen des Parkes auf und ab, und das große, bleiche Greisenantlitz wackelte mißmutig und ergeben bei jeder Bewegung des Rollstuhles. Endlich kam das Ende. Kulmann hatte seinen Herrn eines Nachmittags allein im Park gelassen, um zu Hause einen Grog zu trinken. Das mochte ein wenig lange gedauert haben. Als Kulmann gegen Abend seinen Grafen aufsuchte, fand er ihn in der Herbstdämmerung tot im Rollstuhl sitzen, feucht von Abendnebeln,

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[12/0014] erzählte abends im Waldkruge unheimliche Geschichten von der „verfluchten Schwarzen“. Über dem Portal des Schlosses hing in bemaltem Stein das Tarniffsche Wappen: auf dem Tartschenschilde in goldenem Felde drei schwarze Lindenblätter, darüber, auf gekröntem Stechhelm, zwischen dem offnen, goldenen Flug ein wachsender, schwarzer Brackenhals. „Die drei herzförmigen Blätter,“ sagten die Lantiner, „sind die drei Weiberherzen, die jeder Tarniff bricht.“ – „Ja,“ sagte Mankow, „und der Hund da oben, das ist der Teufel, der sie holt. Unser Alter hat sich seinen Teufel selber mitgebracht.“ Die Sache nahm kein gutes Ende: „So verfault is unser Alter auch noch nich,“ meinte Mankow. „Was zu doll is, is zu doll! Das schwarze Aas hat die Reitpeitsch, die mit dem goldenen Knopf, wißt ihr, zu schmecken gekriegt.“ Eine verschlossene Kutsche brachte die Schwarze eines Morgens zur Station. Der alte Herr verschloß sich in seine Gemächer, dann reiste er ab, kam wieder, vergrub sich in seine Bücher: „Alt is ’r,“ sagte Mankow. „Er sagt, er hat das Leben satt. Muß der gefressen haben! Was? Jetzt sitzt er bei den Büchern, und das ist das Letzte.“ Ein Schlaganfall beraubte den alten Herrn seiner Füße. Stundenlang schob Kulmann ihn im Rollstuhl die Alleen des Parkes auf und ab, und das große, bleiche Greisenantlitz wackelte mißmutig und ergeben bei jeder Bewegung des Rollstuhles. Endlich kam das Ende. Kulmann hatte seinen Herrn eines Nachmittags allein im Park gelassen, um zu Hause einen Grog zu trinken. Das mochte ein wenig lange gedauert haben. Als Kulmann gegen Abend seinen Grafen aufsuchte, fand er ihn in der Herbstdämmerung tot im Rollstuhl sitzen, feucht von Abendnebeln,

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Zitationshilfe: von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909], S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903/14>, abgerufen am 28.03.2024.