Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Maria. Da sitzet sie mit andern Blumen spielend Knospe der Rose, Noch nicht den Strahl der Gottheit in sich fühlend, Der bald des Himmels Füll' ihr weckt im Schooße, Doch ahnet's schon das Lämmlein, das sie liebt, Blickt süß betrübt, Die Blume ahnet's, die sie trägt am Herzen, Verblühet schnell in wonniglichen Schmerzen. Bald aber sinkt auf strahlendem Gefieder Der Engel sich herab, o sel'ge Stunde! Bringt ihr die Kunde. Und betend sinkt die Gottgeweihte nieder. Ein Strahl des Himmels zükt durch ihre Glieder, Die Knospe reift zur Paradiesesfülle, Sie doch erhebet sich in Demuth wieder. "Ich bin die Magd, Herr! es gescheh' dein Wille!" Maria. Da ſitzet ſie mit andern Blumen ſpielend Knoſpe der Roſe, Noch nicht den Strahl der Gottheit in ſich fuͤhlend, Der bald des Himmels Fuͤll' ihr weckt im Schooße, Doch ahnet's ſchon das Laͤmmlein, das ſie liebt, Blickt ſuͤß betruͤbt, Die Blume ahnet's, die ſie traͤgt am Herzen, Verbluͤhet ſchnell in wonniglichen Schmerzen. Bald aber ſinkt auf ſtrahlendem Gefieder Der Engel ſich herab, o ſel'ge Stunde! Bringt ihr die Kunde. Und betend ſinkt die Gottgeweihte nieder. Ein Strahl des Himmels zuͤkt durch ihre Glieder, Die Knoſpe reift zur Paradieſesfuͤlle, Sie doch erhebet ſich in Demuth wieder. „Ich bin die Magd, Herr! es geſcheh' dein Wille!“ <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0080" n="68"/> <lg type="poem"> <head><hi rendition="#g">Maria</hi>.</head><lb/> <l> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </l> <lg n="1"> <l>Da ſitzet ſie mit andern Blumen ſpielend</l><lb/> <l>Knoſpe der Roſe,</l><lb/> <l>Noch nicht den Strahl der Gottheit in ſich fuͤhlend,</l><lb/> <l>Der bald des Himmels Fuͤll' ihr weckt im Schooße,</l><lb/> <l>Doch ahnet's ſchon das Laͤmmlein, das ſie liebt,</l><lb/> <l>Blickt ſuͤß betruͤbt,</l><lb/> <l>Die Blume ahnet's, die ſie traͤgt am Herzen,</l><lb/> <l>Verbluͤhet ſchnell in wonniglichen Schmerzen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Bald aber ſinkt auf ſtrahlendem Gefieder</l><lb/> <l>Der Engel ſich herab, o ſel'ge Stunde!</l><lb/> <l>Bringt ihr die Kunde.</l><lb/> <l>Und betend ſinkt die Gottgeweihte nieder.</l><lb/> <l>Ein Strahl des Himmels zuͤkt durch ihre Glieder,</l><lb/> <l>Die Knoſpe reift zur Paradieſesfuͤlle,</l><lb/> <l>Sie doch erhebet ſich in Demuth wieder.</l><lb/> <l>„Ich bin die Magd, Herr! es geſcheh' dein Wille!“</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [68/0080]
Maria.
Da ſitzet ſie mit andern Blumen ſpielend
Knoſpe der Roſe,
Noch nicht den Strahl der Gottheit in ſich fuͤhlend,
Der bald des Himmels Fuͤll' ihr weckt im Schooße,
Doch ahnet's ſchon das Laͤmmlein, das ſie liebt,
Blickt ſuͤß betruͤbt,
Die Blume ahnet's, die ſie traͤgt am Herzen,
Verbluͤhet ſchnell in wonniglichen Schmerzen.
Bald aber ſinkt auf ſtrahlendem Gefieder
Der Engel ſich herab, o ſel'ge Stunde!
Bringt ihr die Kunde.
Und betend ſinkt die Gottgeweihte nieder.
Ein Strahl des Himmels zuͤkt durch ihre Glieder,
Die Knoſpe reift zur Paradieſesfuͤlle,
Sie doch erhebet ſich in Demuth wieder.
„Ich bin die Magd, Herr! es geſcheh' dein Wille!“
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