Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Neuer Aufzug. Kirchhof. Mitternacht. Zwey Gerippe erscheinen. Erstes Gerippe. Liebst du mich nun. Zweytes Gerippe. Ob ich dich liebe? Frage! Erstes Gerippe. Nun sind wir gänzlich ja einander gleich. Zweytes Gerippe. Ich habe dich, ich hab' mein Himmelreich, Und schlaf' von dir umarmt süß bis zum jüngsten Tage. Erstes Gerippe. Siehst du die Blümlein dort auf deiner Grabesstätte? Die hab' ich dir gepflanzt, mit Thränen oft benetzt. Zweytes Gerippe. Drum ruht' ich auch so süß in meinem Bette! Erstes Gerippe. O Liebe! komm' in meine Arme jezt! Nichts kann uns trennen, eng und fest umfangen Vom Grabeshügel, einem Herzen warm, Laß uns nun wonnig schlummern Arm in Arm; So Leben endlich wir im Tod erlangen! (Sie versenken in ein Grab.) (Der Todtengräber mit Flügeln erscheint.) Der Todtengräber. Mitternacht schrie die Wacht, Nun laßt euch erproben, ihr lieben Schwingen! Zwar stürmisch und wild ist die Nacht, Neuer Aufzug. Kirchhof. Mitternacht. Zwey Gerippe erſcheinen. Erſtes Gerippe. Liebſt du mich nun. Zweytes Gerippe. Ob ich dich liebe? Frage! Erſtes Gerippe. Nun ſind wir gaͤnzlich ja einander gleich. Zweytes Gerippe. Ich habe dich, ich hab' mein Himmelreich, Und ſchlaf' von dir umarmt ſuͤß bis zum juͤngſten Tage. Erſtes Gerippe. Siehſt du die Bluͤmlein dort auf deiner Grabesſtaͤtte? Die hab' ich dir gepflanzt, mit Thraͤnen oft benetzt. Zweytes Gerippe. Drum ruht' ich auch ſo ſuͤß in meinem Bette! Erſtes Gerippe. O Liebe! komm' in meine Arme jezt! Nichts kann uns trennen, eng und feſt umfangen Vom Grabeshuͤgel, einem Herzen warm, Laß uns nun wonnig ſchlummern Arm in Arm; So Leben endlich wir im Tod erlangen! (Sie verſenken in ein Grab.) (Der Todtengraͤber mit Fluͤgeln erſcheint.) Der Todtengraͤber. Mitternacht ſchrie die Wacht, Nun laßt euch erproben, ihr lieben Schwingen! Zwar ſtuͤrmiſch und wild iſt die Nacht, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0224" n="212"/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Neuer Aufzug</hi>.</head><lb/> <stage><hi rendition="#g">Kirchhof. Mitternacht</hi>.</stage><lb/> <stage><hi rendition="#g">Zwey Gerippe</hi> erſcheinen.</stage><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Erſtes Gerippe</hi>.</speaker><lb/> <p>Liebſt du mich nun.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Zweytes Gerippe</hi>.</speaker><lb/> <p>Ob ich dich liebe? Frage!</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Erſtes Gerippe</hi>.</speaker><lb/> <p>Nun ſind wir gaͤnzlich ja einander gleich.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Zweytes Gerippe</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich habe dich, ich hab' mein Himmelreich,<lb/> Und ſchlaf' von dir umarmt ſuͤß bis zum juͤngſten Tage.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Erſtes Gerippe</hi>.</speaker><lb/> <p>Siehſt du die Bluͤmlein dort auf deiner Grabesſtaͤtte?<lb/> Die hab' ich dir gepflanzt, mit Thraͤnen oft benetzt.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Zweytes Gerippe</hi>.</speaker><lb/> <p>Drum ruht' ich auch ſo ſuͤß in meinem Bette!</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Erſtes Gerippe</hi>.</speaker><lb/> <p>O Liebe! komm' in meine Arme jezt!<lb/> Nichts kann uns trennen, eng und feſt umfangen<lb/> Vom Grabeshuͤgel, einem Herzen warm,<lb/> Laß uns nun wonnig ſchlummern Arm in Arm;<lb/> So Leben endlich wir im Tod erlangen!</p> </sp><lb/> <stage>(Sie verſenken in ein Grab.)</stage><lb/> <stage>(<hi rendition="#g">Der Todtengraͤber</hi> mit Fluͤgeln erſcheint.)</stage><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Der Todtengraͤber</hi>.</speaker><lb/> <p>Mitternacht ſchrie die Wacht,<lb/> Nun laßt euch erproben, ihr lieben Schwingen!<lb/> Zwar ſtuͤrmiſch und wild iſt die Nacht,<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [212/0224]
Neuer Aufzug.
Kirchhof. Mitternacht.
Zwey Gerippe erſcheinen.
Erſtes Gerippe.
Liebſt du mich nun.
Zweytes Gerippe.
Ob ich dich liebe? Frage!
Erſtes Gerippe.
Nun ſind wir gaͤnzlich ja einander gleich.
Zweytes Gerippe.
Ich habe dich, ich hab' mein Himmelreich,
Und ſchlaf' von dir umarmt ſuͤß bis zum juͤngſten Tage.
Erſtes Gerippe.
Siehſt du die Bluͤmlein dort auf deiner Grabesſtaͤtte?
Die hab' ich dir gepflanzt, mit Thraͤnen oft benetzt.
Zweytes Gerippe.
Drum ruht' ich auch ſo ſuͤß in meinem Bette!
Erſtes Gerippe.
O Liebe! komm' in meine Arme jezt!
Nichts kann uns trennen, eng und feſt umfangen
Vom Grabeshuͤgel, einem Herzen warm,
Laß uns nun wonnig ſchlummern Arm in Arm;
So Leben endlich wir im Tod erlangen!
(Sie verſenken in ein Grab.)
(Der Todtengraͤber mit Fluͤgeln erſcheint.)
Der Todtengraͤber.
Mitternacht ſchrie die Wacht,
Nun laßt euch erproben, ihr lieben Schwingen!
Zwar ſtuͤrmiſch und wild iſt die Nacht,
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Zitationshilfe: | Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/224>, abgerufen am 16.02.2025. |