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Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

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Der Poet.
Ach! das macht das Wurzelfassen
Streben in der Erde Gründe,
Daß auch sie mich Blume finde,
Sagt mir, bin ich noch erblasset?
Fühl' zwar noch dies singend Leben,
Heiße Innbrunst nach dem Wasser,
Ihr zu blüh'n zum ew'gen Ruhme
Fühl' ich nie gefühltes Streben --
Riech' ich noch wie eine Blume?
O sagt's!
Der Gärtner (riecht an ihm und nießt).
O! das ist ein verdammter Streich -- ihr wurdet eine
Tabacksstaude.
Der Poet (will sich aus der Wurzel reißen).
Weh! weh! gemeines Gewächs!
Der Gärtner.
Bleibt ruhig, ich scherzte nur -- ihr wurdet ein Zu-
ckerrohr.
Der Poet.
Luxuspflanze!
(Er will heraus).
Der Gärtner.
Nein! hört's! ihr seyd eine vollkommene Sonnenblume,
euer Kopf, die herrliche Knospe, hat sich gar lieblich ent-
faltet. Aber bewegt euch nicht, sonst geht alles verloren.

Nur stille! nur duldsam wie die Blumen! Da! hübsch
links gegen die untergehende Sonne unverwandt geschaut:
denn so machen es die rechten Sonnenblumen.
Der Poet.
Ach! das macht das Wurzelfaſſen
Streben in der Erde Gruͤnde,
Daß auch ſie mich Blume finde,
Sagt mir, bin ich noch erblaſſet?
Fuͤhl' zwar noch dies ſingend Leben,
Heiße Innbrunſt nach dem Waſſer,
Ihr zu bluͤh'n zum ew'gen Ruhme
Fuͤhl' ich nie gefuͤhltes Streben —
Riech' ich noch wie eine Blume?
O ſagt's!
Der Gaͤrtner (riecht an ihm und nießt).
O! das iſt ein verdammter Streich — ihr wurdet eine
Tabacksſtaude.
Der Poet (will ſich aus der Wurzel reißen).
Weh! weh! gemeines Gewaͤchs!
Der Gaͤrtner.
Bleibt ruhig, ich ſcherzte nur — ihr wurdet ein Zu-
ckerrohr.
Der Poet.
Luxuspflanze!
(Er will heraus).
Der Gaͤrtner.
Nein! hoͤrt's! ihr ſeyd eine vollkommene Sonnenblume,
euer Kopf, die herrliche Knospe, hat ſich gar lieblich ent-
faltet. Aber bewegt euch nicht, ſonſt geht alles verloren.

Nur ſtille! nur duldſam wie die Blumen! Da! huͤbſch
links gegen die untergehende Sonne unverwandt geſchaut:
denn ſo machen es die rechten Sonnenblumen.
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[210/0222] Der Poet. Ach! das macht das Wurzelfaſſen Streben in der Erde Gruͤnde, Daß auch ſie mich Blume finde, Sagt mir, bin ich noch erblaſſet? Fuͤhl' zwar noch dies ſingend Leben, Heiße Innbrunſt nach dem Waſſer, Ihr zu bluͤh'n zum ew'gen Ruhme Fuͤhl' ich nie gefuͤhltes Streben — Riech' ich noch wie eine Blume? O ſagt's! Der Gaͤrtner (riecht an ihm und nießt). O! das iſt ein verdammter Streich — ihr wurdet eine Tabacksſtaude. Der Poet (will ſich aus der Wurzel reißen). Weh! weh! gemeines Gewaͤchs! Der Gaͤrtner. Bleibt ruhig, ich ſcherzte nur — ihr wurdet ein Zu- ckerrohr. Der Poet. Luxuspflanze! (Er will heraus). Der Gaͤrtner. Nein! hoͤrt's! ihr ſeyd eine vollkommene Sonnenblume, euer Kopf, die herrliche Knospe, hat ſich gar lieblich ent- faltet. Aber bewegt euch nicht, ſonſt geht alles verloren. Nur ſtille! nur duldſam wie die Blumen! Da! huͤbſch links gegen die untergehende Sonne unverwandt geſchaut: denn ſo machen es die rechten Sonnenblumen.

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/222>, abgerufen am 21.11.2024.