Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826. Der Todtengräber. O Schmid! wie schwazt ihr! Der Schmid. Ja! wie schwazt ihr! wie schwazt ihr! Das ist stets eure Antwort, was anders hört man euch nie sagen. Der Todtengräber. Mit euch über eine solche Sache zu sprechen, ist Thorheit. Der Schmid. Und doch seyd ihr stets der erste, der davon anfängt. Elsbeth. Weh! ihr vertretet die schönsten Blumen. (Hängt Kränze an die Kreuze auf.) Der Todtengräber. Jetzt sinkt der Reiher, seht! wie ein fallender Stern. Der Schmid. Schon wieder vom Fliegen und immer vom Fliegen! Es ist wahr, an den Vögeln läßt das Fliegen nicht übel. Doch, euch gesagt, bin ich der Meinung, daß es unter ih- nen nur so eine dumme Mode sey. Sie haben ja zwei Beine, warum denn fliegen? Es ist so eine Art reuten, fahren -- ein Luxus, den die Vornehmen unter ihnen ein- geführt, die Adler, die Falken, die Habichte. Man kann es daraus auch klar sehen, daß das gemeine Federvieh, die Enten, die Gänse und die Hühner nicht fliegen. Nachbar! laßt das Ding bleiben, höchstens würdet ihr ein plumper Hirschkäfer. Der Todtengräber. Ich spreche hierüber mit euch nicht. Der Todtengraͤber. O Schmid! wie ſchwazt ihr! Der Schmid. Ja! wie ſchwazt ihr! wie ſchwazt ihr! Das iſt ſtets eure Antwort, was anders hoͤrt man euch nie ſagen. Der Todtengraͤber. Mit euch uͤber eine ſolche Sache zu ſprechen, iſt Thorheit. Der Schmid. Und doch ſeyd ihr ſtets der erſte, der davon anfaͤngt. Elsbeth. Weh! ihr vertretet die ſchoͤnſten Blumen. (Haͤngt Kraͤnze an die Kreuze auf.) Der Todtengraͤber. Jetzt ſinkt der Reiher, ſeht! wie ein fallender Stern. Der Schmid. Schon wieder vom Fliegen und immer vom Fliegen! Es iſt wahr, an den Voͤgeln laͤßt das Fliegen nicht uͤbel. Doch, euch geſagt, bin ich der Meinung, daß es unter ih- nen nur ſo eine dumme Mode ſey. Sie haben ja zwei Beine, warum denn fliegen? Es iſt ſo eine Art reuten, fahren — ein Luxus, den die Vornehmen unter ihnen ein- gefuͤhrt, die Adler, die Falken, die Habichte. Man kann es daraus auch klar ſehen, daß das gemeine Federvieh, die Enten, die Gaͤnſe und die Huͤhner nicht fliegen. Nachbar! laßt das Ding bleiben, hoͤchſtens wuͤrdet ihr ein plumper Hirſchkaͤfer. Der Todtengraͤber. Ich ſpreche hieruͤber mit euch nicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0213" n="201"/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Der Todtengraͤber</hi>.</speaker><lb/> <p>O Schmid! wie ſchwazt ihr!</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Der Schmid</hi>.</speaker><lb/> <p>Ja! wie ſchwazt ihr! wie ſchwazt ihr! Das iſt ſtets<lb/> eure Antwort, was anders hoͤrt man euch nie ſagen.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Der Todtengraͤber</hi>.</speaker><lb/> <p>Mit euch uͤber eine ſolche Sache zu ſprechen, iſt<lb/> Thorheit.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Der Schmid</hi>.</speaker><lb/> <p>Und doch ſeyd ihr ſtets der erſte, der davon anfaͤngt.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Elsbeth</hi>.</speaker><lb/> <p>Weh! ihr vertretet die ſchoͤnſten Blumen.</p> </sp><lb/> <stage>(Haͤngt Kraͤnze an die Kreuze auf.)</stage><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Der Todtengraͤber</hi>.</speaker><lb/> <p>Jetzt ſinkt der Reiher, ſeht! wie ein fallender Stern.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Der Schmid</hi>.</speaker><lb/> <p>Schon wieder vom Fliegen und immer vom Fliegen!<lb/> Es iſt wahr, an den Voͤgeln laͤßt das Fliegen nicht uͤbel.<lb/> Doch, euch geſagt, bin ich der Meinung, daß es unter ih-<lb/> nen nur ſo eine dumme Mode ſey. Sie haben ja zwei<lb/> Beine, warum denn fliegen? Es iſt ſo eine Art reuten,<lb/> fahren — ein Luxus, den die Vornehmen unter ihnen ein-<lb/> gefuͤhrt, die Adler, die Falken, die Habichte. Man kann<lb/> es daraus auch klar ſehen, daß das gemeine Federvieh, die<lb/> Enten, die Gaͤnſe und die Huͤhner nicht fliegen. Nachbar!<lb/> laßt das Ding bleiben, hoͤchſtens wuͤrdet ihr ein plumper<lb/> Hirſchkaͤfer.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Der Todtengraͤber</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich ſpreche hieruͤber mit euch nicht.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [201/0213]
Der Todtengraͤber.
O Schmid! wie ſchwazt ihr!
Der Schmid.
Ja! wie ſchwazt ihr! wie ſchwazt ihr! Das iſt ſtets
eure Antwort, was anders hoͤrt man euch nie ſagen.
Der Todtengraͤber.
Mit euch uͤber eine ſolche Sache zu ſprechen, iſt
Thorheit.
Der Schmid.
Und doch ſeyd ihr ſtets der erſte, der davon anfaͤngt.
Elsbeth.
Weh! ihr vertretet die ſchoͤnſten Blumen.
(Haͤngt Kraͤnze an die Kreuze auf.)
Der Todtengraͤber.
Jetzt ſinkt der Reiher, ſeht! wie ein fallender Stern.
Der Schmid.
Schon wieder vom Fliegen und immer vom Fliegen!
Es iſt wahr, an den Voͤgeln laͤßt das Fliegen nicht uͤbel.
Doch, euch geſagt, bin ich der Meinung, daß es unter ih-
nen nur ſo eine dumme Mode ſey. Sie haben ja zwei
Beine, warum denn fliegen? Es iſt ſo eine Art reuten,
fahren — ein Luxus, den die Vornehmen unter ihnen ein-
gefuͤhrt, die Adler, die Falken, die Habichte. Man kann
es daraus auch klar ſehen, daß das gemeine Federvieh, die
Enten, die Gaͤnſe und die Huͤhner nicht fliegen. Nachbar!
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Zitationshilfe: | Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/213>, abgerufen am 17.07.2024. |