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Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

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Der Vater.
Das ist halt nichts, als ein Schmetterling.
Das Kind.
O Vater! wenn er mir's fing!
(Sie springen dem Schmetterlinge nach. Ein Reiher kreist hoch in den Lüsten).
Der Todtengräber, seine Frau und seine Tochter
Elsbeth
.
Der Todtengräber.
Siehst du den Reiher dort oben, Weib!
Blau wie der Himmel sein Flügel,
Licht und Luft ist der stolze Leib,
Ihm deucht die Erde ein Hügel.
Sieh an! so bodenlos und ohne Zügel,
Ist einst das Wagstück mir gelungen, Weib!
Werd' ich auch angestaunt dort oben schweben.
Elsbeth.
Dies wär bey Gott! mein lezter Zeitvertreib,
Halt's mit den Blumen, die im niedern Thale leben.
Der Mann.
Die Mücke darf zum Himmel sich erheben,
Frey schwebt sie auf und tanzt im Sonnenstrahl,
Der Mensch nur soll gebannt in's niedre Thal
Mit Moos und Schwamm an Stein und Erde kleben?
Hum! ich probir's einmal!

(Strebt mit Armen und Beinen auf).
Auf, ihr träge Arme! plumpe Füße!
Wandelt euch in leichte, luft'ge Schwingen!
Ja schon fühl' ich's, es wird gelingen! --
Vogelleben! wie bist du so süße!
Der Vater.
Das iſt halt nichts, als ein Schmetterling.
Das Kind.
O Vater! wenn er mir's fing!
(Sie ſpringen dem Schmetterlinge nach. Ein Reiher kreiſt hoch in den Luͤſten).
Der Todtengraͤber, ſeine Frau und ſeine Tochter
Elsbeth
.
Der Todtengraͤber.
Siehſt du den Reiher dort oben, Weib!
Blau wie der Himmel ſein Fluͤgel,
Licht und Luft iſt der ſtolze Leib,
Ihm deucht die Erde ein Huͤgel.
Sieh an! ſo bodenlos und ohne Zuͤgel,
Iſt einſt das Wagſtuͤck mir gelungen, Weib!
Werd' ich auch angeſtaunt dort oben ſchweben.
Elsbeth.
Dies waͤr bey Gott! mein lezter Zeitvertreib,
Halt's mit den Blumen, die im niedern Thale leben.
Der Mann.
Die Muͤcke darf zum Himmel ſich erheben,
Frey ſchwebt ſie auf und tanzt im Sonnenſtrahl,
Der Menſch nur ſoll gebannt in's niedre Thal
Mit Moos und Schwamm an Stein und Erde kleben?
Hum! ich probir's einmal!

(Strebt mit Armen und Beinen auf).
Auf, ihr traͤge Arme! plumpe Fuͤße!
Wandelt euch in leichte, luft'ge Schwingen!
Ja ſchon fuͤhl' ich's, es wird gelingen! —
Vogelleben! wie biſt du ſo ſuͤße!
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[199/0211] Der Vater. Das iſt halt nichts, als ein Schmetterling. Das Kind. O Vater! wenn er mir's fing! (Sie ſpringen dem Schmetterlinge nach. Ein Reiher kreiſt hoch in den Luͤſten). Der Todtengraͤber, ſeine Frau und ſeine Tochter Elsbeth. Der Todtengraͤber. Siehſt du den Reiher dort oben, Weib! Blau wie der Himmel ſein Fluͤgel, Licht und Luft iſt der ſtolze Leib, Ihm deucht die Erde ein Huͤgel. Sieh an! ſo bodenlos und ohne Zuͤgel, Iſt einſt das Wagſtuͤck mir gelungen, Weib! Werd' ich auch angeſtaunt dort oben ſchweben. Elsbeth. Dies waͤr bey Gott! mein lezter Zeitvertreib, Halt's mit den Blumen, die im niedern Thale leben. Der Mann. Die Muͤcke darf zum Himmel ſich erheben, Frey ſchwebt ſie auf und tanzt im Sonnenſtrahl, Der Menſch nur ſoll gebannt in's niedre Thal Mit Moos und Schwamm an Stein und Erde kleben? Hum! ich probir's einmal! (Strebt mit Armen und Beinen auf). Auf, ihr traͤge Arme! plumpe Fuͤße! Wandelt euch in leichte, luft'ge Schwingen! Ja ſchon fuͤhl' ich's, es wird gelingen! — Vogelleben! wie biſt du ſo ſuͤße!

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/211>, abgerufen am 05.05.2024.