Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Sonnenlauf. Weh, o weh der bösen Sonne! stellt mit liebelosem Stral Zwischen mich und Sie, die Ferne, hohe Berg' und tiefe Thal', Bringet Dörfer, bringet Städte, ziehet Flüsse, leitet Seen, Läßt ein wild Gewühl von Menschen zwischen Ihr und mir erstehn. Und je näher dann die Sonne leuchtend an dem Himmel zieht, Weh! je ferner Sie, die Ferne, über Berg' und Thale flieht. Aber wann die Sonne fliehet, mit sich ziehend Berg und Thal, Mit sich ziehend Flüss' und Städte, und die Menschen all- zumal: Kehret schon die Ferne wieder; leis vom Abendstern bewacht, Schifft sie in dem Kahn des Mondes durch das stille Meer der Nacht. Sonnenlauf. Weh, o weh der boͤſen Sonne! ſtellt mit liebeloſem Stral Zwiſchen mich und Sie, die Ferne, hohe Berg' und tiefe Thal', Bringet Doͤrfer, bringet Staͤdte, ziehet Fluͤſſe, leitet Seen, Laͤßt ein wild Gewuͤhl von Menſchen zwiſchen Ihr und mir erſtehn. Und je naͤher dann die Sonne leuchtend an dem Himmel zieht, Weh! je ferner Sie, die Ferne, uͤber Berg' und Thale flieht. Aber wann die Sonne fliehet, mit ſich ziehend Berg und Thal, Mit ſich ziehend Fluͤſſ' und Staͤdte, und die Menſchen all- zumal: Kehret ſchon die Ferne wieder; leis vom Abendſtern bewacht, Schifft ſie in dem Kahn des Mondes durch das ſtille Meer der Nacht. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0150" n="138"/> <lg type="poem"> <head><hi rendition="#g">Sonnenlauf</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <l>Weh, o weh der boͤſen Sonne! ſtellt mit liebeloſem Stral</l><lb/> <l>Zwiſchen mich und Sie, die Ferne, hohe Berg' und tiefe</l><lb/> <l>Thal',</l><lb/> <l>Bringet Doͤrfer, bringet Staͤdte, ziehet Fluͤſſe, leitet Seen,</l><lb/> <l>Laͤßt ein wild Gewuͤhl von Menſchen zwiſchen Ihr und mir</l><lb/> <l>erſtehn.</l><lb/> <l>Und je naͤher dann die Sonne leuchtend an dem Himmel</l><lb/> <l>zieht,</l><lb/> <l>Weh! je ferner Sie, die Ferne, uͤber Berg' und Thale</l><lb/> <l>flieht.</l><lb/> <l>Aber wann die Sonne fliehet, mit ſich ziehend Berg und</l><lb/> <l>Thal,</l><lb/> <l>Mit ſich ziehend Fluͤſſ' und Staͤdte, und die Menſchen all-</l><lb/> <l>zumal:</l><lb/> <l>Kehret ſchon die Ferne wieder; leis vom Abendſtern bewacht,</l><lb/> <l>Schifft ſie in dem Kahn des Mondes durch das ſtille Meer</l><lb/> <l>der Nacht.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [138/0150]
Sonnenlauf.
Weh, o weh der boͤſen Sonne! ſtellt mit liebeloſem Stral
Zwiſchen mich und Sie, die Ferne, hohe Berg' und tiefe
Thal',
Bringet Doͤrfer, bringet Staͤdte, ziehet Fluͤſſe, leitet Seen,
Laͤßt ein wild Gewuͤhl von Menſchen zwiſchen Ihr und mir
erſtehn.
Und je naͤher dann die Sonne leuchtend an dem Himmel
zieht,
Weh! je ferner Sie, die Ferne, uͤber Berg' und Thale
flieht.
Aber wann die Sonne fliehet, mit ſich ziehend Berg und
Thal,
Mit ſich ziehend Fluͤſſ' und Staͤdte, und die Menſchen all-
zumal:
Kehret ſchon die Ferne wieder; leis vom Abendſtern bewacht,
Schifft ſie in dem Kahn des Mondes durch das ſtille Meer
der Nacht.
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Zitationshilfe: | Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/150>, abgerufen am 16.07.2024. |