In diesen wachen Zustand zurückgekehrt, bat die Frau aber doch immer, mit dem Gebete nur fortzufahren trotz des Wüthens des Dämons, Gott würde ihr gewiß bey- stehen. Dann zwang sie sich, sich zum Gebete auf die Kniee niederzulassen, wo sie aber, kaum ein Wort des Gebets ge- sprochen, in den kakodämonisch-magnetischen Zustand fiel, der Dämon ihr die Zunge aus dem Halse reckte, sie vom Boden aufriß und Spott und Gelächter, oder ein teuflisches Pfei- fen, statt des Gebets, aus ihrem Munde gehen ließ.
Manchmal war es durch Besprechung und Gebet dahin gekommen, daß es schien, als seye der Dämon matt gemacht und wolle nun aus ihr weichen. Sie ließ sich in solchen Momenten an's offene Fenster bringen, wo sie zum Himmel hinauf das inbrünstige Gebet an den Geist ihres verstor- benen Vaters und den ihres verstorbenen Kindes richtete. Dann erfolgte auch oft ein entsetzliches Würgen und drey- maliges heftiges Blasen, als stieße sich etwas mit Gewalt aus ihrem Munde, sie stürzte rücklings auf den Boden und blieb auf diesem eine Viertelstunde in völligem Schein- todt liegen, worauf sie erwachte, sich aber nur auf wenige Stunden scheinbar vom Dämon befreyt fühlte, welcher nach einer solchen Scene nur desto wilder und teuflischer, spottend über die Unmacht des Gebetes und des Namens, in dem es geschah, in ihr tobte. Solche Versuche waren wie Ab- treibungsversuche eines geistigen Bandwurms. Durch die magnetische Manipulation, die aber (siehe oben) verkehrt geschehen mußte, wurde sie, wie schon erwähnt, in einen halbwachen magnetischen Zustand gebracht, in welchem sie immer eine gute Stimme, wie die ihres Schutzgeistes, zur Ausdauer und zum Glauben ermahnte und ihr die Versiche- rung gab, daß das Böse endlich aus ihr weichen müsse. Dieser gute magnetische Zustand trat auch öfters von selbst, ohne vorausgegangenes Magnetisiren, bey ihr ein, beson- ders in der Nacht, wo ihr dann meistens tröstende Er- öffnungen von dieser innern Stimme gemacht wurden. Dieß war ihr guter magnetischer Zustand im Gegensatz von dem
Kerner, über Besessenseyn. 6
In dieſen wachen Zuſtand zurückgekehrt, bat die Frau aber doch immer, mit dem Gebete nur fortzufahren trotz des Wüthens des Dämons, Gott würde ihr gewiß bey- ſtehen. Dann zwang ſie ſich, ſich zum Gebete auf die Kniee niederzulaſſen, wo ſie aber, kaum ein Wort des Gebets ge- ſprochen, in den kakodämoniſch-magnetiſchen Zuſtand fiel, der Dämon ihr die Zunge aus dem Halſe reckte, ſie vom Boden aufriß und Spott und Gelächter, oder ein teufliſches Pfei- fen, ſtatt des Gebets, aus ihrem Munde gehen ließ.
Manchmal war es durch Beſprechung und Gebet dahin gekommen, daß es ſchien, als ſeye der Dämon matt gemacht und wolle nun aus ihr weichen. Sie ließ ſich in ſolchen Momenten an’s offene Fenſter bringen, wo ſie zum Himmel hinauf das inbrünſtige Gebet an den Geiſt ihres verſtor- benen Vaters und den ihres verſtorbenen Kindes richtete. Dann erfolgte auch oft ein entſetzliches Würgen und drey- maliges heftiges Blaſen, als ſtieße ſich etwas mit Gewalt aus ihrem Munde, ſie ſtürzte rücklings auf den Boden und blieb auf dieſem eine Viertelſtunde in völligem Schein- todt liegen, worauf ſie erwachte, ſich aber nur auf wenige Stunden ſcheinbar vom Dämon befreyt fühlte, welcher nach einer ſolchen Scene nur deſto wilder und teufliſcher, ſpottend über die Unmacht des Gebetes und des Namens, in dem es geſchah, in ihr tobte. Solche Verſuche waren wie Ab- treibungsverſuche eines geiſtigen Bandwurms. Durch die magnetiſche Manipulation, die aber (ſiehe oben) verkehrt geſchehen mußte, wurde ſie, wie ſchon erwähnt, in einen halbwachen magnetiſchen Zuſtand gebracht, in welchem ſie immer eine gute Stimme, wie die ihres Schutzgeiſtes, zur Ausdauer und zum Glauben ermahnte und ihr die Verſiche- rung gab, daß das Böſe endlich aus ihr weichen müſſe. Dieſer gute magnetiſche Zuſtand trat auch öfters von ſelbſt, ohne vorausgegangenes Magnetiſiren, bey ihr ein, beſon- ders in der Nacht, wo ihr dann meiſtens tröſtende Er- öffnungen von dieſer innern Stimme gemacht wurden. Dieß war ihr guter magnetiſcher Zuſtand im Gegenſatz von dem
Kerner, über Beſeſſenſeyn. 6
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In dieſen wachen Zuſtand zurückgekehrt, bat die Frau
aber doch immer, mit dem Gebete nur fortzufahren trotz
des Wüthens des Dämons, Gott würde ihr gewiß bey-
ſtehen. Dann zwang ſie ſich, ſich zum Gebete auf die Kniee
niederzulaſſen, wo ſie aber, kaum ein Wort des Gebets ge-
ſprochen, in den kakodämoniſch-magnetiſchen Zuſtand fiel, der
Dämon ihr die Zunge aus dem Halſe reckte, ſie vom Boden
aufriß und Spott und Gelächter, oder ein teufliſches Pfei-
fen, ſtatt des Gebets, aus ihrem Munde gehen ließ.
Manchmal war es durch Beſprechung und Gebet dahin
gekommen, daß es ſchien, als ſeye der Dämon matt gemacht
und wolle nun aus ihr weichen. Sie ließ ſich in ſolchen
Momenten an’s offene Fenſter bringen, wo ſie zum Himmel
hinauf das inbrünſtige Gebet an den Geiſt ihres verſtor-
benen Vaters und den ihres verſtorbenen Kindes richtete.
Dann erfolgte auch oft ein entſetzliches Würgen und drey-
maliges heftiges Blaſen, als ſtieße ſich etwas mit Gewalt
aus ihrem Munde, ſie ſtürzte rücklings auf den Boden und
blieb auf dieſem eine Viertelſtunde in völligem Schein-
todt liegen, worauf ſie erwachte, ſich aber nur auf wenige
Stunden ſcheinbar vom Dämon befreyt fühlte, welcher nach
einer ſolchen Scene nur deſto wilder und teufliſcher, ſpottend
über die Unmacht des Gebetes und des Namens, in dem
es geſchah, in ihr tobte. Solche Verſuche waren wie Ab-
treibungsverſuche eines geiſtigen Bandwurms. Durch die
magnetiſche Manipulation, die aber (ſiehe oben) verkehrt
geſchehen mußte, wurde ſie, wie ſchon erwähnt, in einen
halbwachen magnetiſchen Zuſtand gebracht, in welchem ſie
immer eine gute Stimme, wie die ihres Schutzgeiſtes, zur
Ausdauer und zum Glauben ermahnte und ihr die Verſiche-
rung gab, daß das Böſe endlich aus ihr weichen müſſe.
Dieſer gute magnetiſche Zuſtand trat auch öfters von ſelbſt,
ohne vorausgegangenes Magnetiſiren, bey ihr ein, beſon-
ders in der Nacht, wo ihr dann meiſtens tröſtende Er-
öffnungen von dieſer innern Stimme gemacht wurden. Dieß
war ihr guter magnetiſcher Zuſtand im Gegenſatz von dem
Kerner, über Beſeſſenſeyn. 6
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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/95>, abgerufen am 27.07.2024.
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