Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite


Von den Lauten oder Buchstaben.
Zittern hervorbringen, so bleiben sie gleich dabey
stehn, und froh nur einmal einen schnarrenden Ton
gefunden zu haben, und von anderen verstanden
zu werden, bekümmern sie sich nicht weiter, ob es
noch ein anderes r gibt oder nicht. Wie entsteht
aber das Schnarren? Bey diesem wird dasjenige,
was die Zunge thun sollte, durch den weichen Gau-
men verrichtet: der hintere Theil der Zunge hebt
sich fast wie zu dem K, bis er den weichen Gaumen
oder die äussere Oberfläche des Gaumensegels, das
eben die Nase verschlossen hält, sanft berührt. Wird
nun zwischen beyden die Stimme durchgedrückt, so
widersteht ihr zwar die Zunge, aber der weiche
Gaumen, der nur sanft auf die Zunge aufliegt,
weicht wechselweise bald etwas hinauf, bald her-
ab, und so entstehet ein Zittern wie bey dem wah-
ren R.(*) Auf diese Art werden die Werkzeuge

um-
(*) Amman glaubte, daß Manche das R darum
nicht gut aussprechen könnten, weil der vordere Theil
ihrer Zunge zu dick, folglich schwerer als der hintere
ist, daher sie diesen schweren Buchstaben in der Keh-
le selbst hervorbrächten. Allein es mag die Zungen-


Von den Lauten oder Buchſtaben.
Zittern hervorbringen, ſo bleiben ſie gleich dabey
ſtehn, und froh nur einmal einen ſchnarrenden Ton
gefunden zu haben, und von anderen verſtanden
zu werden, bekuͤmmern ſie ſich nicht weiter, ob es
noch ein anderes r gibt oder nicht. Wie entſteht
aber das Schnarren? Bey dieſem wird dasjenige,
was die Zunge thun ſollte, durch den weichen Gau-
men verrichtet: der hintere Theil der Zunge hebt
ſich faſt wie zu dem K, bis er den weichen Gaumen
oder die aͤuſſere Oberflaͤche des Gaumenſegels, das
eben die Naſe verſchloſſen haͤlt, ſanft beruͤhrt. Wird
nun zwiſchen beyden die Stimme durchgedruͤckt, ſo
widerſteht ihr zwar die Zunge, aber der weiche
Gaumen, der nur ſanft auf die Zunge aufliegt,
weicht wechſelweiſe bald etwas hinauf, bald her-
ab, und ſo entſtehet ein Zittern wie bey dem wah-
ren R.(*) Auf dieſe Art werden die Werkzeuge

um-
(*) Amman glaubte, daß Manche das R darum
nicht gut ausſprechen koͤnnten, weil der vordere Theil
ihrer Zunge zu dick, folglich ſchwerer als der hintere
iſt, daher ſie dieſen ſchweren Buchſtaben in der Keh-
le ſelbſt hervorbraͤchten. Allein es mag die Zungen-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0391" n="329"/><lb/>
<fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von den Lauten oder Buch&#x017F;taben</hi>.</fw><lb/>
Zittern hervorbringen, &#x017F;o bleiben &#x017F;ie gleich dabey<lb/>
&#x017F;tehn, und froh nur einmal einen &#x017F;chnarrenden Ton<lb/>
gefunden zu haben, und von anderen ver&#x017F;tanden<lb/>
zu werden, beku&#x0364;mmern &#x017F;ie &#x017F;ich nicht weiter, ob es<lb/>
noch ein anderes <hi rendition="#b">r</hi> gibt oder nicht. Wie ent&#x017F;teht<lb/>
aber das Schnarren? Bey die&#x017F;em wird dasjenige,<lb/>
was die Zunge thun &#x017F;ollte, durch den weichen Gau-<lb/>
men verrichtet: der hintere Theil der Zunge hebt<lb/>
&#x017F;ich fa&#x017F;t wie zu dem <hi rendition="#aq">K</hi>, bis er den weichen Gaumen<lb/>
oder die a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ere Oberfla&#x0364;che des Gaumen&#x017F;egels, das<lb/>
eben die Na&#x017F;e ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en ha&#x0364;lt, &#x017F;anft beru&#x0364;hrt. Wird<lb/>
nun zwi&#x017F;chen beyden die Stimme durchgedru&#x0364;ckt, &#x017F;o<lb/>
wider&#x017F;teht ihr zwar die Zunge, aber der weiche<lb/>
Gaumen, der nur &#x017F;anft auf die Zunge aufliegt,<lb/>
weicht wech&#x017F;elwei&#x017F;e bald etwas hinauf, bald her-<lb/>
ab, und &#x017F;o ent&#x017F;tehet ein Zittern wie bey dem wah-<lb/>
ren <hi rendition="#aq">R</hi>.<note xml:id="seg2pn_21_1" next="#seg2pn_21_2" place="foot" n="(*)">Amman glaubte, daß Manche das <hi rendition="#aq">R</hi> darum<lb/>
nicht gut aus&#x017F;prechen ko&#x0364;nnten, weil der vordere Theil<lb/>
ihrer Zunge zu dick, folglich &#x017F;chwerer als der hintere<lb/>
i&#x017F;t, daher &#x017F;ie die&#x017F;en &#x017F;chweren Buch&#x017F;taben in der Keh-<lb/>
le &#x017F;elb&#x017F;t hervorbra&#x0364;chten. Allein es mag die Zungen-</note> Auf die&#x017F;e Art werden die Werkzeuge<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">um-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[329/0391] Von den Lauten oder Buchſtaben. Zittern hervorbringen, ſo bleiben ſie gleich dabey ſtehn, und froh nur einmal einen ſchnarrenden Ton gefunden zu haben, und von anderen verſtanden zu werden, bekuͤmmern ſie ſich nicht weiter, ob es noch ein anderes r gibt oder nicht. Wie entſteht aber das Schnarren? Bey dieſem wird dasjenige, was die Zunge thun ſollte, durch den weichen Gau- men verrichtet: der hintere Theil der Zunge hebt ſich faſt wie zu dem K, bis er den weichen Gaumen oder die aͤuſſere Oberflaͤche des Gaumenſegels, das eben die Naſe verſchloſſen haͤlt, ſanft beruͤhrt. Wird nun zwiſchen beyden die Stimme durchgedruͤckt, ſo widerſteht ihr zwar die Zunge, aber der weiche Gaumen, der nur ſanft auf die Zunge aufliegt, weicht wechſelweiſe bald etwas hinauf, bald her- ab, und ſo entſtehet ein Zittern wie bey dem wah- ren R. (*) Auf dieſe Art werden die Werkzeuge um- (*) Amman glaubte, daß Manche das R darum nicht gut ausſprechen koͤnnten, weil der vordere Theil ihrer Zunge zu dick, folglich ſchwerer als der hintere iſt, daher ſie dieſen ſchweren Buchſtaben in der Keh- le ſelbſt hervorbraͤchten. Allein es mag die Zungen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/391
Zitationshilfe: Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/391>, abgerufen am 24.11.2024.