Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791.IV. Abtheilung. Karl. Jhr Fehler liegt in dem ersten Falle darin:Bey den Selbstlautern bleibt die Spitze der Zunge immer liegen; wenn sie nun von einem Selbstlau- ter zum L übergehen wollen, so wissen sie wohl aus der Gewohnheit, daß die Zunge an den Gau- men hinaufgebogen werden soll, allein sie begnü- gen sich nicht mit der Spitze allein, sie legen wohl die halbe Zunge über den Gaumen her, wie wenn sie D sagen wollten. Weil sie aber bey dieser La- ge kein L hören, so verbessern sie geschwinde den Fehler dadurch, daß sie die Spitze an dem Gau- men haften lassen, und den hinteren Theil der Zun- ge etwas niedersenken, und so der Stimme auf beyden Seiten den nöthigen Ausgang gestatten, welches, wie oben gezeigt ist worden, das L aus- macht. Jnzwischen hat aber schon während der D- Lage die Stimme mitgetönet und man hat Wedlt für Welt gehört. Beydes, Fehler und Verbesse- rung wird endlich so zur Gewohnheit, daß eines nie ohne das andere bleibt, und es ihnen gar nicht mehr einfällt, daß sie das L verstümmeln. Warum sie aber diesen Fehler nicht begehn, wann das L im Anfange des Wortes vorkömmt, kann wohl die Ur-
IV. Abtheilung. Karl. Jhr Fehler liegt in dem erſten Falle darin:Bey den Selbſtlautern bleibt die Spitze der Zunge immer liegen; wenn ſie nun von einem Selbſtlau- ter zum L uͤbergehen wollen, ſo wiſſen ſie wohl aus der Gewohnheit, daß die Zunge an den Gau- men hinaufgebogen werden ſoll, allein ſie begnuͤ- gen ſich nicht mit der Spitze allein, ſie legen wohl die halbe Zunge uͤber den Gaumen her, wie wenn ſie D ſagen wollten. Weil ſie aber bey dieſer La- ge kein L hoͤren, ſo verbeſſern ſie geſchwinde den Fehler dadurch, daß ſie die Spitze an dem Gau- men haften laſſen, und den hinteren Theil der Zun- ge etwas niederſenken, und ſo der Stimme auf beyden Seiten den noͤthigen Ausgang geſtatten, welches, wie oben gezeigt iſt worden, das L aus- macht. Jnzwiſchen hat aber ſchon waͤhrend der D- Lage die Stimme mitgetoͤnet und man hat Wedlt fuͤr Welt gehoͤrt. Beydes, Fehler und Verbeſſe- rung wird endlich ſo zur Gewohnheit, daß eines nie ohne das andere bleibt, und es ihnen gar nicht mehr einfaͤllt, daß ſie das L verſtuͤmmeln. Warum ſie aber dieſen Fehler nicht begehn, wann das L im Anfange des Wortes vorkoͤmmt, kann wohl die Ur-
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IV. Abtheilung.
Karl. Jhr Fehler liegt in dem erſten Falle darin:
Bey den Selbſtlautern bleibt die Spitze der Zunge
immer liegen; wenn ſie nun von einem Selbſtlau-
ter zum L uͤbergehen wollen, ſo wiſſen ſie wohl
aus der Gewohnheit, daß die Zunge an den Gau-
men hinaufgebogen werden ſoll, allein ſie begnuͤ-
gen ſich nicht mit der Spitze allein, ſie legen wohl
die halbe Zunge uͤber den Gaumen her, wie wenn
ſie D ſagen wollten. Weil ſie aber bey dieſer La-
ge kein L hoͤren, ſo verbeſſern ſie geſchwinde den
Fehler dadurch, daß ſie die Spitze an dem Gau-
men haften laſſen, und den hinteren Theil der Zun-
ge etwas niederſenken, und ſo der Stimme auf
beyden Seiten den noͤthigen Ausgang geſtatten,
welches, wie oben gezeigt iſt worden, das L aus-
macht. Jnzwiſchen hat aber ſchon waͤhrend der D-
Lage die Stimme mitgetoͤnet und man hat Wedlt
fuͤr Welt gehoͤrt. Beydes, Fehler und Verbeſſe-
rung wird endlich ſo zur Gewohnheit, daß eines
nie ohne das andere bleibt, und es ihnen gar nicht
mehr einfaͤllt, daß ſie das L verſtuͤmmeln. Warum
ſie aber dieſen Fehler nicht begehn, wann das L
im Anfange des Wortes vorkoͤmmt, kann wohl die
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