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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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lang, und alle Sorgen von mir thun, das heißt, wollen
Sie mithalten?"

"Da haben Sie recht!" lachte Lucie freundlich; "warum
sollen wir uns nicht auch einen guten Tag machen? Wir
haben's ja in uns, nicht wahr?"

"Was denn?"

"Ich meine das bischen Kinderdummheit mit den Tauben¬
flügeln, trotzdem wir so große alte Leute sind! Wissen
Sie was, wir gehen durch den Wald nach Althäusern am
Flusse hinunter; dort finden wir sogar ein leidliches
Mittagessen in der Post, wo wir die Reisenden und die
Fuhrleute betrachten können. Und eben fällt mir ein,
daß ich alsdann bei dem dortigen Schuhmacher nachsehen
kann, ob er meine Wald- und Feldschuhe für den Herbst
gemacht hat und ob sie mir passen. Der Meister Schuh¬
macher ist nämlich der Bräutigam unseres Bärbchens ge¬
worden, den man ein wenig zu Ehren ziehen muß."

Sie schlug eine der grünen Gardinen zurück und rief
hinaus: "Bärbchen, hast Du etwas auszurichten? Wir
gehen spazieren und kommen zu Deinem Schuh- und
Hochzeitmacher!"

Das angerufene Mädchen kam gelaufen, fragte zuerst,
ob es am nächsten Sonntag ausgehen dürfe, und bat
nach erhaltener Erlaubniß, dem Geliebten dies anzuzeigen
und ihm zu verdeuten, daß er zu Hause bleiben und sie
erwarten solle. Sie werde ihm auch die neuen Winter¬
strümpfe mitbringen.

lang, und alle Sorgen von mir thun, das heißt, wollen
Sie mithalten?“

„Da haben Sie recht!“ lachte Lucie freundlich; „warum
ſollen wir uns nicht auch einen guten Tag machen? Wir
haben's ja in uns, nicht wahr?“

„Was denn?“

„Ich meine das bischen Kinderdummheit mit den Tauben¬
flügeln, trotzdem wir ſo große alte Leute ſind! Wiſſen
Sie was, wir gehen durch den Wald nach Althäuſern am
Fluſſe hinunter; dort finden wir ſogar ein leidliches
Mittageſſen in der Poſt, wo wir die Reiſenden und die
Fuhrleute betrachten können. Und eben fällt mir ein,
daß ich alsdann bei dem dortigen Schuhmacher nachſehen
kann, ob er meine Wald- und Feldſchuhe für den Herbſt
gemacht hat und ob ſie mir paſſen. Der Meiſter Schuh¬
macher iſt nämlich der Bräutigam unſeres Bärbchens ge¬
worden, den man ein wenig zu Ehren ziehen muß.“

Sie ſchlug eine der grünen Gardinen zurück und rief
hinaus: „Bärbchen, haſt Du etwas auszurichten? Wir
gehen ſpazieren und kommen zu Deinem Schuh- und
Hochzeitmacher!“

Das angerufene Mädchen kam gelaufen, fragte zuerſt,
ob es am nächſten Sonntag ausgehen dürfe, und bat
nach erhaltener Erlaubniß, dem Geliebten dies anzuzeigen
und ihm zu verdeuten, daß er zu Hauſe bleiben und ſie
erwarten ſolle. Sie werde ihm auch die neuen Winter¬
ſtrümpfe mitbringen.

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[407/0417] lang, und alle Sorgen von mir thun, das heißt, wollen Sie mithalten?“ „Da haben Sie recht!“ lachte Lucie freundlich; „warum ſollen wir uns nicht auch einen guten Tag machen? Wir haben's ja in uns, nicht wahr?“ „Was denn?“ „Ich meine das bischen Kinderdummheit mit den Tauben¬ flügeln, trotzdem wir ſo große alte Leute ſind! Wiſſen Sie was, wir gehen durch den Wald nach Althäuſern am Fluſſe hinunter; dort finden wir ſogar ein leidliches Mittageſſen in der Poſt, wo wir die Reiſenden und die Fuhrleute betrachten können. Und eben fällt mir ein, daß ich alsdann bei dem dortigen Schuhmacher nachſehen kann, ob er meine Wald- und Feldſchuhe für den Herbſt gemacht hat und ob ſie mir paſſen. Der Meiſter Schuh¬ macher iſt nämlich der Bräutigam unſeres Bärbchens ge¬ worden, den man ein wenig zu Ehren ziehen muß.“ Sie ſchlug eine der grünen Gardinen zurück und rief hinaus: „Bärbchen, haſt Du etwas auszurichten? Wir gehen ſpazieren und kommen zu Deinem Schuh- und Hochzeitmacher!“ Das angerufene Mädchen kam gelaufen, fragte zuerſt, ob es am nächſten Sonntag ausgehen dürfe, und bat nach erhaltener Erlaubniß, dem Geliebten dies anzuzeigen und ihm zu verdeuten, daß er zu Hauſe bleiben und ſie erwarten ſolle. Sie werde ihm auch die neuen Winter¬ ſtrümpfe mitbringen.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/417>, abgerufen am 22.11.2024.