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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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wie ein Afrikareisender, nachdem er vor einigen Tagen
so munter ausgefahren war. An diesem Tage ging er
zwar wieder in heiterer Stimmung schlafen, nachdem er
noch einen geselligen Kreis aufgesucht und in dessen Fröh¬
lichkeit sein Wissen um Lucien als anonymen Theilnehmer
hatte mitlaufen lassen. Am nächsten Morgen aber fühlte
er sich vereinsamt und merkte, daß er angeschossen war.

Und es kam ärger; unbekannte Nöthen fingen an, sich
in seinem Herzen zu regen, daß er widerwillig die Natur
dieses Muskels von Neuem untersuchen, und als hierbei
nichts herauskam, sich gewöhnen mußte, in angestrengter
Arbeit die Störungen zu vergessen, wenn er nicht einem
unwürdigen Zustande der Träumerei verfallen wollte.
Dennoch wiederholte er den Besuch auf dem Landgute
zunächst nicht, um durch das Getrenntsein den Ernst der
Lage gründlicher zu erforschen und klar zu stellen. Nur
ein par Briefe schrieb er ohne jede unbescheidene An¬
spielung und erhielt eben solche Antworten. Desto froher
machte ihn ein unerwarteter Brief seiner Mutter Else
oder Hildeburg, welche ihm im Laufe des Sommers
schrieb, daß der Oberst und seine schöne Nichte auf einer
Reise bei ihnen vorgesprochen hätten, und wie das eine
erquickliche Geschichte und ein fröhlicher Tag gewesen, wie
ferner für den Herbst ein Gegenbesuch verabredet sei.
Die Lucie sei eine ernsthafte und kluge Person mit dem
Gemüth eines Kindes, und der Papa Reinhart, der den
Leuten sonst so kurze Zettel zukommen lasse, schreibe ihr

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wie ein Afrikareiſender, nachdem er vor einigen Tagen
ſo munter ausgefahren war. An dieſem Tage ging er
zwar wieder in heiterer Stimmung ſchlafen, nachdem er
noch einen geſelligen Kreis aufgeſucht und in deſſen Fröh¬
lichkeit ſein Wiſſen um Lucien als anonymen Theilnehmer
hatte mitlaufen laſſen. Am nächſten Morgen aber fühlte
er ſich vereinſamt und merkte, daß er angeſchoſſen war.

Und es kam ärger; unbekannte Nöthen fingen an, ſich
in ſeinem Herzen zu regen, daß er widerwillig die Natur
dieſes Muskels von Neuem unterſuchen, und als hierbei
nichts herauskam, ſich gewöhnen mußte, in angeſtrengter
Arbeit die Störungen zu vergeſſen, wenn er nicht einem
unwürdigen Zuſtande der Träumerei verfallen wollte.
Dennoch wiederholte er den Beſuch auf dem Landgute
zunächſt nicht, um durch das Getrenntſein den Ernſt der
Lage gründlicher zu erforſchen und klar zu ſtellen. Nur
ein par Briefe ſchrieb er ohne jede unbeſcheidene An¬
ſpielung und erhielt eben ſolche Antworten. Deſto froher
machte ihn ein unerwarteter Brief ſeiner Mutter Elſe
oder Hildeburg, welche ihm im Laufe des Sommers
ſchrieb, daß der Oberſt und ſeine ſchöne Nichte auf einer
Reiſe bei ihnen vorgeſprochen hätten, und wie das eine
erquickliche Geſchichte und ein fröhlicher Tag geweſen, wie
ferner für den Herbſt ein Gegenbeſuch verabredet ſei.
Die Lucie ſei eine ernſthafte und kluge Perſon mit dem
Gemüth eines Kindes, und der Papa Reinhart, der den
Leuten ſonſt ſo kurze Zettel zukommen laſſe, ſchreibe ihr

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[371/0381] wie ein Afrikareiſender, nachdem er vor einigen Tagen ſo munter ausgefahren war. An dieſem Tage ging er zwar wieder in heiterer Stimmung ſchlafen, nachdem er noch einen geſelligen Kreis aufgeſucht und in deſſen Fröh¬ lichkeit ſein Wiſſen um Lucien als anonymen Theilnehmer hatte mitlaufen laſſen. Am nächſten Morgen aber fühlte er ſich vereinſamt und merkte, daß er angeſchoſſen war. Und es kam ärger; unbekannte Nöthen fingen an, ſich in ſeinem Herzen zu regen, daß er widerwillig die Natur dieſes Muskels von Neuem unterſuchen, und als hierbei nichts herauskam, ſich gewöhnen mußte, in angeſtrengter Arbeit die Störungen zu vergeſſen, wenn er nicht einem unwürdigen Zuſtande der Träumerei verfallen wollte. Dennoch wiederholte er den Beſuch auf dem Landgute zunächſt nicht, um durch das Getrenntſein den Ernſt der Lage gründlicher zu erforſchen und klar zu ſtellen. Nur ein par Briefe ſchrieb er ohne jede unbeſcheidene An¬ ſpielung und erhielt eben ſolche Antworten. Deſto froher machte ihn ein unerwarteter Brief ſeiner Mutter Elſe oder Hildeburg, welche ihm im Laufe des Sommers ſchrieb, daß der Oberſt und ſeine ſchöne Nichte auf einer Reiſe bei ihnen vorgeſprochen hätten, und wie das eine erquickliche Geſchichte und ein fröhlicher Tag geweſen, wie ferner für den Herbſt ein Gegenbeſuch verabredet ſei. Die Lucie ſei eine ernſthafte und kluge Perſon mit dem Gemüth eines Kindes, und der Papa Reinhart, der den Leuten ſonſt ſo kurze Zettel zukommen laſſe, ſchreibe ihr 24*

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/381>, abgerufen am 22.11.2024.