nun vollzogen und Zambo mit dem Namen Maria getauft wurde. Sie ließ alles mit sanfter Ergebung über sich ergehen ohne den Mund zu verziehen; erst als die Taufe vorüber war und sie an den Altar geführt wurde, um sich noch besonders der großen Namenspatronin vorzu¬ stellen und das Knie vor ihr zu beugen, richtete sie das Auge schüchtern auf das hölzerne Marienbild, welches nach Vertreibung der ketzerischen Holländer in neuem Glanze aufgerichtet war, die Krone frisch vergoldet, das Gesicht so stark gefirnißt, daß es glänzte wie ein Spiegel und die linke Wange wirklich das daran gedrückte Näschen des Christusbildes abspiegelte. Weil die Wange aber rundlich gewölbt war, so erschien das Näslein darin so groß, daß die Zambo-Maria vermeinte, es wohne ein Mann in der durchsichtigen Frau, der seine Nase heraus¬ strecke, und da sie überhaupt noch nie ein derartiges Bildwerk gesehen, so hielt sie es für einen lebendigen Zauber und fing sich gewaltig an zu fürchten. Zitternd raffte sie sich auf und suchte zu entfliehen. Sie fand aber wegen der vielen Umstehenden keinen Ausweg und flüchtete an die Seite des Don Correa, in welchem sie ihren Beschützer sah, und deutete mit der Hand nach dem leuchtenden goldenen Weiblein, in welchem ein Geist stecke, der größer sei als es selbst. Alles drängte sich herzu, um zu sehen und zu hören, was sich mit der neuen Christin begebe, und man suchte sich gegenseitig verständlich zu machen, was sie gesagt habe.
nun vollzogen und Zambo mit dem Namen Maria getauft wurde. Sie ließ alles mit ſanfter Ergebung über ſich ergehen ohne den Mund zu verziehen; erſt als die Taufe vorüber war und ſie an den Altar geführt wurde, um ſich noch beſonders der großen Namenspatronin vorzu¬ ſtellen und das Knie vor ihr zu beugen, richtete ſie das Auge ſchüchtern auf das hölzerne Marienbild, welches nach Vertreibung der ketzeriſchen Holländer in neuem Glanze aufgerichtet war, die Krone friſch vergoldet, das Geſicht ſo ſtark gefirnißt, daß es glänzte wie ein Spiegel und die linke Wange wirklich das daran gedrückte Näschen des Chriſtusbildes abſpiegelte. Weil die Wange aber rundlich gewölbt war, ſo erſchien das Näslein darin ſo groß, daß die Zambo-Maria vermeinte, es wohne ein Mann in der durchſichtigen Frau, der ſeine Naſe heraus¬ ſtrecke, und da ſie überhaupt noch nie ein derartiges Bildwerk geſehen, ſo hielt ſie es für einen lebendigen Zauber und fing ſich gewaltig an zu fürchten. Zitternd raffte ſie ſich auf und ſuchte zu entfliehen. Sie fand aber wegen der vielen Umſtehenden keinen Ausweg und flüchtete an die Seite des Don Correa, in welchem ſie ihren Beſchützer ſah, und deutete mit der Hand nach dem leuchtenden goldenen Weiblein, in welchem ein Geiſt ſtecke, der größer ſei als es ſelbſt. Alles drängte ſich herzu, um zu ſehen und zu hören, was ſich mit der neuen Chriſtin begebe, und man ſuchte ſich gegenſeitig verſtändlich zu machen, was ſie geſagt habe.
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nun vollzogen und Zambo mit dem Namen Maria getauft
wurde. Sie ließ alles mit ſanfter Ergebung über ſich
ergehen ohne den Mund zu verziehen; erſt als die Taufe
vorüber war und ſie an den Altar geführt wurde, um
ſich noch beſonders der großen Namenspatronin vorzu¬
ſtellen und das Knie vor ihr zu beugen, richtete ſie das
Auge ſchüchtern auf das hölzerne Marienbild, welches
nach Vertreibung der ketzeriſchen Holländer in neuem
Glanze aufgerichtet war, die Krone friſch vergoldet, das
Geſicht ſo ſtark gefirnißt, daß es glänzte wie ein Spiegel
und die linke Wange wirklich das daran gedrückte Näschen
des Chriſtusbildes abſpiegelte. Weil die Wange aber
rundlich gewölbt war, ſo erſchien das Näslein darin ſo
groß, daß die Zambo-Maria vermeinte, es wohne ein
Mann in der durchſichtigen Frau, der ſeine Naſe heraus¬
ſtrecke, und da ſie überhaupt noch nie ein derartiges
Bildwerk geſehen, ſo hielt ſie es für einen lebendigen
Zauber und fing ſich gewaltig an zu fürchten. Zitternd
raffte ſie ſich auf und ſuchte zu entfliehen. Sie fand
aber wegen der vielen Umſtehenden keinen Ausweg und
flüchtete an die Seite des Don Correa, in welchem ſie
ihren Beſchützer ſah, und deutete mit der Hand nach dem
leuchtenden goldenen Weiblein, in welchem ein Geiſt ſtecke,
der größer ſei als es ſelbſt. Alles drängte ſich herzu,
um zu ſehen und zu hören, was ſich mit der neuen
Chriſtin begebe, und man ſuchte ſich gegenſeitig verſtändlich
zu machen, was ſie geſagt habe.
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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/326>, abgerufen am 22.11.2024.
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