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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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sei ihm sehr wenig bewußt und das katermäßige Miaulen
an allen Straßenecken höchst widerwärtig gewesen. Nur
der Mantel, den er mit der linken Hand vorgehalten,
habe den Stoß des ergrimmten Lautenkratzers abschwächen
können. Dessen ungeachtet habe er noch ziemlich geblutet.

Ob er jetzo wirklich ernsthaft zu lieben verstehe? fragte
Feniza Mayor und küßte ihn, eh' er zu antworten ver¬
mochte.

So ging es den einen wie den andern Tag, bis die
sonst so gemessene und stolze Dame von Cercal gänzlich
bethört und in Leidenschaft verloren war, und Don Correa
fand weder Zeit noch Gedanken, über das Wunder sich zu
verwundern, da er selbst in hitziger Verliebtheit gefangen
saß; kurz es war nicht zu ergründen, welches von Beiden
das Andere in so kurzer Zeit verführt und verwandelt
habe. Da blieb es denn, weil nichts sie hinderte, nicht
aus, daß sie sich zusammen verlobten und die Hochzeit
vorbereiteten, die in aller Eile vor sich gehen sollte.

Donna Mayor fragte kaum, woher er stamme und
gab sich mit dem Märchen zufrieden, das er ihr aufband,
in der Meinung, eines Tages als der vor sie hinzutreten,
der er war. Um so unbefangener gab er sich jetzt dem
Vergnügen hin, von ihrem Liebeseifer sich kleiden, speisen
und tränken und liebkosen zu sehen, da er hieraus die
Ueberzeugung schöpfte, daß er so viel Gunst nur sich
allein verdanke.

Die Hochzeit wurde im Palaste der kleinen Stadt

ſei ihm ſehr wenig bewußt und das katermäßige Miaulen
an allen Straßenecken höchſt widerwärtig geweſen. Nur
der Mantel, den er mit der linken Hand vorgehalten,
habe den Stoß des ergrimmten Lautenkratzers abſchwächen
können. Deſſen ungeachtet habe er noch ziemlich geblutet.

Ob er jetzo wirklich ernſthaft zu lieben verſtehe? fragte
Feniza Mayor und küßte ihn, eh' er zu antworten ver¬
mochte.

So ging es den einen wie den andern Tag, bis die
ſonſt ſo gemeſſene und ſtolze Dame von Cercal gänzlich
bethört und in Leidenſchaft verloren war, und Don Correa
fand weder Zeit noch Gedanken, über das Wunder ſich zu
verwundern, da er ſelbſt in hitziger Verliebtheit gefangen
ſaß; kurz es war nicht zu ergründen, welches von Beiden
das Andere in ſo kurzer Zeit verführt und verwandelt
habe. Da blieb es denn, weil nichts ſie hinderte, nicht
aus, daß ſie ſich zuſammen verlobten und die Hochzeit
vorbereiteten, die in aller Eile vor ſich gehen ſollte.

Donna Mayor fragte kaum, woher er ſtamme und
gab ſich mit dem Märchen zufrieden, das er ihr aufband,
in der Meinung, eines Tages als der vor ſie hinzutreten,
der er war. Um ſo unbefangener gab er ſich jetzt dem
Vergnügen hin, von ihrem Liebeseifer ſich kleiden, ſpeiſen
und tränken und liebkoſen zu ſehen, da er hieraus die
Ueberzeugung ſchöpfte, daß er ſo viel Gunſt nur ſich
allein verdanke.

Die Hochzeit wurde im Palaſte der kleinen Stadt

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[280/0290] ſei ihm ſehr wenig bewußt und das katermäßige Miaulen an allen Straßenecken höchſt widerwärtig geweſen. Nur der Mantel, den er mit der linken Hand vorgehalten, habe den Stoß des ergrimmten Lautenkratzers abſchwächen können. Deſſen ungeachtet habe er noch ziemlich geblutet. Ob er jetzo wirklich ernſthaft zu lieben verſtehe? fragte Feniza Mayor und küßte ihn, eh' er zu antworten ver¬ mochte. So ging es den einen wie den andern Tag, bis die ſonſt ſo gemeſſene und ſtolze Dame von Cercal gänzlich bethört und in Leidenſchaft verloren war, und Don Correa fand weder Zeit noch Gedanken, über das Wunder ſich zu verwundern, da er ſelbſt in hitziger Verliebtheit gefangen ſaß; kurz es war nicht zu ergründen, welches von Beiden das Andere in ſo kurzer Zeit verführt und verwandelt habe. Da blieb es denn, weil nichts ſie hinderte, nicht aus, daß ſie ſich zuſammen verlobten und die Hochzeit vorbereiteten, die in aller Eile vor ſich gehen ſollte. Donna Mayor fragte kaum, woher er ſtamme und gab ſich mit dem Märchen zufrieden, das er ihr aufband, in der Meinung, eines Tages als der vor ſie hinzutreten, der er war. Um ſo unbefangener gab er ſich jetzt dem Vergnügen hin, von ihrem Liebeseifer ſich kleiden, ſpeiſen und tränken und liebkoſen zu ſehen, da er hieraus die Ueberzeugung ſchöpfte, daß er ſo viel Gunſt nur ſich allein verdanke. Die Hochzeit wurde im Palaſte der kleinen Stadt

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/290>, abgerufen am 25.11.2024.