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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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bund klirren und den Schlüssel des Gespenstes umdrehen
und ausziehen gehört hatte. Ich machte die Klappe auf
und sah die Schublädchen, zog eines nach dem anderen
auf, aber alle waren leer, kein Radirmesser und nichts.
Auch das geheime Fach fand sich mit seinem Schlüsselchen,
es war auch leer, und ich hatte doch das Packet und die
Papiere gesehen.

Es blieb also nur noch die Umgebung des Bettes zu
untersuchen. Dasselbe stand mit dem Kopfende eine gute
Spanne von der Wand entfernt, so daß zwischen der
Gardine und der Wand allerdings Jemand, der nicht zu
dick war, sich mit Noth dort durchwinden konnte. Als
ich jedoch die schwere Bettstelle mit Mühe etwas weg¬
gerückt hatte, fand ich ringsum nichts als das gleiche
Holzgetäfel, wie es überall die Wände und auch die Decke
bekleidete. Von einer Ursache des Knalles konnte ich
auch nirgends eine Spur entdecken.

Desto ernster erneuerte sich der Eindruck des Gesehenen;
die schnurrige und widerwärtige Seite des Spukes trat
zurück vor der Ahnung der endlosen Unruhe einer Seelen¬
substanz, für die sich, wenn dies Landhaus einst lange
vom Erdboden verschwunden sein wird, dasselbe stets
wieder aufbaut mit dem alten Zimmer und der Commode,
in welcher die verbrecherischen Papiere liegen, sowie auch
der Schlüsselbund und das Radirmesser immer vorhanden,
obschon sie vom Roste längst aufgelöst sind. Ich grübelte
über diese furchtbare Existenz und Fortdauer in der

bund klirren und den Schlüſſel des Geſpenſtes umdrehen
und ausziehen gehört hatte. Ich machte die Klappe auf
und ſah die Schublädchen, zog eines nach dem anderen
auf, aber alle waren leer, kein Radirmeſſer und nichts.
Auch das geheime Fach fand ſich mit ſeinem Schlüſſelchen,
es war auch leer, und ich hatte doch das Packet und die
Papiere geſehen.

Es blieb alſo nur noch die Umgebung des Bettes zu
unterſuchen. Daſſelbe ſtand mit dem Kopfende eine gute
Spanne von der Wand entfernt, ſo daß zwiſchen der
Gardine und der Wand allerdings Jemand, der nicht zu
dick war, ſich mit Noth dort durchwinden konnte. Als
ich jedoch die ſchwere Bettſtelle mit Mühe etwas weg¬
gerückt hatte, fand ich ringsum nichts als das gleiche
Holzgetäfel, wie es überall die Wände und auch die Decke
bekleidete. Von einer Urſache des Knalles konnte ich
auch nirgends eine Spur entdecken.

Deſto ernſter erneuerte ſich der Eindruck des Geſehenen;
die ſchnurrige und widerwärtige Seite des Spukes trat
zurück vor der Ahnung der endloſen Unruhe einer Seelen¬
ſubſtanz, für die ſich, wenn dies Landhaus einſt lange
vom Erdboden verſchwunden ſein wird, daſſelbe ſtets
wieder aufbaut mit dem alten Zimmer und der Commode,
in welcher die verbrecheriſchen Papiere liegen, ſowie auch
der Schlüſſelbund und das Radirmeſſer immer vorhanden,
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[247/0257] bund klirren und den Schlüſſel des Geſpenſtes umdrehen und ausziehen gehört hatte. Ich machte die Klappe auf und ſah die Schublädchen, zog eines nach dem anderen auf, aber alle waren leer, kein Radirmeſſer und nichts. Auch das geheime Fach fand ſich mit ſeinem Schlüſſelchen, es war auch leer, und ich hatte doch das Packet und die Papiere geſehen. Es blieb alſo nur noch die Umgebung des Bettes zu unterſuchen. Daſſelbe ſtand mit dem Kopfende eine gute Spanne von der Wand entfernt, ſo daß zwiſchen der Gardine und der Wand allerdings Jemand, der nicht zu dick war, ſich mit Noth dort durchwinden konnte. Als ich jedoch die ſchwere Bettſtelle mit Mühe etwas weg¬ gerückt hatte, fand ich ringsum nichts als das gleiche Holzgetäfel, wie es überall die Wände und auch die Decke bekleidete. Von einer Urſache des Knalles konnte ich auch nirgends eine Spur entdecken. Deſto ernſter erneuerte ſich der Eindruck des Geſehenen; die ſchnurrige und widerwärtige Seite des Spukes trat zurück vor der Ahnung der endloſen Unruhe einer Seelen¬ ſubſtanz, für die ſich, wenn dies Landhaus einſt lange vom Erdboden verſchwunden ſein wird, daſſelbe ſtets wieder aufbaut mit dem alten Zimmer und der Commode, in welcher die verbrecheriſchen Papiere liegen, ſowie auch der Schlüſſelbund und das Radirmeſſer immer vorhanden, obſchon ſie vom Roſte längſt aufgelöſt ſind. Ich grübelte über dieſe furchtbare Exiſtenz und Fortdauer in der

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/257>, abgerufen am 22.11.2024.