und weiche Polsterstühle im Ueberfluß; prächtige Vor¬ hänge bekleideten die Fenster, und sogar an den Wänden drängte sich eine Bilderwaare von Gemälden, Kupfer¬ stichen und allem Möglichen zusammen, wie wenn der Wandschmuck eines weitläufigen Hauses da zur Auction aufgestapelt worden wäre. Erschien der Raum der sonst ziemlich großen Zimmer hiedurch beengt, so wurde der Umstand noch bedenklicher durch einige Eckgestelle, auf deren schwank aufgethürmten Stockwerken eine Menge be¬ malten oder vergoldeten Porzellanes und unendlich dünner Glassachen stand und zitterte wie Espenlaub, wenn ein fester Tritt über die Teppiche ging. An allen diesen Zerbrechlichkeiten war das gleiche Wappen gemalt oder eingeschliffen, welches auch auf der Karte an der Eingangs¬ thüre prangte über dem Namen der Baronin Hedwig von Lohausen. Als er später schlafen ging, bemerkte Brandolf, daß die Freiherrenkrone nicht minder auf die Leinwand des prachtvollen Bettes gestickt war, welches das Eine der beiden Hauptstücke einer ehemaligen Braut¬ aussteuer zu sein schien. Alles aber, trotz der durch die drei Zimmer herrschenden Fülle, war in tadellosem Stande gehalten und nirgends ein Stäubchen zu erblicken, und Brandolf wunderte sich nur, ob der Miether für sein theures Geld eigentlich zum Hüter der Herrlichkeit bestellt sei und ihm ehestens ein Reinigungswerkzeug mit Staub¬ lappen und Flederwisch anvertraut werde? Denn wenn jemand anders die Arbeit besorgte, so mußte ja fast den
und weiche Polſterſtühle im Ueberfluß; prächtige Vor¬ hänge bekleideten die Fenſter, und ſogar an den Wänden drängte ſich eine Bilderwaare von Gemälden, Kupfer¬ ſtichen und allem Möglichen zuſammen, wie wenn der Wandſchmuck eines weitläufigen Hauſes da zur Auction aufgeſtapelt worden wäre. Erſchien der Raum der ſonſt ziemlich großen Zimmer hiedurch beengt, ſo wurde der Umſtand noch bedenklicher durch einige Eckgeſtelle, auf deren ſchwank aufgethürmten Stockwerken eine Menge be¬ malten oder vergoldeten Porzellanes und unendlich dünner Glasſachen ſtand und zitterte wie Eſpenlaub, wenn ein feſter Tritt über die Teppiche ging. An allen dieſen Zerbrechlichkeiten war das gleiche Wappen gemalt oder eingeſchliffen, welches auch auf der Karte an der Eingangs¬ thüre prangte über dem Namen der Baronin Hedwig von Lohauſen. Als er ſpäter ſchlafen ging, bemerkte Brandolf, daß die Freiherrenkrone nicht minder auf die Leinwand des prachtvollen Bettes geſtickt war, welches das Eine der beiden Hauptſtücke einer ehemaligen Braut¬ ausſteuer zu ſein ſchien. Alles aber, trotz der durch die drei Zimmer herrſchenden Fülle, war in tadelloſem Stande gehalten und nirgends ein Stäubchen zu erblicken, und Brandolf wunderte ſich nur, ob der Miether für ſein theures Geld eigentlich zum Hüter der Herrlichkeit beſtellt ſei und ihm eheſtens ein Reinigungswerkzeug mit Staub¬ lappen und Flederwiſch anvertraut werde? Denn wenn jemand anders die Arbeit beſorgte, ſo mußte ja faſt den
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und weiche Polſterſtühle im Ueberfluß; prächtige Vor¬
hänge bekleideten die Fenſter, und ſogar an den Wänden
drängte ſich eine Bilderwaare von Gemälden, Kupfer¬
ſtichen und allem Möglichen zuſammen, wie wenn der
Wandſchmuck eines weitläufigen Hauſes da zur Auction
aufgeſtapelt worden wäre. Erſchien der Raum der ſonſt
ziemlich großen Zimmer hiedurch beengt, ſo wurde der
Umſtand noch bedenklicher durch einige Eckgeſtelle, auf
deren ſchwank aufgethürmten Stockwerken eine Menge be¬
malten oder vergoldeten Porzellanes und unendlich dünner
Glasſachen ſtand und zitterte wie Eſpenlaub, wenn ein
feſter Tritt über die Teppiche ging. An allen dieſen
Zerbrechlichkeiten war das gleiche Wappen gemalt oder
eingeſchliffen, welches auch auf der Karte an der Eingangs¬
thüre prangte über dem Namen der Baronin Hedwig
von Lohauſen. Als er ſpäter ſchlafen ging, bemerkte
Brandolf, daß die Freiherrenkrone nicht minder auf die
Leinwand des prachtvollen Bettes geſtickt war, welches
das Eine der beiden Hauptſtücke einer ehemaligen Braut¬
ausſteuer zu ſein ſchien. Alles aber, trotz der durch die
drei Zimmer herrſchenden Fülle, war in tadelloſem Stande
gehalten und nirgends ein Stäubchen zu erblicken, und
Brandolf wunderte ſich nur, ob der Miether für ſein
theures Geld eigentlich zum Hüter der Herrlichkeit beſtellt
ſei und ihm eheſtens ein Reinigungswerkzeug mit Staub¬
lappen und Flederwiſch anvertraut werde? Denn wenn
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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/176>, abgerufen am 24.11.2024.
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