solcher durchsichtigen Bauwerke zu beleuchten. Schon viele Tage stand Reinhart vor der Maschine, guckte durch eine Röhre, den Rechenstift in der Hand, und schrieb Zahlen auf Zahlen.
Als die Sonne einige Spannen hoch gestiegen, ver¬ schloß er wieder die Fenster vor der schönen Welt mit Allem, was draußen lebte und webte, und ließ nur einen einzigen Lichtstrahl in den verdunkelten Raum, durch ein kleines Löchlein, das er in den Laden gebohrt hatte. Als dieser Strahl sorgfältig auf die Tortur gespannt war, wollte Reinhart ungesäumt sein Tagewerk beginnen, nahm Papier und Bleistift zur Hand und guckte hinein, um da fortzufahren, wo er gestern stehen geblieben.
Da fühlte er einen leise stechenden Schmerz im Auge; er rieb es mit der Fingerspitze und schaute mit dem andern durch das Rohr, und auch dieses schmerzte; denn er hatte allbereits angefangen, durch das anhaltende Treiben sich die Augen zu verderben, namentlich aber durch den unaufhörlichen Wechsel zwischen dem erleuchteten Kristall und der Dunkelheit, wenn er in dieser seine Zahlen schrieb.
Das merkte er jetzt und fuhr bedenklich zurück; wenn die Augen krank wurden, so war es aus mit allen sinn¬ lichen Forschungen, und Reinhart sah sich dann auf be¬ schauliches Nachdenken über das zurückgeführt, was er bis¬ lang gesehen. Er setzte sich betroffen in einen weichen
ſolcher durchſichtigen Bauwerke zu beleuchten. Schon viele Tage ſtand Reinhart vor der Maſchine, guckte durch eine Röhre, den Rechenſtift in der Hand, und ſchrieb Zahlen auf Zahlen.
Als die Sonne einige Spannen hoch geſtiegen, ver¬ ſchloß er wieder die Fenſter vor der ſchönen Welt mit Allem, was draußen lebte und webte, und ließ nur einen einzigen Lichtſtrahl in den verdunkelten Raum, durch ein kleines Löchlein, das er in den Laden gebohrt hatte. Als dieſer Strahl ſorgfältig auf die Tortur geſpannt war, wollte Reinhart ungeſäumt ſein Tagewerk beginnen, nahm Papier und Bleiſtift zur Hand und guckte hinein, um da fortzufahren, wo er geſtern ſtehen geblieben.
Da fühlte er einen leiſe ſtechenden Schmerz im Auge; er rieb es mit der Fingerſpitze und ſchaute mit dem andern durch das Rohr, und auch dieſes ſchmerzte; denn er hatte allbereits angefangen, durch das anhaltende Treiben ſich die Augen zu verderben, namentlich aber durch den unaufhörlichen Wechſel zwiſchen dem erleuchteten Kriſtall und der Dunkelheit, wenn er in dieſer ſeine Zahlen ſchrieb.
Das merkte er jetzt und fuhr bedenklich zurück; wenn die Augen krank wurden, ſo war es aus mit allen ſinn¬ lichen Forſchungen, und Reinhart ſah ſich dann auf be¬ ſchauliches Nachdenken über das zurückgeführt, was er bis¬ lang geſehen. Er ſetzte ſich betroffen in einen weichen
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[5/0015]
ſolcher durchſichtigen Bauwerke zu beleuchten. Schon viele
Tage ſtand Reinhart vor der Maſchine, guckte durch eine
Röhre, den Rechenſtift in der Hand, und ſchrieb Zahlen
auf Zahlen.
Als die Sonne einige Spannen hoch geſtiegen, ver¬
ſchloß er wieder die Fenſter vor der ſchönen Welt mit
Allem, was draußen lebte und webte, und ließ nur einen
einzigen Lichtſtrahl in den verdunkelten Raum, durch ein
kleines Löchlein, das er in den Laden gebohrt hatte.
Als dieſer Strahl ſorgfältig auf die Tortur geſpannt war,
wollte Reinhart ungeſäumt ſein Tagewerk beginnen, nahm
Papier und Bleiſtift zur Hand und guckte hinein, um da
fortzufahren, wo er geſtern ſtehen geblieben.
Da fühlte er einen leiſe ſtechenden Schmerz im Auge;
er rieb es mit der Fingerſpitze und ſchaute mit dem andern
durch das Rohr, und auch dieſes ſchmerzte; denn er hatte
allbereits angefangen, durch das anhaltende Treiben ſich
die Augen zu verderben, namentlich aber durch den
unaufhörlichen Wechſel zwiſchen dem erleuchteten Kriſtall
und der Dunkelheit, wenn er in dieſer ſeine Zahlen
ſchrieb.
Das merkte er jetzt und fuhr bedenklich zurück; wenn
die Augen krank wurden, ſo war es aus mit allen ſinn¬
lichen Forſchungen, und Reinhart ſah ſich dann auf be¬
ſchauliches Nachdenken über das zurückgeführt, was er bis¬
lang geſehen. Er ſetzte ſich betroffen in einen weichen
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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/15>, abgerufen am 22.11.2024.
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