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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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und in möglichster Menge, so daß in dem grü¬
nen Schatten der Bäume es ordentlich leuchtete
von großen purpurrothen und weißen Blumen.
Wenn es nun im Dienste nichts mehr zu thun
gab, so mußte ich als ein militärischer zuver¬
lässiger Vertrauensmann diese Gärten in Ordnung
halten, oder um darüber nicht etwa zu verweich¬
lichen, mit dem Oberst auf die Jagd gehen, und
ich wurde darüber zu einem gewandten Jäger;
denn gleich hinter dem Thale begann eine wilde
unfruchtbare Landschaft, welche zuletzt gänzlich
in eine Gebirgswildniß verlief, die nicht nur
Schwärme und Schaaren unschuldigeren Gewil¬
des, sondern auch von Zeit zu Zeit reißende
Thiere, besonders große Tiger beherbergte. Wenn
ein solcher sich spüren ließ, so gab es einen gro¬
ßen Auszug gegen ihn, und ich lernte bei diesen
Gelegenheiten die Gefahr lange kennen, ehe ich
in das Gefecht mit Menschen kam. War aber
weiter gar nichts zu thun, so mußte ich mit dem
alten Herrn Schach spielen und dadurch seine
Tochter Lydia ersetzen, welche, da sie gar keinen
Sinn und kein Geschick dazu besaß und ganz
kindisch spielte, ihm zu wenig Vergnügen verschaffte.

und in möglichſter Menge, ſo daß in dem grü¬
nen Schatten der Bäume es ordentlich leuchtete
von großen purpurrothen und weißen Blumen.
Wenn es nun im Dienſte nichts mehr zu thun
gab, ſo mußte ich als ein militäriſcher zuver¬
läſſiger Vertrauensmann dieſe Gärten in Ordnung
halten, oder um darüber nicht etwa zu verweich¬
lichen, mit dem Oberſt auf die Jagd gehen, und
ich wurde darüber zu einem gewandten Jäger;
denn gleich hinter dem Thale begann eine wilde
unfruchtbare Landſchaft, welche zuletzt gänzlich
in eine Gebirgswildniß verlief, die nicht nur
Schwärme und Schaaren unſchuldigeren Gewil¬
des, ſondern auch von Zeit zu Zeit reißende
Thiere, beſonders große Tiger beherbergte. Wenn
ein ſolcher ſich ſpüren ließ, ſo gab es einen gro¬
ßen Auszug gegen ihn, und ich lernte bei dieſen
Gelegenheiten die Gefahr lange kennen, ehe ich
in das Gefecht mit Menſchen kam. War aber
weiter gar nichts zu thun, ſo mußte ich mit dem
alten Herrn Schach ſpielen und dadurch ſeine
Tochter Lydia erſetzen, welche, da ſie gar keinen
Sinn und kein Geſchick dazu beſaß und ganz
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[47/0059] und in möglichſter Menge, ſo daß in dem grü¬ nen Schatten der Bäume es ordentlich leuchtete von großen purpurrothen und weißen Blumen. Wenn es nun im Dienſte nichts mehr zu thun gab, ſo mußte ich als ein militäriſcher zuver¬ läſſiger Vertrauensmann dieſe Gärten in Ordnung halten, oder um darüber nicht etwa zu verweich¬ lichen, mit dem Oberſt auf die Jagd gehen, und ich wurde darüber zu einem gewandten Jäger; denn gleich hinter dem Thale begann eine wilde unfruchtbare Landſchaft, welche zuletzt gänzlich in eine Gebirgswildniß verlief, die nicht nur Schwärme und Schaaren unſchuldigeren Gewil¬ des, ſondern auch von Zeit zu Zeit reißende Thiere, beſonders große Tiger beherbergte. Wenn ein ſolcher ſich ſpüren ließ, ſo gab es einen gro¬ ßen Auszug gegen ihn, und ich lernte bei dieſen Gelegenheiten die Gefahr lange kennen, ehe ich in das Gefecht mit Menſchen kam. War aber weiter gar nichts zu thun, ſo mußte ich mit dem alten Herrn Schach ſpielen und dadurch ſeine Tochter Lydia erſetzen, welche, da ſie gar keinen Sinn und kein Geſchick dazu beſaß und ganz kindiſch ſpielte, ihm zu wenig Vergnügen verſchaffte.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/59>, abgerufen am 22.11.2024.