nahm mir vor, sobald als thunlich selber heim¬ zukehren und meine erworbene Arbeitsfähigkeit und feste Lebensart in der Heimath zu verwenden. Denn ich gedachte damit etwas Besseres nach Seldwyla zu bringen, als wenn ich eine Million dahin brächte, und malte mir schon aus, wie ich die Haselanten und Fischesser da anfahren wollte, wenn sie mir über den Weg liefen."
"Doch damit hatte es noch gute Wege und ich sollte erst noch solche Dinge erfahren und so in meinem Wesen verändert und aufgerüttelt wer¬ den, daß mir die Lust verging, andere Leute anfah¬ ren zu wollen. Der Kommandeur hatte mich gänzlich zu seinem Factotum gemacht und ich mußte fast die ganze Zeit bei ihm zubringen. Es war ein seltsamer Mann von etwa fünfzig Jahren, dessen Gattin in Irland lebte auf einem alten Thurm, da sie wo möglich noch wunder¬ licher sein mußte, als er; so lange sie zusammen¬ gelebt, hatten sie sich fortwährend angeknurrt, wie zwei wilde Katzen, und sie litten Beide an der fixen Idee, daß sie sich gegenseitig in einander getäuscht hätten, obwohl Niemand besser für ein¬ ander geschaffen war. Auch waren sie gesund
nahm mir vor, ſobald als thunlich ſelber heim¬ zukehren und meine erworbene Arbeitsfähigkeit und feſte Lebensart in der Heimath zu verwenden. Denn ich gedachte damit etwas Beſſeres nach Seldwyla zu bringen, als wenn ich eine Million dahin brächte, und malte mir ſchon aus, wie ich die Haſelanten und Fiſcheſſer da anfahren wollte, wenn ſie mir über den Weg liefen.«
»Doch damit hatte es noch gute Wege und ich ſollte erſt noch ſolche Dinge erfahren und ſo in meinem Weſen verändert und aufgerüttelt wer¬ den, daß mir die Luſt verging, andere Leute anfah¬ ren zu wollen. Der Kommandeur hatte mich gänzlich zu ſeinem Factotum gemacht und ich mußte faſt die ganze Zeit bei ihm zubringen. Es war ein ſeltſamer Mann von etwa fünfzig Jahren, deſſen Gattin in Irland lebte auf einem alten Thurm, da ſie wo möglich noch wunder¬ licher ſein mußte, als er; ſo lange ſie zuſammen¬ gelebt, hatten ſie ſich fortwährend angeknurrt, wie zwei wilde Katzen, und ſie litten Beide an der fixen Idee, daß ſie ſich gegenſeitig in einander getäuſcht hätten, obwohl Niemand beſſer für ein¬ ander geſchaffen war. Auch waren ſie geſund
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0057"n="45"/>
nahm mir vor, ſobald als thunlich ſelber heim¬<lb/>
zukehren und meine erworbene Arbeitsfähigkeit und<lb/>
feſte Lebensart in der Heimath zu verwenden.<lb/>
Denn ich gedachte damit etwas Beſſeres nach<lb/>
Seldwyla zu bringen, als wenn ich eine Million<lb/>
dahin brächte, und malte mir ſchon aus, wie<lb/>
ich die Haſelanten und Fiſcheſſer da anfahren<lb/>
wollte, wenn ſie mir über den Weg liefen.«</p><lb/><p>»Doch damit hatte es noch gute Wege und<lb/>
ich ſollte erſt noch ſolche Dinge erfahren und ſo<lb/>
in meinem Weſen verändert und aufgerüttelt wer¬<lb/>
den, daß mir die Luſt verging, andere Leute anfah¬<lb/>
ren zu wollen. Der Kommandeur hatte mich<lb/>
gänzlich zu ſeinem Factotum gemacht und ich<lb/>
mußte faſt die ganze Zeit bei ihm zubringen.<lb/>
Es war ein ſeltſamer Mann von etwa fünfzig<lb/>
Jahren, deſſen Gattin in Irland lebte auf einem<lb/>
alten Thurm, da ſie wo möglich noch wunder¬<lb/>
licher ſein mußte, als er; ſo lange ſie zuſammen¬<lb/>
gelebt, hatten ſie ſich fortwährend angeknurrt,<lb/>
wie zwei wilde Katzen, und ſie litten Beide an<lb/>
der fixen Idee, daß ſie ſich gegenſeitig in einander<lb/>
getäuſcht hätten, obwohl Niemand beſſer für ein¬<lb/>
ander geſchaffen war. Auch waren ſie geſund<lb/></p></div></body></text></TEI>
[45/0057]
nahm mir vor, ſobald als thunlich ſelber heim¬
zukehren und meine erworbene Arbeitsfähigkeit und
feſte Lebensart in der Heimath zu verwenden.
Denn ich gedachte damit etwas Beſſeres nach
Seldwyla zu bringen, als wenn ich eine Million
dahin brächte, und malte mir ſchon aus, wie
ich die Haſelanten und Fiſcheſſer da anfahren
wollte, wenn ſie mir über den Weg liefen.«
»Doch damit hatte es noch gute Wege und
ich ſollte erſt noch ſolche Dinge erfahren und ſo
in meinem Weſen verändert und aufgerüttelt wer¬
den, daß mir die Luſt verging, andere Leute anfah¬
ren zu wollen. Der Kommandeur hatte mich
gänzlich zu ſeinem Factotum gemacht und ich
mußte faſt die ganze Zeit bei ihm zubringen.
Es war ein ſeltſamer Mann von etwa fünfzig
Jahren, deſſen Gattin in Irland lebte auf einem
alten Thurm, da ſie wo möglich noch wunder¬
licher ſein mußte, als er; ſo lange ſie zuſammen¬
gelebt, hatten ſie ſich fortwährend angeknurrt,
wie zwei wilde Katzen, und ſie litten Beide an
der fixen Idee, daß ſie ſich gegenſeitig in einander
getäuſcht hätten, obwohl Niemand beſſer für ein¬
ander geſchaffen war. Auch waren ſie geſund
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/57>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.