Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

kleine Staubwolke sich nähern und begannen zu
rufen: Sie kommen, sie kommen! Und nicht
lange dauerte es, so kamen Fridolin und Jobst
wirklich wie ein Sturmwind herangesaus't, mitten
auf der Straße, eine dicke Wolke Staubes auf¬
rührend. Mit der einen Hand zogen sie die
Felleisen, welche wie toll über die Steine flogen,
mit der andern hielten sie die Hüte fest, welche
ihnen im Nacken saßen, und ihre langen Röcke
flogen und wehten um die Wette. Beide waren
von Schweiß und Staub bedeckt, sie sperrten
den Mund auf und lechzten nach Athem, sahen
und hörten nichts, was um sie her vorging und
dicke Thränen rollten den armen Männern über
die Gesichter, welche sie nicht abzuwischen Zeit
hatten. Sie liefen sich dicht auf den Fersen,
doch war der Baier voraus um eine Spanne.
Ein entsetzliches Geschrei und Gelächter erhob
sich und dröhnte, so weit das Ohr reichte.
Alles raffte sich auf und drängte sich dicht an den
Weg, von allen Seiten rief es: So recht, so
recht! Lauft, wehr' Dich Sachs! halt Dich brav,
Baier! Einer ist schon abgefallen, es sind nur
noch zwei! Die Herren in den Gärten standen

kleine Staubwolke ſich nähern und begannen zu
rufen: Sie kommen, ſie kommen! Und nicht
lange dauerte es, ſo kamen Fridolin und Jobſt
wirklich wie ein Sturmwind herangeſauſ't, mitten
auf der Straße, eine dicke Wolke Staubes auf¬
rührend. Mit der einen Hand zogen ſie die
Felleiſen, welche wie toll über die Steine flogen,
mit der andern hielten ſie die Hüte feſt, welche
ihnen im Nacken ſaßen, und ihre langen Röcke
flogen und wehten um die Wette. Beide waren
von Schweiß und Staub bedeckt, ſie ſperrten
den Mund auf und lechzten nach Athem, ſahen
und hörten nichts, was um ſie her vorging und
dicke Thränen rollten den armen Männern über
die Geſichter, welche ſie nicht abzuwiſchen Zeit
hatten. Sie liefen ſich dicht auf den Ferſen,
doch war der Baier voraus um eine Spanne.
Ein entſetzliches Geſchrei und Gelächter erhob
ſich und dröhnte, ſo weit das Ohr reichte.
Alles raffte ſich auf und drängte ſich dicht an den
Weg, von allen Seiten rief es: So recht, ſo
recht! Lauft, wehr' Dich Sachs! halt Dich brav,
Baier! Einer iſt ſchon abgefallen, es ſind nur
noch zwei! Die Herren in den Gärten ſtanden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0453" n="441"/>
kleine Staubwolke &#x017F;ich nähern und begannen zu<lb/>
rufen: Sie kommen, &#x017F;ie kommen! Und nicht<lb/>
lange dauerte es, &#x017F;o kamen Fridolin und Job&#x017F;t<lb/>
wirklich wie ein Sturmwind herange&#x017F;au&#x017F;'t, mitten<lb/>
auf der Straße, eine dicke Wolke Staubes auf¬<lb/>
rührend. Mit der einen Hand zogen &#x017F;ie die<lb/>
Fellei&#x017F;en, welche wie toll über die Steine flogen,<lb/>
mit der andern hielten &#x017F;ie die Hüte fe&#x017F;t, welche<lb/>
ihnen im Nacken &#x017F;aßen, und ihre langen Röcke<lb/>
flogen und wehten um die Wette. Beide waren<lb/>
von Schweiß und Staub bedeckt, &#x017F;ie &#x017F;perrten<lb/>
den Mund auf und lechzten nach Athem, &#x017F;ahen<lb/>
und hörten nichts, was um &#x017F;ie her vorging und<lb/>
dicke Thränen rollten den armen Männern über<lb/>
die Ge&#x017F;ichter, welche &#x017F;ie nicht abzuwi&#x017F;chen Zeit<lb/>
hatten. Sie liefen &#x017F;ich dicht auf den Fer&#x017F;en,<lb/>
doch war der Baier voraus um eine Spanne.<lb/>
Ein ent&#x017F;etzliches Ge&#x017F;chrei und Gelächter erhob<lb/>
&#x017F;ich und dröhnte, &#x017F;o weit das Ohr reichte.<lb/>
Alles raffte &#x017F;ich auf und drängte &#x017F;ich dicht an den<lb/>
Weg, von allen Seiten rief es: So recht, &#x017F;o<lb/>
recht! Lauft, wehr' Dich Sachs! halt Dich brav,<lb/>
Baier! Einer i&#x017F;t &#x017F;chon abgefallen, es &#x017F;ind nur<lb/>
noch zwei! Die Herren in den Gärten &#x017F;tanden<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[441/0453] kleine Staubwolke ſich nähern und begannen zu rufen: Sie kommen, ſie kommen! Und nicht lange dauerte es, ſo kamen Fridolin und Jobſt wirklich wie ein Sturmwind herangeſauſ't, mitten auf der Straße, eine dicke Wolke Staubes auf¬ rührend. Mit der einen Hand zogen ſie die Felleiſen, welche wie toll über die Steine flogen, mit der andern hielten ſie die Hüte feſt, welche ihnen im Nacken ſaßen, und ihre langen Röcke flogen und wehten um die Wette. Beide waren von Schweiß und Staub bedeckt, ſie ſperrten den Mund auf und lechzten nach Athem, ſahen und hörten nichts, was um ſie her vorging und dicke Thränen rollten den armen Männern über die Geſichter, welche ſie nicht abzuwiſchen Zeit hatten. Sie liefen ſich dicht auf den Ferſen, doch war der Baier voraus um eine Spanne. Ein entſetzliches Geſchrei und Gelächter erhob ſich und dröhnte, ſo weit das Ohr reichte. Alles raffte ſich auf und drängte ſich dicht an den Weg, von allen Seiten rief es: So recht, ſo recht! Lauft, wehr' Dich Sachs! halt Dich brav, Baier! Einer iſt ſchon abgefallen, es ſind nur noch zwei! Die Herren in den Gärten ſtanden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/453
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/453>, abgerufen am 22.11.2024.