Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht vorstellte, und ein Medaillon mit einem
Monument von Haaren; ferner ein Bündel ver¬
gilbter Papiere mit Recepten und Geheimnissen,
ein Fläschchen mit Hoffmannstropfen, ein ande¬
res mit kölnischem Wasser und eine Büchse mit
Moschus; eine andere, worin ein Endchen Mar¬
derdreck lag, und ein Körbchen aus wohlriechen¬
den Halmen geflochten, so wie eines, aus Glas¬
perlen und Gewürznägelein zusammengesetzt; end¬
lich ein kleines Buch, in himmelblaues geripptes
Papier gebunden mit silbernem Schnitt, betitelt:
Goldene Lebensregeln für die Jungfrau als
Braut, Gattin und Mutter; und ein Traum¬
büchlein, ein Briefsteller, fünf oder sechs Liebes¬
briefe und ein Schnepper zum Aderlassen; denn
einst hatte sie ein Verhältniß mit einem Bar¬
biergesellen oder Chirurgiegehülfen gepflogen,
welchen sie zu ehelichen gedachte, und da sie
eine geschickte und überaus verständige Person
war, so hatte sie von ihrem Liebhaber gelernt,
die Ader zu schlagen, Blutigel und Schröpfköpfe
anzusetzen und dergleichen mehr und konnte ihn
selbst sogar schon rasiren. Allein er hatte sich
als ein unwürdiger Mensch gezeigt, bei welchem

nicht vorſtellte, und ein Medaillon mit einem
Monument von Haaren; ferner ein Bündel ver¬
gilbter Papiere mit Recepten und Geheimniſſen,
ein Fläſchchen mit Hoffmannstropfen, ein ande¬
res mit kölniſchem Waſſer und eine Büchſe mit
Moſchus; eine andere, worin ein Endchen Mar¬
derdreck lag, und ein Körbchen aus wohlriechen¬
den Halmen geflochten, ſo wie eines, aus Glas¬
perlen und Gewürznägelein zuſammengeſetzt; end¬
lich ein kleines Buch, in himmelblaues geripptes
Papier gebunden mit ſilbernem Schnitt, betitelt:
Goldene Lebensregeln für die Jungfrau als
Braut, Gattin und Mutter; und ein Traum¬
büchlein, ein Briefſteller, fünf oder ſechs Liebes¬
briefe und ein Schnepper zum Aderlaſſen; denn
einſt hatte ſie ein Verhältniß mit einem Bar¬
biergeſellen oder Chirurgiegehülfen gepflogen,
welchen ſie zu ehelichen gedachte, und da ſie
eine geſchickte und überaus verſtändige Perſon
war, ſo hatte ſie von ihrem Liebhaber gelernt,
die Ader zu ſchlagen, Blutigel und Schröpfköpfe
anzuſetzen und dergleichen mehr und konnte ihn
ſelbſt ſogar ſchon raſiren. Allein er hatte ſich
als ein unwürdiger Menſch gezeigt, bei welchem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0396" n="384"/>
nicht vor&#x017F;tellte, und ein Medaillon mit einem<lb/>
Monument von Haaren; ferner ein Bündel ver¬<lb/>
gilbter Papiere mit Recepten und Geheimni&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
ein Flä&#x017F;chchen mit Hoffmannstropfen, ein ande¬<lb/>
res mit kölni&#x017F;chem Wa&#x017F;&#x017F;er und eine Büch&#x017F;e mit<lb/>
Mo&#x017F;chus; eine andere, worin ein Endchen Mar¬<lb/>
derdreck lag, und ein Körbchen aus wohlriechen¬<lb/>
den Halmen geflochten, &#x017F;o wie eines, aus Glas¬<lb/>
perlen und Gewürznägelein zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt; end¬<lb/>
lich ein kleines Buch, in himmelblaues geripptes<lb/>
Papier gebunden mit &#x017F;ilbernem Schnitt, betitelt:<lb/>
Goldene Lebensregeln für die Jungfrau als<lb/>
Braut, Gattin und Mutter; und ein Traum¬<lb/>
büchlein, ein Brief&#x017F;teller, fünf oder &#x017F;echs Liebes¬<lb/>
briefe und ein Schnepper zum Aderla&#x017F;&#x017F;en; denn<lb/>
ein&#x017F;t hatte &#x017F;ie ein Verhältniß mit einem Bar¬<lb/>
bierge&#x017F;ellen oder Chirurgiegehülfen gepflogen,<lb/>
welchen &#x017F;ie zu ehelichen gedachte, und da &#x017F;ie<lb/>
eine ge&#x017F;chickte und überaus ver&#x017F;tändige Per&#x017F;on<lb/>
war, &#x017F;o hatte &#x017F;ie von ihrem Liebhaber gelernt,<lb/>
die Ader zu &#x017F;chlagen, Blutigel und Schröpfköpfe<lb/>
anzu&#x017F;etzen und dergleichen mehr und konnte ihn<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ogar &#x017F;chon ra&#x017F;iren. Allein er hatte &#x017F;ich<lb/>
als ein unwürdiger Men&#x017F;ch gezeigt, bei welchem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[384/0396] nicht vorſtellte, und ein Medaillon mit einem Monument von Haaren; ferner ein Bündel ver¬ gilbter Papiere mit Recepten und Geheimniſſen, ein Fläſchchen mit Hoffmannstropfen, ein ande¬ res mit kölniſchem Waſſer und eine Büchſe mit Moſchus; eine andere, worin ein Endchen Mar¬ derdreck lag, und ein Körbchen aus wohlriechen¬ den Halmen geflochten, ſo wie eines, aus Glas¬ perlen und Gewürznägelein zuſammengeſetzt; end¬ lich ein kleines Buch, in himmelblaues geripptes Papier gebunden mit ſilbernem Schnitt, betitelt: Goldene Lebensregeln für die Jungfrau als Braut, Gattin und Mutter; und ein Traum¬ büchlein, ein Briefſteller, fünf oder ſechs Liebes¬ briefe und ein Schnepper zum Aderlaſſen; denn einſt hatte ſie ein Verhältniß mit einem Bar¬ biergeſellen oder Chirurgiegehülfen gepflogen, welchen ſie zu ehelichen gedachte, und da ſie eine geſchickte und überaus verſtändige Perſon war, ſo hatte ſie von ihrem Liebhaber gelernt, die Ader zu ſchlagen, Blutigel und Schröpfköpfe anzuſetzen und dergleichen mehr und konnte ihn ſelbſt ſogar ſchon raſiren. Allein er hatte ſich als ein unwürdiger Menſch gezeigt, bei welchem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/396
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/396>, abgerufen am 27.11.2024.