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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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Strohhut, um den er einen Kranz von Eber¬
eschen oder Vogelbeerbüscheln gebunden hatte.
Dieser führte eine wilde Person mit sich, die
einen Rock von kirschrothem weiß getüpfeltem
Kattun trug und sich einen Reifen von Reben¬
schoßen um den Kopf gebunden, so daß an jeder
Schläfe eine blaue Traube hing. Dies Paar
war das ausgelassenste von allen, tanzte und
sang unermüdlich und war in allen Ecken zu¬
gleich. Dann war noch ein schlankes hübsches
Mädchen da, welches ein schwarzseidenes abge¬
schossenes Kleid trug und ein weißes Tuch um
den Kopf, daß der Zipfel über den Rücken fiel.
Das Tuch zeigte rothe, eingewobene Streifen,
und war eine gute leinene Handzwehle oder Ser¬
viette. Darunter leuchteten aber ein paar veil¬
chenblaue Augen hervor. Um den Hals und
auf der Brust hing eine sechsfache Kette von
Vogelbeeren auf einen Faden gezogen und ersetzte
die schönste Korallenschnur. Diese Gestalt tanzte
fortwährend allein mit sich selbst und verweigerte
hartnäckig mit einem der Gesellen zu tanzen.
Nichts desto minder bewegte sie sich anmuthig
und leicht herum und lächelte jedesmal, wenn

Strohhut, um den er einen Kranz von Eber¬
eſchen oder Vogelbeerbüſcheln gebunden hatte.
Dieſer führte eine wilde Perſon mit ſich, die
einen Rock von kirſchrothem weiß getüpfeltem
Kattun trug und ſich einen Reifen von Reben¬
ſchoßen um den Kopf gebunden, ſo daß an jeder
Schläfe eine blaue Traube hing. Dies Paar
war das ausgelaſſenſte von allen, tanzte und
ſang unermüdlich und war in allen Ecken zu¬
gleich. Dann war noch ein ſchlankes hübſches
Mädchen da, welches ein ſchwarzſeidenes abge¬
ſchoſſenes Kleid trug und ein weißes Tuch um
den Kopf, daß der Zipfel über den Rücken fiel.
Das Tuch zeigte rothe, eingewobene Streifen,
und war eine gute leinene Handzwehle oder Ser¬
viette. Darunter leuchteten aber ein paar veil¬
chenblaue Augen hervor. Um den Hals und
auf der Bruſt hing eine ſechsfache Kette von
Vogelbeeren auf einen Faden gezogen und erſetzte
die ſchönſte Korallenſchnur. Dieſe Geſtalt tanzte
fortwährend allein mit ſich ſelbſt und verweigerte
hartnäckig mit einem der Geſellen zu tanzen.
Nichts deſto minder bewegte ſie ſich anmuthig
und leicht herum und lächelte jedesmal, wenn

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[338/0350] Strohhut, um den er einen Kranz von Eber¬ eſchen oder Vogelbeerbüſcheln gebunden hatte. Dieſer führte eine wilde Perſon mit ſich, die einen Rock von kirſchrothem weiß getüpfeltem Kattun trug und ſich einen Reifen von Reben¬ ſchoßen um den Kopf gebunden, ſo daß an jeder Schläfe eine blaue Traube hing. Dies Paar war das ausgelaſſenſte von allen, tanzte und ſang unermüdlich und war in allen Ecken zu¬ gleich. Dann war noch ein ſchlankes hübſches Mädchen da, welches ein ſchwarzſeidenes abge¬ ſchoſſenes Kleid trug und ein weißes Tuch um den Kopf, daß der Zipfel über den Rücken fiel. Das Tuch zeigte rothe, eingewobene Streifen, und war eine gute leinene Handzwehle oder Ser¬ viette. Darunter leuchteten aber ein paar veil¬ chenblaue Augen hervor. Um den Hals und auf der Bruſt hing eine ſechsfache Kette von Vogelbeeren auf einen Faden gezogen und erſetzte die ſchönſte Korallenſchnur. Dieſe Geſtalt tanzte fortwährend allein mit ſich ſelbſt und verweigerte hartnäckig mit einem der Geſellen zu tanzen. Nichts deſto minder bewegte ſie ſich anmuthig und leicht herum und lächelte jedesmal, wenn

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/350>, abgerufen am 26.11.2024.