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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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Ein Herr in einem blauen Frack und eine
Dame mit einem sehr hohen Busen komplimen¬
tirten sich diesen Versen gemäß in das Haus
hinein, links und rechts an die Mauer gemalt.
Vrenchen schenkte Sali dagegen ein Herz, auf
dessen einer Seite ein Zettelchen klebte mit den
Worten:

Ein süßer Mandelkern steckt in dem Herze hier,
Doch süßer als der Mandelkern ist meine Lieb' zu Dir.
Und auf der andern Seite:

Wenn Du dies Herz gegessen vergiß dies Sprüchlein nicht:
Viel eh'r als meine Liebe mein braunes Auge bricht!

Sie lasen eifrig die Sprüche und nie ist
etwas Gereimtes und Gedrucktes schöner befun¬
den und tiefer empfunden worden, als diese
Pfefferkuchensprüche; sie hielten, was sie lasen,
in besonderer Absicht auf sich gemacht, so gut
schien es ihnen zu passen. "Ach, seufzte Vren¬
chen, Du schenkst mir ein Haus! Ich habe
Dir auch eines und erst das wahre geschenkt;
denn unser Herz ist jetzt unser Haus, darin wir
wohnen, und wir tragen so unsere Wohnung
mit uns, wie die Schnecken! Andere haben wir

Ein Herr in einem blauen Frack und eine
Dame mit einem ſehr hohen Buſen komplimen¬
tirten ſich dieſen Verſen gemäß in das Haus
hinein, links und rechts an die Mauer gemalt.
Vrenchen ſchenkte Sali dagegen ein Herz, auf
deſſen einer Seite ein Zettelchen klebte mit den
Worten:

Ein ſüßer Mandelkern ſteckt in dem Herze hier,
Doch ſüßer als der Mandelkern iſt meine Lieb' zu Dir.
Und auf der andern Seite:

Wenn Du dies Herz gegeſſen vergiß dies Sprüchlein nicht:
Viel eh'r als meine Liebe mein braunes Auge bricht!

Sie laſen eifrig die Sprüche und nie iſt
etwas Gereimtes und Gedrucktes ſchöner befun¬
den und tiefer empfunden worden, als dieſe
Pfefferkuchenſprüche; ſie hielten, was ſie laſen,
in beſonderer Abſicht auf ſich gemacht, ſo gut
ſchien es ihnen zu paſſen. »Ach, ſeufzte Vren¬
chen, Du ſchenkſt mir ein Haus! Ich habe
Dir auch eines und erſt das wahre geſchenkt;
denn unſer Herz iſt jetzt unſer Haus, darin wir
wohnen, und wir tragen ſo unſere Wohnung
mit uns, wie die Schnecken! Andere haben wir

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[329/0341] Ein Herr in einem blauen Frack und eine Dame mit einem ſehr hohen Buſen komplimen¬ tirten ſich dieſen Verſen gemäß in das Haus hinein, links und rechts an die Mauer gemalt. Vrenchen ſchenkte Sali dagegen ein Herz, auf deſſen einer Seite ein Zettelchen klebte mit den Worten: Ein ſüßer Mandelkern ſteckt in dem Herze hier, Doch ſüßer als der Mandelkern iſt meine Lieb' zu Dir. Und auf der andern Seite: Wenn Du dies Herz gegeſſen vergiß dies Sprüchlein nicht: Viel eh'r als meine Liebe mein braunes Auge bricht! Sie laſen eifrig die Sprüche und nie iſt etwas Gereimtes und Gedrucktes ſchöner befun¬ den und tiefer empfunden worden, als dieſe Pfefferkuchenſprüche; ſie hielten, was ſie laſen, in beſonderer Abſicht auf ſich gemacht, ſo gut ſchien es ihnen zu paſſen. »Ach, ſeufzte Vren¬ chen, Du ſchenkſt mir ein Haus! Ich habe Dir auch eines und erſt das wahre geſchenkt; denn unſer Herz iſt jetzt unſer Haus, darin wir wohnen, und wir tragen ſo unſere Wohnung mit uns, wie die Schnecken! Andere haben wir

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/341>, abgerufen am 25.11.2024.