stellen. Vrenchen hingegen, welches mehr erdul¬ den mußte, als Sali, und in seinem Hause viel verlassener war, fühlte sich weniger zu einer förmlichen Feindschaft aufgelegt und glaubte sich nur verachtet von dem wohlgekleideten und schein¬ bar glücklicheren Sali; deshalb verbarg sie sich vor ihm und wenn er irgendwo nur in der Nähe war, so entfernte sie sich eilig, ohne daß er sich die Mühe gab ihr nachzublicken. So kam es, daß er das Mädchen schon seit ein paar Jahren nicht mehr in der Nähe gesehen und gar nicht wußte, wie es aussah, seit es herange¬ wachsen. Und doch wunderte es ihn zuweilen ganz gewaltig und wenn überhaupt von den Martis gesprochen wurde, so dachte er unwill¬ kürlich nur an die Tochter, deren jetziges Aus¬ sehen ihm nicht deutlich und deren Andenken ihm gar nicht verhaßt war.
Doch war sein Vater Manz nun der Erste von den beiden Feinden, der sich nicht mehr halten konnte und von Haus und Hof springen mußte. Dieser Vortritt rührte daher, daß er eine Frau besaß, die ihm geholfen und einen Sohn, der doch auch einiges mit brauchte, wäh¬
16 *
ſtellen. Vrenchen hingegen, welches mehr erdul¬ den mußte, als Sali, und in ſeinem Hauſe viel verlaſſener war, fühlte ſich weniger zu einer förmlichen Feindſchaft aufgelegt und glaubte ſich nur verachtet von dem wohlgekleideten und ſchein¬ bar glücklicheren Sali; deshalb verbarg ſie ſich vor ihm und wenn er irgendwo nur in der Nähe war, ſo entfernte ſie ſich eilig, ohne daß er ſich die Mühe gab ihr nachzublicken. So kam es, daß er das Mädchen ſchon ſeit ein paar Jahren nicht mehr in der Nähe geſehen und gar nicht wußte, wie es ausſah, ſeit es herange¬ wachſen. Und doch wunderte es ihn zuweilen ganz gewaltig und wenn überhaupt von den Martis geſprochen wurde, ſo dachte er unwill¬ kürlich nur an die Tochter, deren jetziges Aus¬ ſehen ihm nicht deutlich und deren Andenken ihm gar nicht verhaßt war.
Doch war ſein Vater Manz nun der Erſte von den beiden Feinden, der ſich nicht mehr halten konnte und von Haus und Hof ſpringen mußte. Dieſer Vortritt rührte daher, daß er eine Frau beſaß, die ihm geholfen und einen Sohn, der doch auch einiges mit brauchte, wäh¬
16 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0255"n="243"/>ſtellen. Vrenchen hingegen, welches mehr erdul¬<lb/>
den mußte, als Sali, und in ſeinem Hauſe viel<lb/>
verlaſſener war, fühlte ſich weniger zu einer<lb/>
förmlichen Feindſchaft aufgelegt und glaubte ſich<lb/>
nur verachtet von dem wohlgekleideten und ſchein¬<lb/>
bar glücklicheren Sali; deshalb verbarg ſie ſich<lb/>
vor ihm und wenn er irgendwo nur in der<lb/>
Nähe war, ſo entfernte ſie ſich eilig, ohne daß<lb/>
er ſich die Mühe gab ihr nachzublicken. So<lb/>
kam es, daß er das Mädchen ſchon ſeit ein paar<lb/>
Jahren nicht mehr in der Nähe geſehen und gar<lb/>
nicht wußte, wie es ausſah, ſeit es herange¬<lb/>
wachſen. Und doch wunderte es ihn zuweilen<lb/>
ganz gewaltig und wenn überhaupt von den<lb/>
Martis geſprochen wurde, ſo dachte er unwill¬<lb/>
kürlich nur an die Tochter, deren jetziges Aus¬<lb/>ſehen ihm nicht deutlich und deren Andenken ihm<lb/>
gar nicht verhaßt war.</p><lb/><p>Doch war ſein Vater Manz nun der Erſte<lb/>
von den beiden Feinden, der ſich nicht mehr<lb/>
halten konnte und von Haus und Hof ſpringen<lb/>
mußte. Dieſer Vortritt rührte daher, daß er<lb/>
eine Frau beſaß, die ihm geholfen und einen<lb/>
Sohn, der doch auch einiges mit brauchte, wäh¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">16 *<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[243/0255]
ſtellen. Vrenchen hingegen, welches mehr erdul¬
den mußte, als Sali, und in ſeinem Hauſe viel
verlaſſener war, fühlte ſich weniger zu einer
förmlichen Feindſchaft aufgelegt und glaubte ſich
nur verachtet von dem wohlgekleideten und ſchein¬
bar glücklicheren Sali; deshalb verbarg ſie ſich
vor ihm und wenn er irgendwo nur in der
Nähe war, ſo entfernte ſie ſich eilig, ohne daß
er ſich die Mühe gab ihr nachzublicken. So
kam es, daß er das Mädchen ſchon ſeit ein paar
Jahren nicht mehr in der Nähe geſehen und gar
nicht wußte, wie es ausſah, ſeit es herange¬
wachſen. Und doch wunderte es ihn zuweilen
ganz gewaltig und wenn überhaupt von den
Martis geſprochen wurde, ſo dachte er unwill¬
kürlich nur an die Tochter, deren jetziges Aus¬
ſehen ihm nicht deutlich und deren Andenken ihm
gar nicht verhaßt war.
Doch war ſein Vater Manz nun der Erſte
von den beiden Feinden, der ſich nicht mehr
halten konnte und von Haus und Hof ſpringen
mußte. Dieſer Vortritt rührte daher, daß er
eine Frau beſaß, die ihm geholfen und einen
Sohn, der doch auch einiges mit brauchte, wäh¬
16 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/255>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.