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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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lose Halstüchelchen zusammenzuhalten. Darum
war das schöne wohlgemuthe junge Blut in jeder
Weise gedemüthigt und gehemmt und konnte am
wenigsten der Hoffahrt anheimfallen. Überdies
hatte es bei schon erwachendem Verstande das
Leiden und den Tod seiner Mutter gesehen und
dies Andenken war ein weiterer Zügel, der sei¬
nem lustigen und feurigen Wesen angelegt war,
so daß es nun höchst lieblich, unbedenklich und
rührend sich ansah, wenn trotz alledem das gute
Kind bei jedem Sonnenblick sich ermunterte und
zum Lächeln bereit war.

Sali erging es nicht so hart auf den ersten
Anschein; denn er war nun ein hübscher und
kräftiger junger Bursche, der sich zu wehren
wußte und dessen äußere Haltung wenigstens
eine schlechte Behandlung von selbst unzulässig
machte. Er sah wohl die üble Wirthschaft seiner
Ältern und glaubte sich erinnern zu können, daß
es einst nicht so gewesen, ja er bewahrte noch
das frühere Bild seines Vaters wohl in seinem
Gedächtnisse als eines festen, klugen und ruhigen
Bauers, desselben Mannes, den er jetzt als einen
grauen Narren, Händelführer und Müssiggänger

loſe Halstüchelchen zuſammenzuhalten. Darum
war das ſchöne wohlgemuthe junge Blut in jeder
Weiſe gedemüthigt und gehemmt und konnte am
wenigſten der Hoffahrt anheimfallen. Überdies
hatte es bei ſchon erwachendem Verſtande das
Leiden und den Tod ſeiner Mutter geſehen und
dies Andenken war ein weiterer Zügel, der ſei¬
nem luſtigen und feurigen Weſen angelegt war,
ſo daß es nun höchſt lieblich, unbedenklich und
rührend ſich anſah, wenn trotz alledem das gute
Kind bei jedem Sonnenblick ſich ermunterte und
zum Lächeln bereit war.

Sali erging es nicht ſo hart auf den erſten
Anſchein; denn er war nun ein hübſcher und
kräftiger junger Burſche, der ſich zu wehren
wußte und deſſen äußere Haltung wenigſtens
eine ſchlechte Behandlung von ſelbſt unzuläſſig
machte. Er ſah wohl die üble Wirthſchaft ſeiner
Ältern und glaubte ſich erinnern zu können, daß
es einſt nicht ſo geweſen, ja er bewahrte noch
das frühere Bild ſeines Vaters wohl in ſeinem
Gedächtniſſe als eines feſten, klugen und ruhigen
Bauers, deſſelben Mannes, den er jetzt als einen
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[240/0252] loſe Halstüchelchen zuſammenzuhalten. Darum war das ſchöne wohlgemuthe junge Blut in jeder Weiſe gedemüthigt und gehemmt und konnte am wenigſten der Hoffahrt anheimfallen. Überdies hatte es bei ſchon erwachendem Verſtande das Leiden und den Tod ſeiner Mutter geſehen und dies Andenken war ein weiterer Zügel, der ſei¬ nem luſtigen und feurigen Weſen angelegt war, ſo daß es nun höchſt lieblich, unbedenklich und rührend ſich anſah, wenn trotz alledem das gute Kind bei jedem Sonnenblick ſich ermunterte und zum Lächeln bereit war. Sali erging es nicht ſo hart auf den erſten Anſchein; denn er war nun ein hübſcher und kräftiger junger Burſche, der ſich zu wehren wußte und deſſen äußere Haltung wenigſtens eine ſchlechte Behandlung von ſelbſt unzuläſſig machte. Er ſah wohl die üble Wirthſchaft ſeiner Ältern und glaubte ſich erinnern zu können, daß es einſt nicht ſo geweſen, ja er bewahrte noch das frühere Bild ſeines Vaters wohl in ſeinem Gedächtniſſe als eines feſten, klugen und ruhigen Bauers, deſſelben Mannes, den er jetzt als einen grauen Narren, Händelführer und Müſſiggänger

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/252>, abgerufen am 23.11.2024.