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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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weiß auch, wo die Kinder des verdorbenen Trom¬
peters hingekommen sind."

"Hm! sagte Marti, das wäre so eine Sache!
Wenn ich den schwarzen Geiger ansehe, der sich
bald bei den Heimatlosen aufhält, bald in den
Dörfern zum Tanz aufspielt, so möchte ich dar¬
auf schwören, daß er ein Enkel des Trompeters
ist, der freilich nicht weiß, daß er noch einen
Acker hat. Was thäte er aber damit? Einen
Monat lang sich besaufen und dann nach wie
vor! Zudem, wer dürfte da einen Wink geben,
da man es doch nicht sicher wissen kann!"

"Da könnte man eine schöne Geschichte an¬
richten! antwortete Manz, wir haben so genug
zu thun, diesem Geiger das Heimatsrecht in un¬
serer Gemeinde abzustreiten, da man uns den
Fetzel fortwährend aufhalsen will. Haben sich
seine Ältern einmal unter die Heimatlosen bege¬
ben, so mag er auch dableiben und dem Kessel¬
volk das Geigelein streichen. Wie in aller Welt
können wir wissen, daß er des Trompeters Soh¬
nessohn ist? Was mich betrifft, wenn ich den
Alten auch in dem dunklen Gesicht vollkommen
zu erkennen glaube, so sage ich: irren ist mensch¬

weiß auch, wo die Kinder des verdorbenen Trom¬
peters hingekommen ſind.«

»Hm! ſagte Marti, das wäre ſo eine Sache!
Wenn ich den ſchwarzen Geiger anſehe, der ſich
bald bei den Heimatloſen aufhält, bald in den
Dörfern zum Tanz aufſpielt, ſo möchte ich dar¬
auf ſchwören, daß er ein Enkel des Trompeters
iſt, der freilich nicht weiß, daß er noch einen
Acker hat. Was thäte er aber damit? Einen
Monat lang ſich beſaufen und dann nach wie
vor! Zudem, wer dürfte da einen Wink geben,
da man es doch nicht ſicher wiſſen kann!«

»Da könnte man eine ſchöne Geſchichte an¬
richten! antwortete Manz, wir haben ſo genug
zu thun, dieſem Geiger das Heimatsrecht in un¬
ſerer Gemeinde abzuſtreiten, da man uns den
Fetzel fortwährend aufhalſen will. Haben ſich
ſeine Ältern einmal unter die Heimatloſen bege¬
ben, ſo mag er auch dableiben und dem Keſſel¬
volk das Geigelein ſtreichen. Wie in aller Welt
können wir wiſſen, daß er des Trompeters Soh¬
nesſohn iſt? Was mich betrifft, wenn ich den
Alten auch in dem dunklen Geſicht vollkommen
zu erkennen glaube, ſo ſage ich: irren iſt menſch¬

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[216/0228] weiß auch, wo die Kinder des verdorbenen Trom¬ peters hingekommen ſind.« »Hm! ſagte Marti, das wäre ſo eine Sache! Wenn ich den ſchwarzen Geiger anſehe, der ſich bald bei den Heimatloſen aufhält, bald in den Dörfern zum Tanz aufſpielt, ſo möchte ich dar¬ auf ſchwören, daß er ein Enkel des Trompeters iſt, der freilich nicht weiß, daß er noch einen Acker hat. Was thäte er aber damit? Einen Monat lang ſich beſaufen und dann nach wie vor! Zudem, wer dürfte da einen Wink geben, da man es doch nicht ſicher wiſſen kann!« »Da könnte man eine ſchöne Geſchichte an¬ richten! antwortete Manz, wir haben ſo genug zu thun, dieſem Geiger das Heimatsrecht in un¬ ſerer Gemeinde abzuſtreiten, da man uns den Fetzel fortwährend aufhalſen will. Haben ſich ſeine Ältern einmal unter die Heimatloſen bege¬ ben, ſo mag er auch dableiben und dem Keſſel¬ volk das Geigelein ſtreichen. Wie in aller Welt können wir wiſſen, daß er des Trompeters Soh¬ nesſohn iſt? Was mich betrifft, wenn ich den Alten auch in dem dunklen Geſicht vollkommen zu erkennen glaube, ſo ſage ich: irren iſt menſch¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/228>, abgerufen am 28.04.2024.