weiß auch, wo die Kinder des verdorbenen Trom¬ peters hingekommen sind."
"Hm! sagte Marti, das wäre so eine Sache! Wenn ich den schwarzen Geiger ansehe, der sich bald bei den Heimatlosen aufhält, bald in den Dörfern zum Tanz aufspielt, so möchte ich dar¬ auf schwören, daß er ein Enkel des Trompeters ist, der freilich nicht weiß, daß er noch einen Acker hat. Was thäte er aber damit? Einen Monat lang sich besaufen und dann nach wie vor! Zudem, wer dürfte da einen Wink geben, da man es doch nicht sicher wissen kann!"
"Da könnte man eine schöne Geschichte an¬ richten! antwortete Manz, wir haben so genug zu thun, diesem Geiger das Heimatsrecht in un¬ serer Gemeinde abzustreiten, da man uns den Fetzel fortwährend aufhalsen will. Haben sich seine Ältern einmal unter die Heimatlosen bege¬ ben, so mag er auch dableiben und dem Kessel¬ volk das Geigelein streichen. Wie in aller Welt können wir wissen, daß er des Trompeters Soh¬ nessohn ist? Was mich betrifft, wenn ich den Alten auch in dem dunklen Gesicht vollkommen zu erkennen glaube, so sage ich: irren ist mensch¬
weiß auch, wo die Kinder des verdorbenen Trom¬ peters hingekommen ſind.«
»Hm! ſagte Marti, das wäre ſo eine Sache! Wenn ich den ſchwarzen Geiger anſehe, der ſich bald bei den Heimatloſen aufhält, bald in den Dörfern zum Tanz aufſpielt, ſo möchte ich dar¬ auf ſchwören, daß er ein Enkel des Trompeters iſt, der freilich nicht weiß, daß er noch einen Acker hat. Was thäte er aber damit? Einen Monat lang ſich beſaufen und dann nach wie vor! Zudem, wer dürfte da einen Wink geben, da man es doch nicht ſicher wiſſen kann!«
»Da könnte man eine ſchöne Geſchichte an¬ richten! antwortete Manz, wir haben ſo genug zu thun, dieſem Geiger das Heimatsrecht in un¬ ſerer Gemeinde abzuſtreiten, da man uns den Fetzel fortwährend aufhalſen will. Haben ſich ſeine Ältern einmal unter die Heimatloſen bege¬ ben, ſo mag er auch dableiben und dem Keſſel¬ volk das Geigelein ſtreichen. Wie in aller Welt können wir wiſſen, daß er des Trompeters Soh¬ nesſohn iſt? Was mich betrifft, wenn ich den Alten auch in dem dunklen Geſicht vollkommen zu erkennen glaube, ſo ſage ich: irren iſt menſch¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0228"n="216"/>
weiß auch, wo die Kinder des verdorbenen Trom¬<lb/>
peters hingekommen ſind.«</p><lb/><p>»Hm! ſagte Marti, das wäre ſo eine Sache!<lb/>
Wenn ich den ſchwarzen Geiger anſehe, der ſich<lb/>
bald bei den Heimatloſen aufhält, bald in den<lb/>
Dörfern zum Tanz aufſpielt, ſo möchte ich dar¬<lb/>
auf ſchwören, daß er ein Enkel des Trompeters<lb/>
iſt, der freilich nicht weiß, daß er noch einen<lb/>
Acker hat. Was thäte er aber damit? Einen<lb/>
Monat lang ſich beſaufen und dann nach wie<lb/>
vor! Zudem, wer dürfte da einen Wink geben,<lb/>
da man es doch nicht ſicher wiſſen kann!«</p><lb/><p>»Da könnte man eine ſchöne Geſchichte an¬<lb/>
richten! antwortete Manz, wir haben ſo genug<lb/>
zu thun, dieſem Geiger das Heimatsrecht in un¬<lb/>ſerer Gemeinde abzuſtreiten, da man uns den<lb/>
Fetzel fortwährend aufhalſen will. Haben ſich<lb/>ſeine Ältern einmal unter die Heimatloſen bege¬<lb/>
ben, ſo mag er auch dableiben und dem Keſſel¬<lb/>
volk das Geigelein ſtreichen. Wie in aller Welt<lb/>
können wir wiſſen, daß er des Trompeters Soh¬<lb/>
nesſohn iſt? Was mich betrifft, wenn ich den<lb/>
Alten auch in dem dunklen Geſicht vollkommen<lb/>
zu erkennen glaube, ſo ſage ich: irren iſt menſch¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[216/0228]
weiß auch, wo die Kinder des verdorbenen Trom¬
peters hingekommen ſind.«
»Hm! ſagte Marti, das wäre ſo eine Sache!
Wenn ich den ſchwarzen Geiger anſehe, der ſich
bald bei den Heimatloſen aufhält, bald in den
Dörfern zum Tanz aufſpielt, ſo möchte ich dar¬
auf ſchwören, daß er ein Enkel des Trompeters
iſt, der freilich nicht weiß, daß er noch einen
Acker hat. Was thäte er aber damit? Einen
Monat lang ſich beſaufen und dann nach wie
vor! Zudem, wer dürfte da einen Wink geben,
da man es doch nicht ſicher wiſſen kann!«
»Da könnte man eine ſchöne Geſchichte an¬
richten! antwortete Manz, wir haben ſo genug
zu thun, dieſem Geiger das Heimatsrecht in un¬
ſerer Gemeinde abzuſtreiten, da man uns den
Fetzel fortwährend aufhalſen will. Haben ſich
ſeine Ältern einmal unter die Heimatloſen bege¬
ben, ſo mag er auch dableiben und dem Keſſel¬
volk das Geigelein ſtreichen. Wie in aller Welt
können wir wiſſen, daß er des Trompeters Soh¬
nesſohn iſt? Was mich betrifft, wenn ich den
Alten auch in dem dunklen Geſicht vollkommen
zu erkennen glaube, ſo ſage ich: irren iſt menſch¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/228>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.