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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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Bischen überschritten hatten, fanden sie das dasige
Ländchen sehr aufgeregt und die Bauern darüber
erbos't, daß man solchergestalt auf ihrem Terri¬
torium erscheine, wie zu den Zeiten des Faust¬
rechtes. Sie stellten jedoch kein Hinderniß ent¬
gegen, sondern standen nur mit spöttischen Ge¬
sichtern an den Wegen, welche zu sagen schienen,
daß sie die Eindringlinge einstweilen vorwärts¬
spazieren lassen aber auf dem Rückwege dann
näher ansehen wollten. Dies kam den Seld¬
wylern gar nicht geheuer vor und sie beschlossen
deshalb, das versprochene Eintreffen anderer Zu¬
züge abzuwarten, ehe sie weiter gingen. Als
diese aber nicht kamen und ein Gerücht sich ver¬
breitete, der Putsch sei schon vorüber und günstig
abgelaufen, machten sie sich endlich wieder auf
den Rückweg mit Ausnahme des Fritz Amrain,
welcher seelenallein und trotzig verwegen sich
von ihnen trennte und mitten durch das gegne¬
rische Gebiet wegmarschirte auf dessen Hauptstadt
zu. Denn er hatte, indem er seine Gefährten
zechen und schwatzen ließ, sich erkundigt und ver¬
nommen, daß ein Häuflein Bursche aus dem
Geburtsorte seiner Mutter einige Stunden von

Bischen überſchritten hatten, fanden ſie das daſige
Ländchen ſehr aufgeregt und die Bauern darüber
erboſ't, daß man ſolchergeſtalt auf ihrem Terri¬
torium erſcheine, wie zu den Zeiten des Fauſt¬
rechtes. Sie ſtellten jedoch kein Hinderniß ent¬
gegen, ſondern ſtanden nur mit ſpöttiſchen Ge¬
ſichtern an den Wegen, welche zu ſagen ſchienen,
daß ſie die Eindringlinge einſtweilen vorwärts¬
ſpazieren laſſen aber auf dem Rückwege dann
näher anſehen wollten. Dies kam den Seld¬
wylern gar nicht geheuer vor und ſie beſchloſſen
deshalb, das verſprochene Eintreffen anderer Zu¬
züge abzuwarten, ehe ſie weiter gingen. Als
dieſe aber nicht kamen und ein Gerücht ſich ver¬
breitete, der Putſch ſei ſchon vorüber und günſtig
abgelaufen, machten ſie ſich endlich wieder auf
den Rückweg mit Ausnahme des Fritz Amrain,
welcher ſeelenallein und trotzig verwegen ſich
von ihnen trennte und mitten durch das gegne¬
riſche Gebiet wegmarſchirte auf deſſen Hauptſtadt
zu. Denn er hatte, indem er ſeine Gefährten
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nommen, daß ein Häuflein Burſche aus dem
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[167/0179] Bischen überſchritten hatten, fanden ſie das daſige Ländchen ſehr aufgeregt und die Bauern darüber erboſ't, daß man ſolchergeſtalt auf ihrem Terri¬ torium erſcheine, wie zu den Zeiten des Fauſt¬ rechtes. Sie ſtellten jedoch kein Hinderniß ent¬ gegen, ſondern ſtanden nur mit ſpöttiſchen Ge¬ ſichtern an den Wegen, welche zu ſagen ſchienen, daß ſie die Eindringlinge einſtweilen vorwärts¬ ſpazieren laſſen aber auf dem Rückwege dann näher anſehen wollten. Dies kam den Seld¬ wylern gar nicht geheuer vor und ſie beſchloſſen deshalb, das verſprochene Eintreffen anderer Zu¬ züge abzuwarten, ehe ſie weiter gingen. Als dieſe aber nicht kamen und ein Gerücht ſich ver¬ breitete, der Putſch ſei ſchon vorüber und günſtig abgelaufen, machten ſie ſich endlich wieder auf den Rückweg mit Ausnahme des Fritz Amrain, welcher ſeelenallein und trotzig verwegen ſich von ihnen trennte und mitten durch das gegne¬ riſche Gebiet wegmarſchirte auf deſſen Hauptſtadt zu. Denn er hatte, indem er ſeine Gefährten zechen und ſchwatzen ließ, ſich erkundigt und ver¬ nommen, daß ein Häuflein Burſche aus dem Geburtsorte ſeiner Mutter einige Stunden von

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/179>, abgerufen am 27.11.2024.