den Besen, die Eule setzte sich hinter sie auf den Stiel und Spiegel zuhinterst auf das Reisig¬ bündel und hielt sich da fest, und so ritten sie nach dem Brunnen, in welchen die Hexe hinabfuhr, um den Schatz herauf zu holen.
Am Morgen erschien Spiegel bei Herrn Pineiß und meldete ihm, daß er die bewußte Person ansehen und freien könne; sie sei aber allbereits so arm geworden, daß sie, gänzlich verlassen und verstoßen, vor dem Thore unter einem Baum sitze und bitterlich weine. Sogleich kleidete sich Herr Pineiß in sein abgeschabtes gelbes Sammtwämschen, das er nur bei feier¬ lichen Gelegenheiten trug, setzte die bessere Pu¬ delmütze auf und umgürtete sich mit seinem De¬ gen; in die Hand nahm er einen alten grünen Handschuh, ein Balsamfläschchen, worin einst Bal¬ sam gewesen und das noch ein Bischen roch, und eine papierne Nelke, worauf er mit Spie¬ gel vor das Thor ging, um zu freien. Dort traf er ein weinendes Frauenzimmer sitzen unter einem Weidenbaum, von so großer Schönheit, wie er noch nie gesehen; aber ihr Gewand war so dürftig und zerrissen, daß, sie mochte sich auch
den Beſen, die Eule ſetzte ſich hinter ſie auf den Stiel und Spiegel zuhinterſt auf das Reiſig¬ bündel und hielt ſich da feſt, und ſo ritten ſie nach dem Brunnen, in welchen die Hexe hinabfuhr, um den Schatz herauf zu holen.
Am Morgen erſchien Spiegel bei Herrn Pineiß und meldete ihm, daß er die bewußte Perſon anſehen und freien könne; ſie ſei aber allbereits ſo arm geworden, daß ſie, gänzlich verlaſſen und verſtoßen, vor dem Thore unter einem Baum ſitze und bitterlich weine. Sogleich kleidete ſich Herr Pineiß in ſein abgeſchabtes gelbes Sammtwämschen, das er nur bei feier¬ lichen Gelegenheiten trug, ſetzte die beſſere Pu¬ delmütze auf und umgürtete ſich mit ſeinem De¬ gen; in die Hand nahm er einen alten grünen Handſchuh, ein Balſamfläſchchen, worin einſt Bal¬ ſam geweſen und das noch ein Bischen roch, und eine papierne Nelke, worauf er mit Spie¬ gel vor das Thor ging, um zu freien. Dort traf er ein weinendes Frauenzimmer ſitzen unter einem Weidenbaum, von ſo großer Schönheit, wie er noch nie geſehen; aber ihr Gewand war ſo dürftig und zerriſſen, daß, ſie mochte ſich auch
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den Beſen, die Eule ſetzte ſich hinter ſie auf
den Stiel und Spiegel zuhinterſt auf das Reiſig¬
bündel und hielt ſich da feſt, und ſo ritten ſie nach
dem Brunnen, in welchen die Hexe hinabfuhr, um
den Schatz herauf zu holen.
Am Morgen erſchien Spiegel bei Herrn
Pineiß und meldete ihm, daß er die bewußte
Perſon anſehen und freien könne; ſie ſei aber
allbereits ſo arm geworden, daß ſie, gänzlich
verlaſſen und verſtoßen, vor dem Thore unter
einem Baum ſitze und bitterlich weine. Sogleich
kleidete ſich Herr Pineiß in ſein abgeſchabtes
gelbes Sammtwämschen, das er nur bei feier¬
lichen Gelegenheiten trug, ſetzte die beſſere Pu¬
delmütze auf und umgürtete ſich mit ſeinem De¬
gen; in die Hand nahm er einen alten grünen
Handſchuh, ein Balſamfläſchchen, worin einſt Bal¬
ſam geweſen und das noch ein Bischen roch,
und eine papierne Nelke, worauf er mit Spie¬
gel vor das Thor ging, um zu freien. Dort
traf er ein weinendes Frauenzimmer ſitzen unter
einem Weidenbaum, von ſo großer Schönheit, wie
er noch nie geſehen; aber ihr Gewand war ſo
dürftig und zerriſſen, daß, ſie mochte ſich auch
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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/532>, abgerufen am 28.12.2024.
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