an, wie mit einer Glocke, so daß es ein fröhlicher Morgen ward. Aber kurz darauf entfloh der falsche Mensch aus der Gegend und ließ nie wieder von sich hören. Sein Meister verlangte obenein noch den Mörser zurück, da der Entflo¬ hene ihn seinem Laden entnommen aber nicht bezahlt habe. Aber Züs Bünzlin gab das werthe Andenken nicht heraus, sondern führte einen tapfern und heftigen kleinen Proceß darum, den sie selbst vor Gericht vertheidigte auf Grund¬ lage einer Rechnung für gewaschene Vorhemden des Entwichenen. Dies waren, als sie den Streit um den Mörser führen mußte, die bedeut¬ samsten und schmerzhaftesten Tage ihres Lebens, da sie mit ihrem tiefen Verstande die Dinge und besonders das Erscheinen vor Gericht um solch' zarter Sache willen viel lebendiger begriff und empfand, als andere leichtere Leute. Doch erstritt sie den Sieg und behielt den Mörser.
Wenn aber die zierliche Seifengallerie ihre Werkthätigkeit und ihren exacten Sinn verkün¬ dete, so pries nicht minder ihren erbaulichen und geschulten Geist ein Häufchen unterschiedlicher Bücher, welches am Fenster ordentlich aufgeschich¬
an, wie mit einer Glocke, ſo daß es ein fröhlicher Morgen ward. Aber kurz darauf entfloh der falſche Menſch aus der Gegend und ließ nie wieder von ſich hören. Sein Meiſter verlangte obenein noch den Mörſer zurück, da der Entflo¬ hene ihn ſeinem Laden entnommen aber nicht bezahlt habe. Aber Züs Bünzlin gab das werthe Andenken nicht heraus, ſondern führte einen tapfern und heftigen kleinen Proceß darum, den ſie ſelbſt vor Gericht vertheidigte auf Grund¬ lage einer Rechnung für gewaſchene Vorhemden des Entwichenen. Dies waren, als ſie den Streit um den Mörſer führen mußte, die bedeut¬ ſamſten und ſchmerzhafteſten Tage ihres Lebens, da ſie mit ihrem tiefen Verſtande die Dinge und beſonders das Erſcheinen vor Gericht um ſolch' zarter Sache willen viel lebendiger begriff und empfand, als andere leichtere Leute. Doch erſtritt ſie den Sieg und behielt den Mörſer.
Wenn aber die zierliche Seifengallerie ihre Werkthätigkeit und ihren exacten Sinn verkün¬ dete, ſo pries nicht minder ihren erbaulichen und geſchulten Geiſt ein Häufchen unterſchiedlicher Bücher, welches am Fenſter ordentlich aufgeſchich¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0400"n="388"/>
an, wie mit einer Glocke, ſo daß es ein fröhlicher<lb/>
Morgen ward. Aber kurz darauf entfloh der<lb/>
falſche Menſch aus der Gegend und ließ nie<lb/>
wieder von ſich hören. Sein Meiſter verlangte<lb/>
obenein noch den Mörſer zurück, da der Entflo¬<lb/>
hene ihn ſeinem Laden entnommen aber nicht<lb/>
bezahlt habe. Aber Züs Bünzlin gab das<lb/>
werthe Andenken nicht heraus, ſondern führte<lb/>
einen tapfern und heftigen kleinen Proceß darum,<lb/>
den ſie ſelbſt vor Gericht vertheidigte auf Grund¬<lb/>
lage einer Rechnung für gewaſchene Vorhemden<lb/>
des Entwichenen. Dies waren, als ſie den<lb/>
Streit um den Mörſer führen mußte, die bedeut¬<lb/>ſamſten und ſchmerzhafteſten Tage ihres Lebens,<lb/>
da ſie mit ihrem tiefen Verſtande die Dinge<lb/>
und beſonders das Erſcheinen vor Gericht um<lb/>ſolch' zarter Sache willen viel lebendiger begriff<lb/>
und empfand, als andere leichtere Leute. Doch<lb/>
erſtritt ſie den Sieg und behielt den Mörſer.</p><lb/><p>Wenn aber die zierliche Seifengallerie ihre<lb/>
Werkthätigkeit und ihren exacten Sinn verkün¬<lb/>
dete, ſo pries nicht minder ihren erbaulichen und<lb/>
geſchulten Geiſt ein Häufchen unterſchiedlicher<lb/>
Bücher, welches am Fenſter ordentlich aufgeſchich¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[388/0400]
an, wie mit einer Glocke, ſo daß es ein fröhlicher
Morgen ward. Aber kurz darauf entfloh der
falſche Menſch aus der Gegend und ließ nie
wieder von ſich hören. Sein Meiſter verlangte
obenein noch den Mörſer zurück, da der Entflo¬
hene ihn ſeinem Laden entnommen aber nicht
bezahlt habe. Aber Züs Bünzlin gab das
werthe Andenken nicht heraus, ſondern führte
einen tapfern und heftigen kleinen Proceß darum,
den ſie ſelbſt vor Gericht vertheidigte auf Grund¬
lage einer Rechnung für gewaſchene Vorhemden
des Entwichenen. Dies waren, als ſie den
Streit um den Mörſer führen mußte, die bedeut¬
ſamſten und ſchmerzhafteſten Tage ihres Lebens,
da ſie mit ihrem tiefen Verſtande die Dinge
und beſonders das Erſcheinen vor Gericht um
ſolch' zarter Sache willen viel lebendiger begriff
und empfand, als andere leichtere Leute. Doch
erſtritt ſie den Sieg und behielt den Mörſer.
Wenn aber die zierliche Seifengallerie ihre
Werkthätigkeit und ihren exacten Sinn verkün¬
dete, ſo pries nicht minder ihren erbaulichen und
geſchulten Geiſt ein Häufchen unterſchiedlicher
Bücher, welches am Fenſter ordentlich aufgeſchich¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/400>, abgerufen am 28.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.