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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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deshalb freuten sich die Seldwyler auf das unver¬
hoffte Schauspiel und waren begierig, die gerechten
und ehrbaren Kammmacher zu ihrem Spaße
laufen und ankommen zu sehen. Eine große
Menschenmenge zog vor das Thor und lagerte
sich zu beiden Seiten der Straße, wie wenn
man einen Schnellläufer erwartet. Die Knaben
kletterten auf die Bäume, die Alten und Rück¬
gesetzten saßen im Grase und rauchten ihr Pfeifchen,
vergnügt, daß sich ihnen ein so wohlfeiles Ver¬
gnügen aufgethan. Selbst die Herren waren
ausgerückt, um den Hauptspaß mit anzusehen,
saßen fröhlich diskurirend in den Gärten und
Lauben der Wirthshäuser und bereiteten eine
Menge Wetten vor. In den Straßen, durch
welche die Läufer kommen mußten, waren alle
Fenster geöffnet, die Frauen hatten in den Vi¬
sitenstuben rothe und weiße Kissen ausgelegt, die
Arme darauf zu legen, und zahlreichen Damen¬
besuch empfangen, so daß fröhliche Kaffeegesell¬
schaften aus dem Stegreif entstanden und die
Mägde genug zu laufen hatten, um Kuchen und
Zwieback zu holen. Vor dem Thore aber sahen
jetzt die Buben auf den höchsten Bäumen eine

deshalb freuten ſich die Seldwyler auf das unver¬
hoffte Schauſpiel und waren begierig, die gerechten
und ehrbaren Kammmacher zu ihrem Spaße
laufen und ankommen zu ſehen. Eine große
Menſchenmenge zog vor das Thor und lagerte
ſich zu beiden Seiten der Straße, wie wenn
man einen Schnellläufer erwartet. Die Knaben
kletterten auf die Bäume, die Alten und Rück¬
geſetzten ſaßen im Graſe und rauchten ihr Pfeifchen,
vergnügt, daß ſich ihnen ein ſo wohlfeiles Ver¬
gnügen aufgethan. Selbſt die Herren waren
ausgerückt, um den Hauptſpaß mit anzuſehen,
ſaßen fröhlich diskurirend in den Gärten und
Lauben der Wirthshäuſer und bereiteten eine
Menge Wetten vor. In den Straßen, durch
welche die Läufer kommen mußten, waren alle
Fenſter geöffnet, die Frauen hatten in den Vi¬
ſitenſtuben rothe und weiße Kiſſen ausgelegt, die
Arme darauf zu legen, und zahlreichen Damen¬
beſuch empfangen, ſo daß fröhliche Kaffeegeſell¬
ſchaften aus dem Stegreif entſtanden und die
Mägde genug zu laufen hatten, um Kuchen und
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[440/0452] deshalb freuten ſich die Seldwyler auf das unver¬ hoffte Schauſpiel und waren begierig, die gerechten und ehrbaren Kammmacher zu ihrem Spaße laufen und ankommen zu ſehen. Eine große Menſchenmenge zog vor das Thor und lagerte ſich zu beiden Seiten der Straße, wie wenn man einen Schnellläufer erwartet. Die Knaben kletterten auf die Bäume, die Alten und Rück¬ geſetzten ſaßen im Graſe und rauchten ihr Pfeifchen, vergnügt, daß ſich ihnen ein ſo wohlfeiles Ver¬ gnügen aufgethan. Selbſt die Herren waren ausgerückt, um den Hauptſpaß mit anzuſehen, ſaßen fröhlich diskurirend in den Gärten und Lauben der Wirthshäuſer und bereiteten eine Menge Wetten vor. In den Straßen, durch welche die Läufer kommen mußten, waren alle Fenſter geöffnet, die Frauen hatten in den Vi¬ ſitenſtuben rothe und weiße Kiſſen ausgelegt, die Arme darauf zu legen, und zahlreichen Damen¬ beſuch empfangen, ſo daß fröhliche Kaffeegeſell¬ ſchaften aus dem Stegreif entſtanden und die Mägde genug zu laufen hatten, um Kuchen und Zwieback zu holen. Vor dem Thore aber ſahen jetzt die Buben auf den höchſten Bäumen eine

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/452>, abgerufen am 25.11.2024.