deshalb freuten sich die Seldwyler auf das unver¬ hoffte Schauspiel und waren begierig, die gerechten und ehrbaren Kammmacher zu ihrem Spaße laufen und ankommen zu sehen. Eine große Menschenmenge zog vor das Thor und lagerte sich zu beiden Seiten der Straße, wie wenn man einen Schnellläufer erwartet. Die Knaben kletterten auf die Bäume, die Alten und Rück¬ gesetzten saßen im Grase und rauchten ihr Pfeifchen, vergnügt, daß sich ihnen ein so wohlfeiles Ver¬ gnügen aufgethan. Selbst die Herren waren ausgerückt, um den Hauptspaß mit anzusehen, saßen fröhlich diskurirend in den Gärten und Lauben der Wirthshäuser und bereiteten eine Menge Wetten vor. In den Straßen, durch welche die Läufer kommen mußten, waren alle Fenster geöffnet, die Frauen hatten in den Vi¬ sitenstuben rothe und weiße Kissen ausgelegt, die Arme darauf zu legen, und zahlreichen Damen¬ besuch empfangen, so daß fröhliche Kaffeegesell¬ schaften aus dem Stegreif entstanden und die Mägde genug zu laufen hatten, um Kuchen und Zwieback zu holen. Vor dem Thore aber sahen jetzt die Buben auf den höchsten Bäumen eine
deshalb freuten ſich die Seldwyler auf das unver¬ hoffte Schauſpiel und waren begierig, die gerechten und ehrbaren Kammmacher zu ihrem Spaße laufen und ankommen zu ſehen. Eine große Menſchenmenge zog vor das Thor und lagerte ſich zu beiden Seiten der Straße, wie wenn man einen Schnellläufer erwartet. Die Knaben kletterten auf die Bäume, die Alten und Rück¬ geſetzten ſaßen im Graſe und rauchten ihr Pfeifchen, vergnügt, daß ſich ihnen ein ſo wohlfeiles Ver¬ gnügen aufgethan. Selbſt die Herren waren ausgerückt, um den Hauptſpaß mit anzuſehen, ſaßen fröhlich diskurirend in den Gärten und Lauben der Wirthshäuſer und bereiteten eine Menge Wetten vor. In den Straßen, durch welche die Läufer kommen mußten, waren alle Fenſter geöffnet, die Frauen hatten in den Vi¬ ſitenſtuben rothe und weiße Kiſſen ausgelegt, die Arme darauf zu legen, und zahlreichen Damen¬ beſuch empfangen, ſo daß fröhliche Kaffeegeſell¬ ſchaften aus dem Stegreif entſtanden und die Mägde genug zu laufen hatten, um Kuchen und Zwieback zu holen. Vor dem Thore aber ſahen jetzt die Buben auf den höchſten Bäumen eine
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0452"n="440"/>
deshalb freuten ſich die Seldwyler auf das unver¬<lb/>
hoffte Schauſpiel und waren begierig, die gerechten<lb/>
und ehrbaren Kammmacher zu ihrem Spaße<lb/>
laufen und ankommen zu ſehen. Eine große<lb/>
Menſchenmenge zog vor das Thor und lagerte<lb/>ſich zu beiden Seiten der Straße, wie wenn<lb/>
man einen Schnellläufer erwartet. Die Knaben<lb/>
kletterten auf die Bäume, die Alten und Rück¬<lb/>
geſetzten ſaßen im Graſe und rauchten ihr Pfeifchen,<lb/>
vergnügt, daß ſich ihnen ein ſo wohlfeiles Ver¬<lb/>
gnügen aufgethan. Selbſt die Herren waren<lb/>
ausgerückt, um den Hauptſpaß mit anzuſehen,<lb/>ſaßen fröhlich diskurirend in den Gärten und<lb/>
Lauben der Wirthshäuſer und bereiteten eine<lb/>
Menge Wetten vor. In den Straßen, durch<lb/>
welche die Läufer kommen mußten, waren alle<lb/>
Fenſter geöffnet, die Frauen hatten in den Vi¬<lb/>ſitenſtuben rothe und weiße Kiſſen ausgelegt, die<lb/>
Arme darauf zu legen, und zahlreichen Damen¬<lb/>
beſuch empfangen, ſo daß fröhliche Kaffeegeſell¬<lb/>ſchaften aus dem Stegreif entſtanden und die<lb/>
Mägde genug zu laufen hatten, um Kuchen und<lb/>
Zwieback zu holen. Vor dem Thore aber ſahen<lb/>
jetzt die Buben auf den höchſten Bäumen eine<lb/></p></div></body></text></TEI>
[440/0452]
deshalb freuten ſich die Seldwyler auf das unver¬
hoffte Schauſpiel und waren begierig, die gerechten
und ehrbaren Kammmacher zu ihrem Spaße
laufen und ankommen zu ſehen. Eine große
Menſchenmenge zog vor das Thor und lagerte
ſich zu beiden Seiten der Straße, wie wenn
man einen Schnellläufer erwartet. Die Knaben
kletterten auf die Bäume, die Alten und Rück¬
geſetzten ſaßen im Graſe und rauchten ihr Pfeifchen,
vergnügt, daß ſich ihnen ein ſo wohlfeiles Ver¬
gnügen aufgethan. Selbſt die Herren waren
ausgerückt, um den Hauptſpaß mit anzuſehen,
ſaßen fröhlich diskurirend in den Gärten und
Lauben der Wirthshäuſer und bereiteten eine
Menge Wetten vor. In den Straßen, durch
welche die Läufer kommen mußten, waren alle
Fenſter geöffnet, die Frauen hatten in den Vi¬
ſitenſtuben rothe und weiße Kiſſen ausgelegt, die
Arme darauf zu legen, und zahlreichen Damen¬
beſuch empfangen, ſo daß fröhliche Kaffeegeſell¬
ſchaften aus dem Stegreif entſtanden und die
Mägde genug zu laufen hatten, um Kuchen und
Zwieback zu holen. Vor dem Thore aber ſahen
jetzt die Buben auf den höchſten Bäumen eine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/452>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.