Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.gebreiteten Flügel einer Fledermaus, unter welchen Als nun das Signal zum Kampfe mit Guhl dem gebreiteten Flügel einer Fledermaus, unter welchen Als nun das Signal zum Kampfe mit Guhl dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0071" n="57"/> gebreiteten Flügel einer Fledermaus, unter welchen<lb/> er drohende Blicke aus geſchlitzten Augen hervorſandte.</p><lb/> <p>Als nun das Signal zum Kampfe mit Guhl dem<lb/> Geſchwinden gegeben wurde, ritt dieſer gegen die<lb/> Jungfrau heran und umkreiste ſie mit immer größerer<lb/> Schnelligkeit, ſie mit ſeinem Schilde zu blenden ſuchend<lb/> und mit der Lanze hundert Stöße nach ihr führend.<lb/> Inzwiſchen verharrte die Jungfrau immer auf der¬<lb/> ſelben Stelle in der Mitte des Turnierplatzes und<lb/> ſchien nur die Angriffe mit Schild und Speer ab¬<lb/> zuwehren, wobei ſie mit großer Kunſt das Pferd auf<lb/> den Hinterfüßen ſich drehen ließ, ſo daß ſie ſtets dem<lb/> Feinde das Angeſicht zuwendete. Als Guhl das be¬<lb/> merkte, ritt er plötzlich weit weg, kehrte dann um und<lb/> rannte mit eingelegter Lanze auf ſie ein, um ſie über<lb/> den Haufen zu ſtechen. Unbeweglich erwartete ihn<lb/> die Jungfrau, aber Mann und Pferd ſchienen von<lb/> Erz, ſo feſt ſtanden ſie da, und der arme Kerl, der<lb/> nicht wußte, daß er mit einer höheren Gewalt ſtritt,<lb/> flog unverſehens, als er auf ihren Speer rannte,<lb/> während der ſeinige wie ein Halm an ihrem Schilde<lb/> zerbrach, aus dem Sattel und lag auf der Erde. Un¬<lb/> verweilt ſprang die Jungfrau vom Pferde, kniete ihm<lb/> auf die Bruſt, daß er unter der gewaltigen Stärke<lb/> ſich nicht rühren konnte, und ſchnitt ihm mit ihrem<lb/> Dolche die beiden Schnäuze mit den Silberglöcklein<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [57/0071]
gebreiteten Flügel einer Fledermaus, unter welchen
er drohende Blicke aus geſchlitzten Augen hervorſandte.
Als nun das Signal zum Kampfe mit Guhl dem
Geſchwinden gegeben wurde, ritt dieſer gegen die
Jungfrau heran und umkreiste ſie mit immer größerer
Schnelligkeit, ſie mit ſeinem Schilde zu blenden ſuchend
und mit der Lanze hundert Stöße nach ihr führend.
Inzwiſchen verharrte die Jungfrau immer auf der¬
ſelben Stelle in der Mitte des Turnierplatzes und
ſchien nur die Angriffe mit Schild und Speer ab¬
zuwehren, wobei ſie mit großer Kunſt das Pferd auf
den Hinterfüßen ſich drehen ließ, ſo daß ſie ſtets dem
Feinde das Angeſicht zuwendete. Als Guhl das be¬
merkte, ritt er plötzlich weit weg, kehrte dann um und
rannte mit eingelegter Lanze auf ſie ein, um ſie über
den Haufen zu ſtechen. Unbeweglich erwartete ihn
die Jungfrau, aber Mann und Pferd ſchienen von
Erz, ſo feſt ſtanden ſie da, und der arme Kerl, der
nicht wußte, daß er mit einer höheren Gewalt ſtritt,
flog unverſehens, als er auf ihren Speer rannte,
während der ſeinige wie ein Halm an ihrem Schilde
zerbrach, aus dem Sattel und lag auf der Erde. Un¬
verweilt ſprang die Jungfrau vom Pferde, kniete ihm
auf die Bruſt, daß er unter der gewaltigen Stärke
ſich nicht rühren konnte, und ſchnitt ihm mit ihrem
Dolche die beiden Schnäuze mit den Silberglöcklein
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