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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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sie bemerkte auch, daß etwas wie das Schwanzende
einer Schlange aus dem Wirrsal hervorguckte. Da
sah sie, daß es der Teufel war, welcher, noch immer
verliebt, auch in der Nähe der Burg herumgeschlichen
war und sich vor der Jungfrau schnell in das Gerölle
versteckt hatte. Scheinbar achtlos ritt sie vorüber,
ließ aber geschickt das Pferd einen kleinen Seiten¬
sprung machen, daß es mit dem Hinterhufe auf jenes
verdächtige Schwanzende trat. Pfeifend fuhr der Böse
hervor und davon und machte sich an diesem Tage
nicht mehr bemerklich.

Durch dieses kleine Abenteuer erheitert, ritt sie
guten Muthes vollends auf die Burg Bertrades, wo
sie eben ankam, als die zwei stärksten Kämpen übrig
geblieben, um die Entscheidung unter sich herbeizu¬
führen.

Langsam und in nachlässiger Haltung, ganz wie
Zendelwald, ritt sie auf den Platz und schien unent¬
schlossen, ob sie sich betheiligen wolle oder nicht.

"Da kommt noch der träge Zendelwald," hieß es,
und die zwei starken Ritter sagten: "Was will uns
der? Laßt uns ihn noch schnell abthun, ehe wir's
unter uns ausmachen!"

Der Eine nannte sich "Guhl der Geschwinde". Er
pflegte sich mit seinem Rosse wie ein Wirbelwind
herum zu tummeln und suchte seine Gegner mit hun¬

ſie bemerkte auch, daß etwas wie das Schwanzende
einer Schlange aus dem Wirrſal hervorguckte. Da
ſah ſie, daß es der Teufel war, welcher, noch immer
verliebt, auch in der Nähe der Burg herumgeſchlichen
war und ſich vor der Jungfrau ſchnell in das Gerölle
verſteckt hatte. Scheinbar achtlos ritt ſie vorüber,
ließ aber geſchickt das Pferd einen kleinen Seiten¬
ſprung machen, daß es mit dem Hinterhufe auf jenes
verdächtige Schwanzende trat. Pfeifend fuhr der Böſe
hervor und davon und machte ſich an dieſem Tage
nicht mehr bemerklich.

Durch dieſes kleine Abenteuer erheitert, ritt ſie
guten Muthes vollends auf die Burg Bertrades, wo
ſie eben ankam, als die zwei ſtärkſten Kämpen übrig
geblieben, um die Entſcheidung unter ſich herbeizu¬
führen.

Langſam und in nachläſſiger Haltung, ganz wie
Zendelwald, ritt ſie auf den Platz und ſchien unent¬
ſchloſſen, ob ſie ſich betheiligen wolle oder nicht.

„Da kommt noch der träge Zendelwald,“ hieß es,
und die zwei ſtarken Ritter ſagten: „Was will uns
der? Laßt uns ihn noch ſchnell abthun, ehe wir's
unter uns ausmachen!“

Der Eine nannte ſich „Guhl der Geſchwinde“. Er
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[55/0069] ſie bemerkte auch, daß etwas wie das Schwanzende einer Schlange aus dem Wirrſal hervorguckte. Da ſah ſie, daß es der Teufel war, welcher, noch immer verliebt, auch in der Nähe der Burg herumgeſchlichen war und ſich vor der Jungfrau ſchnell in das Gerölle verſteckt hatte. Scheinbar achtlos ritt ſie vorüber, ließ aber geſchickt das Pferd einen kleinen Seiten¬ ſprung machen, daß es mit dem Hinterhufe auf jenes verdächtige Schwanzende trat. Pfeifend fuhr der Böſe hervor und davon und machte ſich an dieſem Tage nicht mehr bemerklich. Durch dieſes kleine Abenteuer erheitert, ritt ſie guten Muthes vollends auf die Burg Bertrades, wo ſie eben ankam, als die zwei ſtärkſten Kämpen übrig geblieben, um die Entſcheidung unter ſich herbeizu¬ führen. Langſam und in nachläſſiger Haltung, ganz wie Zendelwald, ritt ſie auf den Platz und ſchien unent¬ ſchloſſen, ob ſie ſich betheiligen wolle oder nicht. „Da kommt noch der träge Zendelwald,“ hieß es, und die zwei ſtarken Ritter ſagten: „Was will uns der? Laßt uns ihn noch ſchnell abthun, ehe wir's unter uns ausmachen!“ Der Eine nannte ſich „Guhl der Geſchwinde“. Er pflegte ſich mit ſeinem Roſſe wie ein Wirbelwind herum zu tummeln und ſuchte ſeine Gegner mit hun¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/69>, abgerufen am 29.03.2024.