Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.Begriffen in diesen Zeitläuften gibt; auch sagt man Als der Fremde weggeritten war, sagte die Mutter: Der Sohn fing über ihre Worte mächtig an zu Begriffen in dieſen Zeitläuften gibt; auch ſagt man Als der Fremde weggeritten war, ſagte die Mutter: Der Sohn fing über ihre Worte mächtig an zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0066" n="52"/> Begriffen in dieſen Zeitläuften gibt; auch ſagt man<lb/> allgemein, die Frau hoffe, es werde ſich auf dieſem<lb/> Wege irgend ein unbekanntes Glück für ſie einfinden,<lb/> ſo ein armer tugendlicher Held, welchen ſie alsdann<lb/> recht hätſcheln könnte, und die großen bekannten Gra¬<lb/> fen und eiteln Freier ſeien ihr alle zuwider.“</p><lb/> <p>Als der Fremde weggeritten war, ſagte die Mutter:<lb/> „Nun will ich wetten, daß niemand anders als Ber¬<lb/> trade ſelbſt dieſen Boten hergeſandt hat, dich auf die<lb/> richtige Spur zu locken, mein lieber Zendelwald!<lb/> Das iſt mit Händen zu greifen; was hätte der Kauz,<lb/> der unſer letztes Krüglein Wein zu ſich genommen<lb/> hat, ſonſt zu thun und zu reiſen in dieſem Wald?“</p><lb/> <p>Der Sohn fing über ihre Worte mächtig an zu<lb/> lachen und lachte immer ſtärker, theils über die offen¬<lb/> bare Unmöglichkeit der mütterlichen Einbildungen,<lb/> theils weil ihm dieſe Einbildungen doch wohlgefielen.<lb/> Der bloße Gedanke, Bertrade könnte wünſchen, ſeiner<lb/> habhaft zu werden, ließ ihn nicht aus dem Lachen<lb/> heraus kommen. Doch die Mutter, welche glaubte,<lb/> er lache, um ſie zu verſpotten, gerieth in Zorn und<lb/> rief: „So höre denn! Meinen Fluch gebe ich Dir,<lb/> wenn Du mir nicht gehorchſt und Dich von Stund<lb/> an auf den Weg machſt, jenes Glück zu erwerben!<lb/> Ohne daſſelbe kehre nicht zurück, ich mag Dich dann<lb/> nie wieder ſehen! Oder wenn Du dennoch kommſt,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [52/0066]
Begriffen in dieſen Zeitläuften gibt; auch ſagt man
allgemein, die Frau hoffe, es werde ſich auf dieſem
Wege irgend ein unbekanntes Glück für ſie einfinden,
ſo ein armer tugendlicher Held, welchen ſie alsdann
recht hätſcheln könnte, und die großen bekannten Gra¬
fen und eiteln Freier ſeien ihr alle zuwider.“
Als der Fremde weggeritten war, ſagte die Mutter:
„Nun will ich wetten, daß niemand anders als Ber¬
trade ſelbſt dieſen Boten hergeſandt hat, dich auf die
richtige Spur zu locken, mein lieber Zendelwald!
Das iſt mit Händen zu greifen; was hätte der Kauz,
der unſer letztes Krüglein Wein zu ſich genommen
hat, ſonſt zu thun und zu reiſen in dieſem Wald?“
Der Sohn fing über ihre Worte mächtig an zu
lachen und lachte immer ſtärker, theils über die offen¬
bare Unmöglichkeit der mütterlichen Einbildungen,
theils weil ihm dieſe Einbildungen doch wohlgefielen.
Der bloße Gedanke, Bertrade könnte wünſchen, ſeiner
habhaft zu werden, ließ ihn nicht aus dem Lachen
heraus kommen. Doch die Mutter, welche glaubte,
er lache, um ſie zu verſpotten, gerieth in Zorn und
rief: „So höre denn! Meinen Fluch gebe ich Dir,
wenn Du mir nicht gehorchſt und Dich von Stund
an auf den Weg machſt, jenes Glück zu erwerben!
Ohne daſſelbe kehre nicht zurück, ich mag Dich dann
nie wieder ſehen! Oder wenn Du dennoch kommſt,
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