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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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frau begab sich etwas ermüdet nach ihrem Kirchlein
zurück; der Böse hingegen, unfähig, länger irgend
eine Verwandlung zu tragen und wie an allen Glie¬
dern zermalmt, schleppte sich in grausig dürftiger
Gestalt, wie der leibhafte geschwänzte Gram, im
Sande davon. So übel war ihm das vorgehabte
Schäferstündchen bekommen!

Gebizo indessen, nachdem er sein liebliches Weib
verlassen, war in der beginnenden Nacht irr geritten
und Roß und Mann in eine Kluft gestürzt, wo er
den Kopf an einem Stein zerschellte, so daß es nun
überall aus mit ihm war.

Bertrade dagegen verharrte in ihrem Schlafe bis
die Sonne des ersten Maitages aufging; da erwachte
sie und verwunderte sich über die verflossene Zeit. Doch
sagte sie gleich ihr Ave Maria, und als sie gesund
und munter vor das Kirchlein trat, stand ihr Pferd
davor wie sie es verlassen. Sie wartete nicht lang auf
ihren Gemahl, sondern ritt froh und eilig nach Hause;
denn sie ahnte, daß sie irgend einer großen Gefahr
entgangen sei.

Bald fand und brachte man die Leiche des Gra¬
fen. Bertrade ließ ihn mit allen Ehren bestatten
und stiftete unzählige Messen für ihn. Aber alle
Liebe zu ihm war unerklärlicher Weise für sie aus
ihrem Herzen weggetilgt, obgleich dasselbe so freund¬

frau begab ſich etwas ermüdet nach ihrem Kirchlein
zurück; der Böſe hingegen, unfähig, länger irgend
eine Verwandlung zu tragen und wie an allen Glie¬
dern zermalmt, ſchleppte ſich in grauſig dürftiger
Geſtalt, wie der leibhafte geſchwänzte Gram, im
Sande davon. So übel war ihm das vorgehabte
Schäferſtündchen bekommen!

Gebizo indeſſen, nachdem er ſein liebliches Weib
verlaſſen, war in der beginnenden Nacht irr geritten
und Roß und Mann in eine Kluft geſtürzt, wo er
den Kopf an einem Stein zerſchellte, ſo daß es nun
überall aus mit ihm war.

Bertrade dagegen verharrte in ihrem Schlafe bis
die Sonne des erſten Maitages aufging; da erwachte
ſie und verwunderte ſich über die verfloſſene Zeit. Doch
ſagte ſie gleich ihr Ave Maria, und als ſie geſund
und munter vor das Kirchlein trat, ſtand ihr Pferd
davor wie ſie es verlaſſen. Sie wartete nicht lang auf
ihren Gemahl, ſondern ritt froh und eilig nach Hauſe;
denn ſie ahnte, daß ſie irgend einer großen Gefahr
entgangen ſei.

Bald fand und brachte man die Leiche des Gra¬
fen. Bertrade ließ ihn mit allen Ehren beſtatten
und ſtiftete unzählige Meſſen für ihn. Aber alle
Liebe zu ihm war unerklärlicher Weiſe für ſie aus
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[42/0056] frau begab ſich etwas ermüdet nach ihrem Kirchlein zurück; der Böſe hingegen, unfähig, länger irgend eine Verwandlung zu tragen und wie an allen Glie¬ dern zermalmt, ſchleppte ſich in grauſig dürftiger Geſtalt, wie der leibhafte geſchwänzte Gram, im Sande davon. So übel war ihm das vorgehabte Schäferſtündchen bekommen! Gebizo indeſſen, nachdem er ſein liebliches Weib verlaſſen, war in der beginnenden Nacht irr geritten und Roß und Mann in eine Kluft geſtürzt, wo er den Kopf an einem Stein zerſchellte, ſo daß es nun überall aus mit ihm war. Bertrade dagegen verharrte in ihrem Schlafe bis die Sonne des erſten Maitages aufging; da erwachte ſie und verwunderte ſich über die verfloſſene Zeit. Doch ſagte ſie gleich ihr Ave Maria, und als ſie geſund und munter vor das Kirchlein trat, ſtand ihr Pferd davor wie ſie es verlaſſen. Sie wartete nicht lang auf ihren Gemahl, ſondern ritt froh und eilig nach Hauſe; denn ſie ahnte, daß ſie irgend einer großen Gefahr entgangen ſei. Bald fand und brachte man die Leiche des Gra¬ fen. Bertrade ließ ihn mit allen Ehren beſtatten und ſtiftete unzählige Meſſen für ihn. Aber alle Liebe zu ihm war unerklärlicher Weiſe für ſie aus ihrem Herzen weggetilgt, obgleich dasſelbe ſo freund¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/56>, abgerufen am 28.11.2024.