Wenn die Frauen den Ehrgeiz der Schönheit, Anmuth und Weiblichkeit hintansetzen, um sich in an¬ dern Dingen hervor zu thun, so endet die Sache oftmals damit, daß sie sich in Männerkleider werfen und so dahintrollen.
Die Sucht, den Mann zu spielen, kommt sogar schon in der frommen Legendenwelt der ersten Christen¬ zeit zum Vorschein und mehr als eine Heilige jener Tage war von dem Verlangen getrieben, sich vom Herkommen des Hauses und der Gesellschaft zu be¬ freien.
Ein solches Beispiel gab auch das feine Römer¬ mädchen Eugenia, freilich mit dem nicht ungewöhn¬ lichen Endresultat, daß sie, in große Verlegenheit ge¬ rathen durch ihre männlichen Liebhabereien, schließlich doch die Hilfsquellen ihres natürlichen Geschlechtes anrufen mußte, um sich zu retten.
Sie war die Tochter eines angesehenen Römers, der mit seiner Familie in Alexandria lebte, wo es
Wenn die Frauen den Ehrgeiz der Schönheit, Anmuth und Weiblichkeit hintanſetzen, um ſich in an¬ dern Dingen hervor zu thun, ſo endet die Sache oftmals damit, daß ſie ſich in Männerkleider werfen und ſo dahintrollen.
Die Sucht, den Mann zu ſpielen, kommt ſogar ſchon in der frommen Legendenwelt der erſten Chriſten¬ zeit zum Vorſchein und mehr als eine Heilige jener Tage war von dem Verlangen getrieben, ſich vom Herkommen des Hauſes und der Geſellſchaft zu be¬ freien.
Ein ſolches Beiſpiel gab auch das feine Römer¬ mädchen Eugenia, freilich mit dem nicht ungewöhn¬ lichen Endreſultat, daß ſie, in große Verlegenheit ge¬ rathen durch ihre männlichen Liebhabereien, ſchließlich doch die Hilfsquellen ihres natürlichen Geſchlechtes anrufen mußte, um ſich zu retten.
Sie war die Tochter eines angeſehenen Römers, der mit ſeiner Familie in Alexandria lebte, wo es
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0017"/><p><hirendition="#in">W</hi>enn die Frauen den Ehrgeiz der Schönheit,<lb/>
Anmuth und Weiblichkeit hintanſetzen, um ſich in an¬<lb/>
dern Dingen hervor zu thun, ſo endet die Sache<lb/>
oftmals damit, daß ſie ſich in Männerkleider werfen<lb/>
und ſo dahintrollen.</p><lb/><p>Die Sucht, den Mann zu ſpielen, kommt ſogar<lb/>ſchon in der frommen Legendenwelt der erſten Chriſten¬<lb/>
zeit zum Vorſchein und mehr als eine Heilige jener<lb/>
Tage war von dem Verlangen getrieben, ſich vom<lb/>
Herkommen des Hauſes und der Geſellſchaft zu be¬<lb/>
freien.</p><lb/><p>Ein ſolches Beiſpiel gab auch das feine Römer¬<lb/>
mädchen Eugenia, freilich mit dem nicht ungewöhn¬<lb/>
lichen Endreſultat, daß ſie, in große Verlegenheit ge¬<lb/>
rathen durch ihre männlichen Liebhabereien, ſchließlich<lb/>
doch die Hilfsquellen ihres natürlichen Geſchlechtes<lb/>
anrufen mußte, um ſich zu retten.</p><lb/><p>Sie war die Tochter eines angeſehenen Römers,<lb/>
der mit ſeiner Familie in Alexandria lebte, wo es<lb/></p></div></body></text></TEI>
[0017]
Wenn die Frauen den Ehrgeiz der Schönheit,
Anmuth und Weiblichkeit hintanſetzen, um ſich in an¬
dern Dingen hervor zu thun, ſo endet die Sache
oftmals damit, daß ſie ſich in Männerkleider werfen
und ſo dahintrollen.
Die Sucht, den Mann zu ſpielen, kommt ſogar
ſchon in der frommen Legendenwelt der erſten Chriſten¬
zeit zum Vorſchein und mehr als eine Heilige jener
Tage war von dem Verlangen getrieben, ſich vom
Herkommen des Hauſes und der Geſellſchaft zu be¬
freien.
Ein ſolches Beiſpiel gab auch das feine Römer¬
mädchen Eugenia, freilich mit dem nicht ungewöhn¬
lichen Endreſultat, daß ſie, in große Verlegenheit ge¬
rathen durch ihre männlichen Liebhabereien, ſchließlich
doch die Hilfsquellen ihres natürlichen Geſchlechtes
anrufen mußte, um ſich zu retten.
Sie war die Tochter eines angeſehenen Römers,
der mit ſeiner Familie in Alexandria lebte, wo es
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/17>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.