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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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Nach der Aufzeichnung des heiligen Gregorius war
Musa die Tänzerin unter den Heiligen. Guter Leute
Kind, war sie ein anmuthvolles Jungfräulein, welches
der Mutter Gottes fleißig diente und nur von einer
Leidenschaft bewegt war, nämlich von einer unbezwing¬
lichen Tanzlust, dermaßen, daß wenn das Kind nicht
betete, es unfehlbar tanzte. Und zwar auf jegliche
Weise. Musa tanzte mit ihren Gespielinnen, mit
Kindern, mit den Jünglingen und auch allein; sie
tanzte in ihrem Kämmerchen, im Saale, in den Gär¬
ten und auf den Wiesen, und selbst wenn sie zum
Altare ging, so war es mehr ein liebliches Tanzen
als ein Gehen, und auf den glatten Marmorplatten
vor der Kirchenthüre versäumte sie nie, schnell ein
Tänzchen zu probiren.

Ja, eines Tages, als sie sich allein in der Kirche
befand, konnte sie sich nicht enthalten, vor dem Altar
einige Figuren auszuführen und gewissermaßen der
Jungfrau Maria ein zierliches Gebet vorzutanzen.

Nach der Aufzeichnung des heiligen Gregorius war
Muſa die Tänzerin unter den Heiligen. Guter Leute
Kind, war ſie ein anmuthvolles Jungfräulein, welches
der Mutter Gottes fleißig diente und nur von einer
Leidenſchaft bewegt war, nämlich von einer unbezwing¬
lichen Tanzluſt, dermaßen, daß wenn das Kind nicht
betete, es unfehlbar tanzte. Und zwar auf jegliche
Weiſe. Muſa tanzte mit ihren Geſpielinnen, mit
Kindern, mit den Jünglingen und auch allein; ſie
tanzte in ihrem Kämmerchen, im Saale, in den Gär¬
ten und auf den Wieſen, und ſelbſt wenn ſie zum
Altare ging, ſo war es mehr ein liebliches Tanzen
als ein Gehen, und auf den glatten Marmorplatten
vor der Kirchenthüre verſäumte ſie nie, ſchnell ein
Tänzchen zu probiren.

Ja, eines Tages, als ſie ſich allein in der Kirche
befand, konnte ſie ſich nicht enthalten, vor dem Altar
einige Figuren auszuführen und gewiſſermaßen der
Jungfrau Maria ein zierliches Gebet vorzutanzen.

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[0153] Nach der Aufzeichnung des heiligen Gregorius war Muſa die Tänzerin unter den Heiligen. Guter Leute Kind, war ſie ein anmuthvolles Jungfräulein, welches der Mutter Gottes fleißig diente und nur von einer Leidenſchaft bewegt war, nämlich von einer unbezwing¬ lichen Tanzluſt, dermaßen, daß wenn das Kind nicht betete, es unfehlbar tanzte. Und zwar auf jegliche Weiſe. Muſa tanzte mit ihren Geſpielinnen, mit Kindern, mit den Jünglingen und auch allein; ſie tanzte in ihrem Kämmerchen, im Saale, in den Gär¬ ten und auf den Wieſen, und ſelbſt wenn ſie zum Altare ging, ſo war es mehr ein liebliches Tanzen als ein Gehen, und auf den glatten Marmorplatten vor der Kirchenthüre verſäumte ſie nie, ſchnell ein Tänzchen zu probiren. Ja, eines Tages, als ſie ſich allein in der Kirche befand, konnte ſie ſich nicht enthalten, vor dem Altar einige Figuren auszuführen und gewiſſermaßen der Jungfrau Maria ein zierliches Gebet vorzutanzen.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/153>, abgerufen am 29.03.2024.