Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.Er sah indessen weder rechts noch links, sonst Diese schnöde Behandlung wäre ihm zu anderer Er wurde jetzt ein eben so trefflicher und voll¬ Er ſah indeſſen weder rechts noch links, ſonſt Dieſe ſchnöde Behandlung wäre ihm zu anderer Er wurde jetzt ein eben ſo trefflicher und voll¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0132" n="118"/> <p>Er ſah indeſſen weder rechts noch links, ſonſt<lb/> würde er Jole auf der Zinne ihres Hauſes geſehen<lb/> haben. So ging er denn geraden Weges nach ſeinem<lb/> Kloſter, wo aber ſämmtliche Mönche ſammt ihrem<lb/> Vorſteher eben beſchloſſen hatten, ihn aus ihrer Mitte<lb/> zu verſtoßen, weil das Maß ſeiner Sünden nun voll<lb/> ſei und er nur zum Aergerniß und Schaden der<lb/> Kirche gereiche. Als ſie ihn gar in ſeinem weltlichen<lb/> hoffärtigen Aufzuge ankommen ſahen, ſtieß das dem<lb/> Faße ihrer Langmuth vollends den Boden aus; ſie<lb/> beſprengten und begoßen ihn mit Waſſer von allen<lb/> Seiten und trieben ihn mit Kreuzen, Beſen, Gabeln<lb/> und Kochlöffeln aus dem Kloſter.</p><lb/> <p>Dieſe ſchnöde Behandlung wäre ihm zu anderer<lb/> Zeit ein Hochgenuß und Triumph ſeines Märtyr¬<lb/> thums geweſen. Jetzt lachte er zwar auch innwendig,<lb/> aber in ziemlich anderm Sinne. Noch ging er ein¬<lb/> mal um die Ringmauern der Stadt herum und ließ<lb/> ſeinen rothen Mantel im Winde fliegen; eine herr¬<lb/> liche Luft wehte vom heiligen Lande her über das<lb/> blitzende Meer, aber Vitalis wurde immer weltlicher<lb/> im Gemüth und unverſehens lenkte er ſeinen Gang<lb/> wieder in die geräuſchvollen Straßen der Stadt,<lb/> ſuchte des Haus, wo Jole wohnte, und erfüllte deren<lb/> Willen.</p><lb/> <p>Er wurde jetzt ein eben ſo trefflicher und voll¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [118/0132]
Er ſah indeſſen weder rechts noch links, ſonſt
würde er Jole auf der Zinne ihres Hauſes geſehen
haben. So ging er denn geraden Weges nach ſeinem
Kloſter, wo aber ſämmtliche Mönche ſammt ihrem
Vorſteher eben beſchloſſen hatten, ihn aus ihrer Mitte
zu verſtoßen, weil das Maß ſeiner Sünden nun voll
ſei und er nur zum Aergerniß und Schaden der
Kirche gereiche. Als ſie ihn gar in ſeinem weltlichen
hoffärtigen Aufzuge ankommen ſahen, ſtieß das dem
Faße ihrer Langmuth vollends den Boden aus; ſie
beſprengten und begoßen ihn mit Waſſer von allen
Seiten und trieben ihn mit Kreuzen, Beſen, Gabeln
und Kochlöffeln aus dem Kloſter.
Dieſe ſchnöde Behandlung wäre ihm zu anderer
Zeit ein Hochgenuß und Triumph ſeines Märtyr¬
thums geweſen. Jetzt lachte er zwar auch innwendig,
aber in ziemlich anderm Sinne. Noch ging er ein¬
mal um die Ringmauern der Stadt herum und ließ
ſeinen rothen Mantel im Winde fliegen; eine herr¬
liche Luft wehte vom heiligen Lande her über das
blitzende Meer, aber Vitalis wurde immer weltlicher
im Gemüth und unverſehens lenkte er ſeinen Gang
wieder in die geräuſchvollen Straßen der Stadt,
ſuchte des Haus, wo Jole wohnte, und erfüllte deren
Willen.
Er wurde jetzt ein eben ſo trefflicher und voll¬
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