menheit und der Knechtschaft hergehend, von die¬ ser allein geübt und gepflegt, gerade seiner in sich wurzelnden Allgemeinheit wegen als eine Fähig¬ keit des menschlichen Geschlechtes eher geeignet war, unter den betrübtesten Verhältnissen den Sinn des Rechtes und mit diesem den Sinn der Freiheit, wenn auch schlafend, aufzubewahren, als das germanische Recht, welches seiner Gewohn¬ heitsnatur, seiner eigensinnigen Liebhabereien, sei¬ nes äußerlichen Gebrauchswesens und seines un¬ ächten Individualismus halber sich unfähig ge¬ zeigt hat, den vielgerühmten germanischen Sinn für Recht und Freiheit im Ganzen und Großen zu erhalten, so wenig als sich selbst. Denn das Recht ist eigentlich nichts als Kritik; diese soll so allgemein und grundsätzlich als möglich sein, und das productive Leben, der Gegenstand dieser Kritik, ist es, welches allzeit naturwüchsig und individuell sein soll.
Dafür regte das, was er vom germanischen Recht erfaßte, durch den poetischen und ehrwür¬ digen Duft und Glanz seiner verjährten Sprache und durch das malerische Costüm seine Begier
menheit und der Knechtſchaft hergehend, von die¬ ſer allein geuͤbt und gepflegt, gerade ſeiner in ſich wurzelnden Allgemeinheit wegen als eine Faͤhig¬ keit des menſchlichen Geſchlechtes eher geeignet war, unter den betruͤbteſten Verhaͤltniſſen den Sinn des Rechtes und mit dieſem den Sinn der Freiheit, wenn auch ſchlafend, aufzubewahren, als das germaniſche Recht, welches ſeiner Gewohn¬ heitsnatur, ſeiner eigenſinnigen Liebhabereien, ſei¬ nes aͤußerlichen Gebrauchsweſens und ſeines un¬ aͤchten Individualismus halber ſich unfaͤhig ge¬ zeigt hat, den vielgeruͤhmten germaniſchen Sinn fuͤr Recht und Freiheit im Ganzen und Großen zu erhalten, ſo wenig als ſich ſelbſt. Denn das Recht iſt eigentlich nichts als Kritik; dieſe ſoll ſo allgemein und grundſaͤtzlich als moͤglich ſein, und das productive Leben, der Gegenſtand dieſer Kritik, iſt es, welches allzeit naturwuͤchſig und individuell ſein ſoll.
Dafuͤr regte das, was er vom germaniſchen Recht erfaßte, durch den poetiſchen und ehrwuͤr¬ digen Duft und Glanz ſeiner verjaͤhrten Sprache und durch das maleriſche Coſtuͤm ſeine Begier
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0096"n="86"/>
menheit und der Knechtſchaft hergehend, von die¬<lb/>ſer allein geuͤbt und gepflegt, gerade ſeiner in ſich<lb/>
wurzelnden Allgemeinheit wegen als eine Faͤhig¬<lb/>
keit des menſchlichen Geſchlechtes eher geeignet<lb/>
war, unter den betruͤbteſten Verhaͤltniſſen den<lb/>
Sinn des Rechtes und mit dieſem den Sinn der<lb/>
Freiheit, wenn auch ſchlafend, aufzubewahren, als<lb/>
das germaniſche Recht, welches ſeiner Gewohn¬<lb/>
heitsnatur, ſeiner eigenſinnigen Liebhabereien, ſei¬<lb/>
nes aͤußerlichen Gebrauchsweſens und ſeines un¬<lb/>
aͤchten Individualismus halber ſich unfaͤhig ge¬<lb/>
zeigt hat, den vielgeruͤhmten germaniſchen Sinn<lb/>
fuͤr Recht und Freiheit im Ganzen und Großen<lb/>
zu erhalten, ſo wenig als ſich ſelbſt. Denn das<lb/>
Recht iſt eigentlich nichts als Kritik; dieſe ſoll<lb/>ſo allgemein und grundſaͤtzlich als moͤglich ſein,<lb/>
und das productive Leben, der Gegenſtand dieſer<lb/>
Kritik, iſt es, welches allzeit naturwuͤchſig und<lb/>
individuell ſein ſoll.</p><lb/><p>Dafuͤr regte das, was er vom germaniſchen<lb/>
Recht erfaßte, durch den poetiſchen und ehrwuͤr¬<lb/>
digen Duft und Glanz ſeiner verjaͤhrten Sprache<lb/>
und durch das maleriſche Coſtuͤm ſeine Begier<lb/></p></div></body></text></TEI>
[86/0096]
menheit und der Knechtſchaft hergehend, von die¬
ſer allein geuͤbt und gepflegt, gerade ſeiner in ſich
wurzelnden Allgemeinheit wegen als eine Faͤhig¬
keit des menſchlichen Geſchlechtes eher geeignet
war, unter den betruͤbteſten Verhaͤltniſſen den
Sinn des Rechtes und mit dieſem den Sinn der
Freiheit, wenn auch ſchlafend, aufzubewahren, als
das germaniſche Recht, welches ſeiner Gewohn¬
heitsnatur, ſeiner eigenſinnigen Liebhabereien, ſei¬
nes aͤußerlichen Gebrauchsweſens und ſeines un¬
aͤchten Individualismus halber ſich unfaͤhig ge¬
zeigt hat, den vielgeruͤhmten germaniſchen Sinn
fuͤr Recht und Freiheit im Ganzen und Großen
zu erhalten, ſo wenig als ſich ſelbſt. Denn das
Recht iſt eigentlich nichts als Kritik; dieſe ſoll
ſo allgemein und grundſaͤtzlich als moͤglich ſein,
und das productive Leben, der Gegenſtand dieſer
Kritik, iſt es, welches allzeit naturwuͤchſig und
individuell ſein ſoll.
Dafuͤr regte das, was er vom germaniſchen
Recht erfaßte, durch den poetiſchen und ehrwuͤr¬
digen Duft und Glanz ſeiner verjaͤhrten Sprache
und durch das maleriſche Coſtuͤm ſeine Begier
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/96>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.