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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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menheit und der Knechtschaft hergehend, von die¬
ser allein geübt und gepflegt, gerade seiner in sich
wurzelnden Allgemeinheit wegen als eine Fähig¬
keit des menschlichen Geschlechtes eher geeignet
war, unter den betrübtesten Verhältnissen den
Sinn des Rechtes und mit diesem den Sinn der
Freiheit, wenn auch schlafend, aufzubewahren, als
das germanische Recht, welches seiner Gewohn¬
heitsnatur, seiner eigensinnigen Liebhabereien, sei¬
nes äußerlichen Gebrauchswesens und seines un¬
ächten Individualismus halber sich unfähig ge¬
zeigt hat, den vielgerühmten germanischen Sinn
für Recht und Freiheit im Ganzen und Großen
zu erhalten, so wenig als sich selbst. Denn das
Recht ist eigentlich nichts als Kritik; diese soll
so allgemein und grundsätzlich als möglich sein,
und das productive Leben, der Gegenstand dieser
Kritik, ist es, welches allzeit naturwüchsig und
individuell sein soll.

Dafür regte das, was er vom germanischen
Recht erfaßte, durch den poetischen und ehrwür¬
digen Duft und Glanz seiner verjährten Sprache
und durch das malerische Costüm seine Begier

menheit und der Knechtſchaft hergehend, von die¬
ſer allein geuͤbt und gepflegt, gerade ſeiner in ſich
wurzelnden Allgemeinheit wegen als eine Faͤhig¬
keit des menſchlichen Geſchlechtes eher geeignet
war, unter den betruͤbteſten Verhaͤltniſſen den
Sinn des Rechtes und mit dieſem den Sinn der
Freiheit, wenn auch ſchlafend, aufzubewahren, als
das germaniſche Recht, welches ſeiner Gewohn¬
heitsnatur, ſeiner eigenſinnigen Liebhabereien, ſei¬
nes aͤußerlichen Gebrauchsweſens und ſeines un¬
aͤchten Individualismus halber ſich unfaͤhig ge¬
zeigt hat, den vielgeruͤhmten germaniſchen Sinn
fuͤr Recht und Freiheit im Ganzen und Großen
zu erhalten, ſo wenig als ſich ſelbſt. Denn das
Recht iſt eigentlich nichts als Kritik; dieſe ſoll
ſo allgemein und grundſaͤtzlich als moͤglich ſein,
und das productive Leben, der Gegenſtand dieſer
Kritik, iſt es, welches allzeit naturwuͤchſig und
individuell ſein ſoll.

Dafuͤr regte das, was er vom germaniſchen
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[86/0096] menheit und der Knechtſchaft hergehend, von die¬ ſer allein geuͤbt und gepflegt, gerade ſeiner in ſich wurzelnden Allgemeinheit wegen als eine Faͤhig¬ keit des menſchlichen Geſchlechtes eher geeignet war, unter den betruͤbteſten Verhaͤltniſſen den Sinn des Rechtes und mit dieſem den Sinn der Freiheit, wenn auch ſchlafend, aufzubewahren, als das germaniſche Recht, welches ſeiner Gewohn¬ heitsnatur, ſeiner eigenſinnigen Liebhabereien, ſei¬ nes aͤußerlichen Gebrauchsweſens und ſeines un¬ aͤchten Individualismus halber ſich unfaͤhig ge¬ zeigt hat, den vielgeruͤhmten germaniſchen Sinn fuͤr Recht und Freiheit im Ganzen und Großen zu erhalten, ſo wenig als ſich ſelbſt. Denn das Recht iſt eigentlich nichts als Kritik; dieſe ſoll ſo allgemein und grundſaͤtzlich als moͤglich ſein, und das productive Leben, der Gegenſtand dieſer Kritik, iſt es, welches allzeit naturwuͤchſig und individuell ſein ſoll. Dafuͤr regte das, was er vom germaniſchen Recht erfaßte, durch den poetiſchen und ehrwuͤr¬ digen Duft und Glanz ſeiner verjaͤhrten Sprache und durch das maleriſche Coſtuͤm ſeine Begier

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/96>, abgerufen am 26.11.2024.